Liebe in Zeiten der Neurosen

Filmkritik: L'Art D'Aimer
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Ascot Elite

Woody Allens letzter Film «Midnight in Paris» handelte, wie der Titel verrät, in der Stadt der Liebe. Zwar waren die Protagonisten Amerikaner, aber manch einer kann sich vorstellen, dass sich die eigentlichen Bewohner der schönen Eiffelturmstadt auch ein wenig neurotisch in Liebesdingen verhalten. So erleben die Pariser in Emmanuel Mourets neuster romantischer Komödie «L’Art D’Aimer», von ihren Neurosen begleitet, das Abenteuer der Liebe.

 

Da wäre zum einen die schüchterne Isabelle (Julie Depardieu, «La petite Lili», «Un secret»), die zwar keinen festen Freund, dafür aber reichlich besorgte Kolleginnen hat, durch deren Drängen Isabelle dann aber auch ab und zu in den Genuss von Liebesdiensten kommt. Zum anderen wäre da der alternde Playboy Achille (François Cluzet, «Intouchables»), der von seiner jungen, attraktiven Nachbarin (Frédérique Bel «Changement d’adresse», «Fais-moi plaisir») immer mal wieder angeflirtet wird. Doch während Achille weiss, was er will, ist sie sich ihrer Motive viel weniger bewusst. Daraus entwickelt sich ein nicht endend wollendes Katz-und-Maus-Spiel. Dann gibt es noch das junge Liebespaar, gespielt von Gaspard Ulliel («Un long dimanche de fiancailles») und Élodie Navarre, das versucht offen und ehrlich zu bleiben, sich aber erst wegen dieses Vorhabens in Lügen und Intrigen verstrickt. Beim älteren Liebespaar Paul (Philippe Magnan) und Emmanuelle (Ariane Ascaride «Marius e Jeanette») muss sich Paul mit der Mid-Life-Crisis seiner Gattin auseinandersetzen.


Die Liebe und ihre Irrwege

 

Leicht hat es keiner der Protagonisten in diesem Sammelsurium von Gefühlen und Gelüsten. Emmanuel Mouret («Changement d’adresse», «Un Baiser s’il vous plait»), der nicht nur Regie führte, sondern auch das Drehbuch schrieb, nennt – nach seinen Vorbildern gefragt - dann auch die üblichen Verdächtigen: Woody Allen, Billy Wilder und Ernst Lubitsch. So erstaunt es nicht, dass Liebhaber und Liebhaberinnen von oben genannten Filmschaffenden auch bei dieser französischen Menage à dix auf ihre Kosten kommen. Die zehn Protagonisten geben sich mal leidenschaftlicher, mal neurotischer den Irrungen und Wirrungen der Liebe hin. Ihnen dabei zuzusehen macht Spass, entdeckt sich sicherlich auch manch einer im Publikum in der einen oder anderen Figur wieder.


Happy End?

 

Mouret zeigt uns, wie wir trotz altkluger Weisheiten immer wieder mit offenen Augen und Ohren in die alten Fallen tappen. Dabei stehen sich die Menschen viel mehr selber im Weg, als das andere für ihr Unglück verantwortlich gemacht werden könnten. Besonders fein ist dies in der Geschichte von William und Vanessa ausgearbeitet, dem jungen Paar, das von sich behauptet emanzipiert zu sein und den Unterschied zwischen wahrer Zuneigung und Sex zu kennen, sich im Alltag daran aber fast die Zähne ausbeisst. Mouret enthüllt ohne zu moralisieren und dies gefällt. Bei Vanessas und Williams Geschichte sollten die Zuschauer besonders gut hinschauen, denn der Regisseur tritt - ganz in der Tradition von Allen - auch selbst, in der Rolle als Vanessas Verehrer, vor die Kamera.

Wie diese und die vielen anderen amüsanten Geschichten ausgehen, erfährt das Publikum ab diesen Donnerstag in den Kinos.

 

  • L’Art D’Aimer (FR 2012)
  • Regie & Drehbuch: Emmanuel Mouret
  • Darsteller: François Cluzet, Julie Depardieu, Ariane Ascaride, Gaspard Ulliel, Judith Godrèche, Frédérique Bel
  • Laufzeit: 85 Minuten
  • Kinostart: 21. Juni 2012
Tanja Lipak / Mi, 20. Jun 2012