Drachentöter im Auftrag der Drachen

Wo Brandon Routh farblos und Henry Cavill grüblerisch waren, kehrt David Corenswets Iteration zu den Idealen von Christopher Reeves zurück. Der grosse blaue Pfadfinder, der mit viel Charme und einer gehörigen Portion Naivität so viel Schaden von so vielen Menschen wie möglich abzuwenden sucht. Wie Autor David Graeber einst hervorhob, dienen Superhelden meist nur dazu, den Status Quo aufrechtzuerhalten. Sie beschützen die bestehenden Machtverhältnisse. Sie agieren nicht; sie reagieren. Auf alle, die nach Veränderung streben. So ist es erfrischend, dass der Stählerne auch mal ohne Rücksprache mit Regierungen bei bewaffneten Konflikten interveniert. Nicht, weil er es kann, sondern weil er nicht anders kann. Von daher kann es keinen Zweifel geben: David Corenswet ist Superman, und seine grösste Heldentat besteht darin, dass er diesen geballten Blockbuster inklusive Giftpille über die gesamte Laufzeit zu tragen vermag.
Regisseur und Drehbuchautor James Gunn ist es nämlich nur bedingt gelungen, die eigene Verantwortungslast zu stemmen. Nicht nur soll dieser Film nach unzähligen Regimewechseln den Urknall von Warners neuem Kinouniversum initiieren; er soll dem Genre nach einer Reihe peinlicher Flops an der Kinokasse neues Leben einhauchen. Zwar ist «Superman» frisch, frech und mehrheitlich leichtherzig. Er ist genau die Sorte Sommerspektakel, die dich mit einem Lächeln aus dem Kinosaal entlässt. Gunn hat sich sogar fast gänzlich jenen pietätlosen Humor verkniffen, für den er damals von Disney übers Wochenende gefeuert wurde. Doch am Ende kann der Streifen seine eigentliche Intention nicht kaschieren. Hier soll auf Biegen und Brechen ein neues Zeitalter eingeläutet werden. Ein Ensemble aus über hundert Schauspielern – mehrheitlich potentielles Personal für künftige Projekte – wuselt überraschend gut koordiniert über die Leinwand, und es grenzt an ein Wunder, wieviel in die Laufzeit gepackt wurde, ohne dass sich eine Überfrachtung einstellt. Dennoch wirkt der Film eher wie ein Abgesang, wie eine letzte grosse Werkschau auf eine endende Ära.
Wenig zu bejubeln
Denn es fällt schwer, das Konzept Superman 2025 noch ernst zu nehmen. Das liegt nicht nur an einem über achtzig Jahre alten Kostümdesign, bei dem die Unterhosen aussenrum getragen werden. Die Idee des starken, mächtigen Mannes, der die Welt rettet, weckt unweigerlich Assoziationen an Musk, Gates oder Altman. Superreiche, die ihren Götterstatus einem PR-Team verdanken, ihre Flugfähigkeit einem Privatjet und ihre Superkräfte einem schier unendlichen finanziellen Aktionsradius. Kontroverse Gestalten, die ihre Reichtümer mit gleissender Rücksichtslosigkeit scheffelten und von denen wir uns nun ironischerweise Rettung erhoffen. Selbst wenn man dieses Gleichnis mit aller Macht aus dem Kopf verbannt, hat der Film dennoch nichts über die Welt zu sagen – anders als «Winter Soldier» oder «The Dark Knight».
Nun mag man monieren, dass es sich lediglich um einen Film handelt. Doch Superman tickt anders. Er ist mehr als ein Held in Unterhosen. Er muss zwingend ein Symbol der Hoffnung sein – und Hoffnung kann nur funktionieren, wenn sie eine Brücke in die echte Welt schlägt. Wenn sie inspiriert und zum konstruktiven Nachdenken anregt. «Superman» hingegen ist bloss zerstreuender Eskapismus, wenngleich auf allerhöchstem Niveau. Die Botschaft ist glasklar: Das Streben nach selbstlosen Idealen ist unerwünscht, ein Wandel nicht vorgesehen. Der Status Quo muss aufrechterhalten werden und die Inhaltspipeline weiterhin fette Profite zu den Teilhabern pumpen. Seelig jene, die dabei einen Krummen ergattern können oder beim Zusammenbruch von Strukturen nicht zermalmt werden. Der Untergang des einen Milliardärs ist nur der Marktanteilgewinn eines anderen. Niemand wird uns retten kommen. Keine geisteskranken Philanthropen, keine Thunderbolts* und auch nicht der Stählerne.
Der kreative Tausendsassa James Gunn feuert aus allen Rohren und präsentiert einen äusserst unterhaltsamen Blockbuster, bei dem der Titelheld leider zu einem Symbol für seelenschreddernden Neoliberalismus verkommt.
- Superman (USA 2025)
- Regie und Drehbuch: James Gun
- Besetzung: David Corenswet, Nicholas Hoult, Rachel Brosnahan, Frank Grillo uva.
- Laufzeit: 129 Minuten
- Kinostart: 10. Juli 2025