Greenfield 2025: Sommerliche Hitze, gute Laune und das klare Highlight Avenged Sevenfold

Festivalkritik: Greenfield 2025
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©Stagetime.ch / Christoph Gurtner

 

Donnerstag: Rumänische Sagen, Elektro-Metal und Klassiker im Punkgewand

 

Der grosse Headliner am Greenfield 2025 hatte wenig mit Musik zu tun, hielt sich lieber still auf Distanz und sorgte trotzdem für hervorragende Stimmung: es war der Sommer. Das Festival, das jährlich zwischen Eiger und Jungfrau die harten Rock-Subgenres ausgiebig, stilvoll und vielseitig zelebriert, wurde an allen drei Tagen von 30 Grad und mehr verwöhnt oder gebrutzelt - je nach Sichtweise. Das ist natürlich ideal für ein Openair und entsprechend begehrt waren die raren Schattenplätze. Einen davon hatte Meister, der Sänger der Rheinberger Punkt-Combo Betontod, die das Festival nach den traditionellen Alphornbläsern eröffneten. Wie es sich für Punk gehört, wurde frischfröhlich gegen den Kapitalismus und sonstige Pfeifen im System angesungen, mit Megaphon verstärkt und kämpferisch posiert. Symbolisch dafür zeigte das Bühnenbild ein Polizeiauto, das auf dem Dach lag.

 

Der energische Gig hatte beiläufig schon früh klargemacht, wie gut das Greenfield 2025 klingt. Sauberer Sound auf der Main Stage, der sich durch den ganzen Tag zog. So haben bereits Meister und seine Kollegen von Betontod viel Spass gemacht. Neu flankierten zudem links und rechts grosse Screens die Bühne, die bis auf den Boden reichten, und die visuelle Umsetzung verstärkten. Früher waren die Leinwände deutlich kleiner. Durch die neue Grösse ist weiter hinten im Konzertbereich ebenfalls gut zu sehen, was auf der Bühne passiert. Durchaus ein Gewinn. Nach Betontod haben wir uns etwas aus der Sonne zurückgezogen, musikhistorischen Namen wie die Sex Pistols – bekanntlich inzwischen ohne Johnny Rotten, dafür mit Frank Carter – aus der Ferne von «Anarchy in UK» und ironischem Segen für die Monarchie singen hören. Carter soll das Publikum aber so sehr im Griff gehabt haben, dass sich ein Circle Pit um den kompletten Technikturm im Zentrum des Bereiches vor der Hauptbühne gebildet hatte. Respekt dafür.

 

Evergreens durch den punkigen Fleischwolf gedreht

 

Erst auf Me First and the Gimme Gimmes zog es uns auf das inzwischen temperaturtechnisch deutlich angenehmere Gelände zurück. Die Supergroup, die sich aus Mitgliedern verschiedener anderer Bands (bspw. Foo Fighters. Lagwagon oder NOFX) zusammensetzt, feierte mit den Leuten eine Party, indem sie ein Cover nach dem anderen rausgehaute. Stilvoll durch den punkigen Fleischwolf gedrehte Versionen von Evergreens wie «Leaving on a Jetplane» von John Denver, «Dancing Queen» von ABBA, «Sloop John B» von den Beach Boys oder «Good 4 u» von Olivia Rodrigo. Leider war der Sound konträr zur Hauptbühne am Anfang etwas breiig gemischt, so konnte man teilweise den Sänger fast nicht hören. Mit der Zeit fand aber der Mensch hinter den Reglern die richtige Einstellung und nach gute der Hälfte klang die Truppe, die auf der aktuellen Tour C.J. Ramones dabei hat, richtig gut.

 

Als Co-Headliner feierten etwas später Powerwolf wortwörtlich eine Messe. Die Metalband aus Saarbrücken steht für eine mystisch aufgebaute Show, die sich um rumänische Sagen oder christliche Elemente dreht. Spannend ist allerdings, dass sich Powerwolf keineswegs als religiöse Band verstehen. Jedoch bereitet ihnen das Spiel mit den einzelnen Elementen offensichtlich diebisch viel Spass. Leicht zu erkennen, an den verspielten, aber packenden Elementen. So spielte etwas Organist Falk Maria Schlegel auf einem Instrument mit grossen Orgelpfeifen, aus denen im Takt Flammen schossen, wenn er die entsprechenden Tasten drückte. Ebenfalls legen sie Wert auf ihr Auftreten, sind alle in passende Gewänder gekleidet und geschminkt. Keyboarder Falk hat kürzlich in einem Interview mit der Bild erzählt, dass er sich fast perfektionistisch und aufwändig selbst schminkt. Musikalisch spielten Powerwolf präzisen Power-Metal, der aber durchaus mit eingängigen, progressiven Rhythmen und gekonnte Melodiebögen glänzte. Und, um das nochmals zu betonen, der Soundmix war ideal, jedes Instrument konnte deutlich rausgehört werden und der Genuss war so richtig gross. Den Abschluss haben die deutschen Electro-Party-Metaller von Electric Callboy übernommen und die Menschen am Greenfield in die Partynacht entlassen.

