Zwischen Bienen auf Speed, Sexpuppen und Krabbenbrötchen

Nach fast zwanzig Jahren dürfen die filmischen schwarzen Schafe – inzwischen mit # im Titel – erneut über die Leinwände blöken. Regisseur und Drehbuchautor Oliver Rhis hat sehr lange Zeit und sehr bewusst die Finger von einer Fortsetzung gelassen. «Der alte Film ist ja zum Kultfilm avanciert und da wollte ich mir nicht die Finger daran verbrennen», erzählt der Schweizer. «Doch dann haben mich die großen Themen unserer Zeit dazu animiert, meine Schafe auf den Klimawandel, Cancel Culture, MeToo oder Gender-Themen loszulassen. ich wollte sie in die Jetzt-Zeit holen und mit ihnen nochmals gemeinsam lieben und leiden.»
Wir tauchen also erneut in den bunten Kosmos von Berlin ein, in die von sommerlich-heissen Temperaturen gebrutzelte Bundeshauptstadt. Aus dem Off führt die mysteriöse, poetisch mäandernde Stimme von Katharina Thalbach durch die urbane Szenerie. Zuerst lernen wir Kafka (Marc Hosemann) kennen. Seines Zeichens Kleinkrimineller, Schlitzohr und für die Geschichte nur als Einstieg relevant. Er wird im Hinterzimmer eines Take Aways von Klan-Mitgliedern mit Zange und Schere bedroht und verliert durch sein loses Mundwerk einen Zeh. Aber ihm gelingt die Flucht, was den mit Blut bespritzten Klan-Boss Omar (Yasin El Harrouk) so richtig stresst.
Bienen auf dem Balkon sind keine gute Idee
Gleichzeitig streiten sich Delphine von Plettenburg (herrlich schrill: Jella Haase) und ihr Bruder Fritz (Frederick Lau), der Bienen auf dem Balkon im Plattenbau hält, damit diese seine Drogen bewachen. Aber die Bienen haben das Kokainversteck entdeckt, selbst davon genascht und sind nun wie Hummeln auf Speed. Die Geschwister stammen aus einem alten Adelsgeschlecht, sind inzwischen aber pleite. Delphine möchte raus aus dem Kreislauf aus Bürgergeld und Armut und versucht ihr Glück mit anatomisch-abstrakten Gender-Sexpuppen. Im Streit verlässt sie die Wohnung und nimmt einen Anlauf, ihre Puppen in einem Spielwarengeschäft zu verkaufen.
Delphine versucht ihre Gender-Sexpuppen zu verkaufen. (©Port au Prince Film / Clara Marnette)
Dort trifft sie zufällig auf Charlotte (Jule Böwe), die von ihrem Mann Peter (Milan Peschel) genervt ist, weil der nur Fischbrötchen im Kopf hat und leidenschaftlich nichts auf die Reihe bekomme. Also klaut Charlotte aus Geldnot eine Spielkonsole für den Junior und wird erwischt. Kurzerhand schnappt sich Delphine eine Spielzeugpistole und bedroht den Verkäufer. Die beiden Frauen fliehen und schnappen sich dabei die Kreditkarte des zufällig anwesenden Klan-Bosses, der ein Geschenk für seine Tochter kaufen will. Ab jetzt gehen die beiden Neo-Freundinnen richtig steil und die Ereignisse überschlagen sich.
Inzwischen hat Peter eine wunderbar schräge Begegnung mit einem Jet-Ski und einem Fremden und der harte Omar wird von seiner Tochter mühelos überzeugt, er müsse jetzt sofort die Welt retten. Stichwort: Klimawandel. Also plant er den ersten klimaneutralen Klan zu schaffen, inklusive Rikscha, statt fetter Karre. Das gefällt aber nicht allen Gangster im Milieu und bringt neue Probleme.
Nahbare Figuten zwischen schrullig und hyperaktiv
«#SCHWARZESCHAFE» entpuppt sich rasch als hemmungslos herrlichen Trip durch Berlin und in die Leben einer Gruppe unterschiedlichster Menschen, die eher zufällig ein kurzes Stück gemeinsam durch das Leben gehen. Zusammengehalten wird das Konstrukt einerseits vom feinen roten Faden, aber auch von der geheimnisvollen Off-Stimme. Das funktioniert grösstenteils ganz gut, weil sich die Handlungsstränge zunehmend verdichten. Zwar wirkt der Filmfluss sprunghaft und spontan, wie das großstädtische Leben eben, aber doch nie unlogisch; tatsächlich steuern die schwarzen Schafe zielsicher durch die absurden Situationen. Die unterschiedlichen Figuren sind meist nahbar und pendeln zwischen schrullig bis hyperaktiv. Nur das – vermutlich gewollt - unausstehliche Kind, das vom Karma mit einer grässlich-hässlichen Zahnspange belohnt wurde, nervt. Michael Mittermeier hätte es in den 90ern als «Arschlochkind» betitelt. Weil aber Figuren nur nerven, wenn sie sauber und konsequent geschrieben sind, was wiederum für ein gutes Script spricht, stört das den Erzählfluss und den Spass nur marginal.
