Lo & Leduc: «Musik muss nicht politisch sein, aber kritisch»

Interview: Lo und Leduc am Gurtenfestival 17
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© Tanja Lipak

Auch wenn sie nicht aus Bümpliz oder Belpmoos kommen, sie hat man einfach von Anfang an gärn gehabt, die Herzen bekommen sie überall geschenkt. Die Rede ist von Lo & Leduc, dem Berner Mundart-Duo, das seit nun gut 4 Jahren erfolgreich in der Schweizer Musikszene mitmischt. Und auch wenn sie nicht so verdammt jung sind wie Nemo, der ebenfalls am Gurtenfestival auftrat, bringen sie singend und rappend eine pompöse Energie mit auf die Bühne. Am diesjährigen Gurtenfestival wurden sie nun endlich mit der Hauptbühne gekrönt. Perfektes Timing also, um sich mit den beiden Herren auf dem Gurten auf einer Parkbank zum Interview zu treffen. Mit Bäckstage plauderten sie über Ausreisser-Lieder, ihre Wegbereiter bei Eldorado FM, den «Giele - Giele - Giele»-Moment, Berner Ingwerer Likör und Politik.

 

Wie geht es euch heute? Seid ihr fit?

Lo: Es geht gut, danke. Fit? Jetzt langsam auch wieder. Wir sind erwartungsgemäss relativ spät ins Bett, aber jetzt kommen wir langsam wieder in den Gang. #Damevelo. (Anmerkung der Redaktion: «Damevelo» heisst einer ihrer neuen Songs. Darin geht es auch um’s wieder in die Gänge kommen.)

  

Und seid ihr zufrieden mit dem Auftritt gestern? Zum ersten Mal auf der Hauptbühne.

Leduc: Zufrieden … Für eine Analyse ist es noch zu früh. Aber wir sind glücklich, dass wir das machen durften mit all unseren Freunden. Und es ist grundsätzlich schon so, dass wir zufrieden sein sollten, aber es gibt immer etwas, was noch besser hätte laufen können, aber darum geht es an einem Auftritt wie gestern auf der Hauptbühne nicht. Unsere wichtigste Aufgabe war es, die Magie mit dem Publikum zu wecken und das ist uns glaube ich gelungen.

  

Das habt ihr definitiv geschafft. Wie du erwähnst waren eure Kollegen vor Ort auf der Bühne, es gab Gastaustritte von Tommy Vercetti und Manillio.

Lo: Die beiden sind nicht nur Kollegen von, sondern zugleich unsere Wegbereiter. Eldorado FM, die Crew um Tommy Vercetti und Manillio, haben uns 2-3 Jahre lang bei Auftritten als Vorgruppe mitgenommen. Wir haben dank ihnen über 50 Konzerte gespielt. Weil sie uns immer unterstützt haben. Deshalb ist auch klar, dass wir diejenigen, die Zeit haben, bei speziellen Ort wie hier auf dem Gurtenfestival mitnehmen und zusammen auftreten.

  

Ihr seid auf der Bühne mittlerweile auch schon eine recht grosse Truppe. Wie übt ihr da eigentlich eure Lieder, wer ist Taktgeber, respektive Orchestermeister?

Lo: Auch da gibt es klare Rollenverteilungen. Das Studioalbum ist die Basis und dann geht es darum zu entscheiden, wie wir das Live umsetzen möchten. Und da kann man getrost sagen, dass unser Pianist Lukas Iselin das Herzstück der Live-Produktion ist.

 

Leduc: Schon rein technisch. Wir wären ohne Lukas komplett aufgeschmissen.

 

Lo: Genau, ohne ihn und seine stunden- und nächtelange Arbeit wäre ein Auftritt auf der Hauptbühne nicht möglich. Ein riesengrosses Dankeschön an dieser Stelle an ihn. Was es auch besonders zu erwähnen gilt, ist dieser spezielle «Giele, Giele, Giele»-Moment, wenn Leduc etwas Gutes in den Sinn kommt, dann kommt er angerannt, sagt «Giele, Giele, Giele, chum mir mache ds so..» und dann erklärt er seinen Einfall, den wir dann grad umsetzen. Und in den meisten Fällen ist es guter Input, aber es gab auch Momente, wo es voller Seich war.