Der Film wirkt sowieso stellenweise, als wäre er in entspannter Atmosphäre geschrieben worden. Oliver Rhis sagt dazu: «Wir haben in der Gruppe mehrere Sessions an langen, feuchtfröhlichen Weekends abgehalten und wild Ideen gefischt. Danach habe vor allem ich lange geschrieben, später kam dann noch Cristina Tarpo dazu, die das Werk vollendet hatte.» Man fragt sich beim Betrachten des Films, wie viele verrückte Ideen an diesen Wochenenden im Eimer gelandet sind, denn Szenen wie die Ermordung von Hulk (hier wird nicht zu viel verraten) oder wenn Delphine im Fahrstuhl rhetorisch vor sich hin murmelt, wieso ihr Leben so ein Scheisshaufen sei und eine ältere Frau antwortet: «Weil du eine verwahrloste, hysterische Wohlstandstussi aus einer Fascho-Familie bist», zeigen viel Gespür für amüsanten Anarcho-Humor und ehrliche Dialoge. Aber der Film lebt nicht nur vom Humor, sondern von stilistischen Elementen wie teilweise animierten Sequenzen.
Klan-Boss Omar ist mit der Rikscha auf Mission Weltrettung. (©Port au Prince Film / Clara Marnette)
#SCHWARZESCHAFE ist ein augenzwinkernder Film, der vom hervorragenden Cast und vom quietschbunten Panoptikum Berlins, das er farbenfroh und geschickt einfängt, mühelos getragen wird. Wer will, findet sogar Referenzen an die deutsche Filmgeschichte, etwa an den Wem Wenders-Klassiker «Der Himmel über Berlin». Das tief menschliche Berlin, die Off-Stimme, die alles zu beobachten scheint, oder einzelne Kamerafahrten laden dazu ein. «Tatsächlich habe ich nicht einmal an «Der Himmel über Berlin» dabei gedacht», erklärt Oliver Rhis, «Aber das hat tatsächlich was. Die Stimme von Katharina Thalbach ist ja auch sowas wie die Göttin Berlins. Ich wollte dem verrückten Treiben der Figuren eine poetische Ebene verleihen, das war die Intension.»
Bonaparte stecken hinter der Musik
Bemerkenswert: #SCHWARZESCHAFE wurde komplett unabhängig und ohne Gelder aus Fördertöpfen auf die Beine gestellt und alleine von Port auf Prince Film & Kultur Produktion finanziert. Neben Oliver Rhis und Ana Cristina Tarpo haben am Drehuch ebenfalls Daniel Young, Ziska Riemann, Melanie Möglich und Oliver Keidel geschrieben. Das Thema Klimaschutz spielt nicht nur im Film eine Rolle, sondern auch in der Realität, denn #SCHWARZE SCHAFE wurde nach aktuellen ökologischen Standards produziert. Charmant: Die erzielten Gewinne werden in ausgewählte Klimaschutzprojekte investieren.
Und last but not least sei noch ein Bezug zur Schweiz erwähnt. Die Musik hat ein gewisser Tobias Jundt geschrieben, der mit dem losen Kollektiv Bonaparte längst als Kult gehandelt wird.
«#SCHWARZESCHAFE» ist wie der schräge, etwas verrückte, aber liebenswürdige Onkel, den jeder mag. Genau darum trägt der Film das Herz am richtigen Fleck und so manifestiert sich «#SCHWARZESCHAFE» als würdiger Nachfolger für einen Kultfilm.
- #SCHWARZESCHAFE (DE 2025)
- Regie: Oliver Rhis
- Drehbuch: Oliver Rihs, Ana Cristina Tarpo, Daniel, Young, Ziska Riemann, Melanie Möglich und Oliver Keidel
- Musik: Studio Bonaparte
- Laufzeit: ca. 93 Minuten
- Kinostart: 24. Juli 2025