 

Leduc: Und es geht auch darum, schön basisdemokratisch von allen die Inputs einzuholen. Aber zu viele Köche verderben bekanntlich den Brei, deshalb ist es super, dass alle Musiker agil genug sind, sich immer einzubringen, aber dann auch hinter getroffenen Entscheiden stehen und spielen können. Am Schluss braucht es eben dann doch nur eine Vision. Es ist schon ein sehr spannender Prozess.

  

 

Lo: Wenn wir mal 10 Jahre in einem anderen Land leben und danach zurück in die Schweiz kommen würden, könnte man sich das schon überlegen mit dem Texten in einer anderen Sprache.

 

 

Euer neues Album heisst «Auf Ingwer und ewig». Trinkt ihr gerne den Berner Ingwerer Likör?

Lo: haben wir auch schon getrunken … (lacht).

 

Leduc: Aber wir haben beim Titel nicht an Ingwerer gedacht.

 

Lo: Wir haben wirklich an den wahren Ingwer gedacht. An die tolle Knolle.

  

Auf dem neuen Album gibt es ein Lied namens «Henker», das Bern gewidmet ist. Fühlt ihr euch von der Hauptstadt ein wenig eingeengt?

Leduc: Es ist wirklich ein zweischneidiges Schwert. Es ist viel Enge in Bern, aber man hängt natürlich auch an der Stadt und empfindet viel Liebe für sie. Das Lied ist auf Bern bezogen, weil wir beide hier aufgewachsen sind. Aber ich denke das Lied kann man auf jede Stadt - egal welche es ist, in der man aufgewachsen ist - beziehen. Es geht um das ewige Hin- und Her. Es wir einem manchmal alles zu eng, aber trotzdem hält es einem zurück in der Stadt.

  

Es hat mich stark an das «Bälpmoos» der Patent Ochsner erinnert. «Schpick mi furt vo hie».

Leduc: Es gibt ja schon eine ganze Reihe, fast Tradition von Ausreisser-Liedern. Es wäre noch spannend herauszufinden, ob diese in anderen Ländern auch dermassen extrem vorhanden sind, oder ob das eine Schweizer Eigenart ist. Ja, dieses «Schpick mi furt vo hie», auch das «Uf und drvo» vom Gölä hat die gleiche Thematik. Es nährt eine gewisse Sehnsucht.

 

Lo: Obwohl die Leute ja mehr Zeit damit verbringen, darüber zu reden, dass sie wegwollen, als dass sie dann auch wirklich weggehen.

  

Werdet ihr mal weggehen aus Bern, aus der Schweiz?

Leduc: Ich dachte früher immer «ganz klar, auf jeden Fall». Aber wenn ich heute» mein Leben betrachte, weiss ich das nicht mehr so genau.

 

Lo (zu Leduc): Ich glaube, sie meinte das in muskalischer Hinsicht.

 

Leduc: Aha, also musikalisch. Singen werden wir, glaube ich, immer nur auf Bärndeutsch. Für das Texten bin ich viel zu unerfahren in anderen Sprachen. Ich wüsste wie ich etwas Bestimmtes vielleicht sagen könnte, aber nicht die andern 3 - 4 Arten, wie man das gleiche in einer wenig direkteren Redewendung ebenfalls aussagen könnte. Ehrlich gesagt bin ich überrascht, wie viele Schweizer Künstler frisch von der Leber in anderen Sprachen Songs schreiben können. Ich gönne ihnen diese Leichtigkeit, wir haben sie definitiv nicht (lacht).

 

Lo: Um nochmals auf das vorherige Thema zurückzukommen. Wenn wir mal 10 Jahre in einem anderen Land leben und danach zurück in die Schweiz kommen würden, könnte man sich das schon überlegen mit dem Texten in einer anderen Sprache.

 

Leduc: Oder das Ganze müsste einen ganz anderen Ansatz haben als heute. Der Text müsste eine andere, kleinere Rolle spielen. Der Text dürfte dann nicht mehr so relevant sein.

 

Lo: Stimmt.

  

 

Leduc: Es heisst immer, das zweite Album ist schwieriger, weil der Erwartungsdruck steigt - von aussen und von innen. Ehrlich gesagt fühlte es sich einfacher an, das zweite Album zu machen.

 

 

Wie gross spielt beim Texten eurer Lieder die Tatsache eine Rolle, dass ihr beide Germanistik studiert habt?

Lo: Ich glaube es ist eher umgekehrt. Wir schreiben unsere Texte nicht so, weil wir Germanistik studiert haben, sondern weil wir gerne Texte schreiben und Lieder machen, also eine Affinität für Sprache besitzen, haben wir uns für Germanistik entschieden.

 

Leduc: Ja, es ist besser so rum.

 

Lo: Sonst würden wir so Akademiker-Gesülze machen.

  

Oder ihr werdet mal ein Lehrerduo und übernehmt eine rappende Schulklasse.

Leduc: Was zusammen Lehrer sein? Neeeein! (lacht)

 

Lo: Nein, ich sehe das auch weniger. Ich habe nicht so gern Lehrerzimmer. Ausser natürlich dasjenige im Progr. (Anmerkung der Redaktion: Der Progr ist ein altes Progymnasium in Bern, dass heute als Kulturzentrum wirkt und neben der Bar Turnhalle auch eine Bar namens Lehrerzimmer besitzt).

  

Wie ist es auch bei der Produktion des zweiten Label-Albums ergangen?

Leduc: Es heisst immer, das zweite Album ist schwieriger, weil der Erwartungsdruck steigt - von aussen und von innen. Ehrlich gesagt fühlte es sich einfacher an, das zweite Album zu machen. Die Crew kannte einander besser, es gab weniger Streitigkeiten. Es funktionierte viel einfacher und flüssig. Es war ein sehr organischer Produktionsprozess. Man kennt die Schwächen und Stärken von jedem ein wenig besser und kann damit besser umgehen.

 

Lo: Und man hat eine Produktion in dieser Grössenordnung schon einmal gemacht. Das hilft wahnsinnig viel weiter. Man hat diese Erfahrung und kennt sich wieder paar Jahre länger. Für mich war es auch einfacher, das zweite Album zu machen.

 

 

Auf euren neuen Album hinterfragt ihr im Song «Liber» zusammen mit Tommy Vercetti die freie Marktwirtschaft.

 

Lo: Das ist ein Diskurs, in welchem wir uns immer bewegen. Indem wir Texte schreiben, wollen wir ja auch, dass diese Texte eine gewisse Aussagekraft besitzen. Und diese Erwartung ist gestiegen, da unser Publikum auch grösser wurde. Unsere Achtsamkeit hat sich verändert, weil es ist vielleicht kein Mixtape mehr, das sich 200-500 Personen anhören, sondern jetzt stehen wir eben auf der Hauptbühne auf dem Gurten und haben über 15‘000 Zuschauer im Publikum. Und da überlegt man sich schon mehr, was man da genau aussagen möchte, welche Botschaften und Werte man vermitteln möchte. Dadurch gehen wir ernsthafter an die Lieder heran. Und die politische Ebene ist eine zweite, die dazukommt. Hier ist es immer eine Gradwanderung zu entscheiden, wann es Sinn macht ein Buch zu schreiben, eine Rede oder sich politisch zu engagieren oder eben die Gedanken in einem Song zu fassen. Unter dem Strich machen wir nur Musik. Und Musik funktioniert zum Teil über den Intellekt, sie funktioniert auch zu gleichen Massen über das Gefühl. Musik berührt einfach. Deshalb versuchen wir Grundhaltungen, über die Geschichten die wir erzählen, zu vermitteln, ohne explizit vorzugeben, was man wählen kann, darf, oder muss. Wenn man Lieder wie «Pluto» hört, wird eine Grundhaltung deutlich, die durchaus auch eine politische Dimension innehat.

 

Leduc: Eine spannende Frage ist, inwiefern das Politische zum Liedermachen dazugehört. Ich denke das Politische nicht, aber die kritische Haltung auf jeden Fall.

 

Danke für das Gespräch.

 

Lo & Leduc - «Mis Huus Dis Huus» 

 

* Mehr Infos über Lo & Leduc sowie Tourdaten und Videos auf der Bandwebsite. 

  

* Ältere Sachen von Lo & Leduc findet ihr als free download bei eldorado.fm. 

 

Tanja Lipak / Sa, 29. Jul 2017