 

Freitag: Vom Thekenmädchen, der «Dreifaltigkeit des Klanges» und dem vielleicht besten Gig des Wochenendes

 

Der mittlere Tag im temporären Bündnis auf dem Flugplatz Interlaken startet kurz nach acht Uhr und die Luft fühlte sich bereits klebrig an. Ab unter die Dusche, um etwas erfrischt in den Freitag zu starten. Selbstbedienung durften die Bühne um halb Zwei eröffnen und lieferten gradlinigen Punk mit sozialkritischem Ton. Leider wurde der brachial durchgezogene Ansatz aus Kritik (gegen Nazis usw.) irgendwann ermüdend. Das Trio aus der Schweiz hat seine Sache aber durchaus ordentlich gemacht und die Bühne für den langen Tag eingeheizt. Eine halbe Stunde später übernahmen Versengold die Hauptbühne und zogen die Menschen an. Die durchwegs charmante Folk-Rock-Band aus Bremen hat einerseits den Schalk im Nacken, aber anderseits viel Ernsthaftigkeit in den Songs. Das ist die perfekte Mischung, weil man im Publikum mitgerissen wird und spätestens, als die Band besang, wieso man sich nie in das «Thekenmädchen» verlieben solle, könnten manche einen Ohrwurm mit sich herumgetragen haben.  Versengold wurden ihrem Ruf gerecht und haben einen unterhaltsamen Punkt gesetzt. Dann übernahm die Sonne und Schatten wurde wichtiger.

 

Fotos: ©Christoph Gurtner / stagetime.ch

 

Erst Alligatoh, mit rotem Trainingsanzug und Pelzmantel (mutig bei der Hitze), lockte wieder vor die Hauptbühne. Der hauptberufliche Rapper hat zuletzt ein Metalalbum aufgenommen inklusive Growlen. «Seit ich Gesangsunterricht nehme, klinge ich so», meinte er mit schelmischen Lachen im Gesicht dazu. Diese Art von Selbsthumor zog die Menschen durchaus in ihren Bann und Alligatoh hat sich bei den Metallern gut geschlagen. Das Highlight im frühen Abend stand aber kurz danach auf den Brettern der etwas kleineren Eiger Stage: The Warning. Drei Schwestern aus Monterrey in Mexico, mit Gitarre, Bass und Schlagzeug bewaffnet, verwöhnten die interessierten Menschen mit schnörkellosem Rock, wenn auch stilistisch durchaus breit aufgestellt. Riffs, die von The White Stripes stammen könnten, sind ein gutes Beispiel. Es war schön zu hören, wie diese drei jungen Frauen mit der klassischen Bandbesetzung, der «heiligen» Dreifaltigkeit des Klanges, wenn man so will, für Spannung sorgten. Jetzt sind The Warning nicht unbekannt, haben sie doch mit einem schlauen Cover von Metallicas «Enter Sandman» - mit Alessia Cara als Sängerin - für Furore gesorgt und darauf eine beachtliche Karriere aufgebaut. Für sie war es die Premiere am Greenfield und sicherlich nicht der letzte Auftritt. Vielleicht stehen sie dann beim nächsten Besuch schon auf der Jungfrau Stage aka Hauptbühne.

 

Avenged Sevenfold als würdiger Headliner? Unbedingt, ja. 

 

Eine weitere Premiere erlebte die Jungfrau Stage mit dem Headliner Avenged Sevenfold, der noch nie in Interlaken auf der Bühne stand. Eigentlich schade, denn die kalifornische Metalband hat das musikalische Niveau so hochgelegt, dass selbst Stabhochsprungweltmeister Mondo Duplantis Mühe gehabt hätte, drüber zuspringen. Rasch beeindruckte die Band mit einem visuellen Konzept. So wurde innerhalb der Bühne zwei zusätzliche Screens an den Seiten angebracht, sodass in Kombination mit den seitlichen Monitoren und jenem im Hintergrund fast ein durchgängiger Screen entstand. Darauf wurden die Bandmitglieder in Echtzeit in Comicfiguren und zurück in die menschliche Gestalt verwandelt. Interessant, was Künstliche Intelligenz inzwischen zu leisten im Stande ist. Musikalisch hat die Band aber durchaus eine Referenz gesetzt. Klar, die Metal-Elemente waren da, quasi als hartes Fundament. Darüber hat die Band aber mit geschickten Arrangements Vielseitigkeit in ihr Set gebracht. Das waren mal leise Töne, fast schon andächtig und von tausenden Lichtern begleitet. Aber auch knackige Rhythmen und vor allem viel Spielfreude. Es war alles perfekt. Die laue Spätfrühlingsnacht, die Stimmung, die über dem Areal hing und die Band, die zweifellos unterstrichen hat, wieso sie einen so guten Ruf hat. Auch wenn im Vorfeld Stimmen da waren, die den Headliner-Status von A7X, wie die Band kurz genannt wird, in Frage stellten, so lässt sich klar sagen: gerechtfertigter Headliner? Unbedingt. Avenged Sevenfold lieferten den vielleicht besten Gig des Wochenendes. Damit endete schon der zweite Tag.

 

Samstag:  Notfalls-Gig mit den Donots, die Entdeckung des Festival und Slipknot

 

Weil Adam Angst kurzfristig absagen musste, sind regelrechte Greenfield-Veteranen spontan eingesprungen: die Donots. Auf die Alternative/Punk-Band aus Deutschland ist felsenfest Verlass, denn sie liefern immer. Auch am Greenfield 2025 haben Frontmann Ingo Knollmann und seine Bandmates das Festival begeistert. Im deutschsprachigen Raum ist die Combo längst äusserst beliebt und doch pflegt sie eine feine Art von Selbstironie, nimmt sich nicht zu ernst, was durchaus charmant ist. Aber bei ihnen darf auch gesungen werden. Ob das eigene Songs oder Cover wie «We’re not gonna Take it» von Twisted Sisters sind, spielte da keine Rolle. Irgendwann wollte Ingo alle Fotografen auf, statt vor der Bühne. Diese folgten natürlich gerne und so versammelte sich um ihn eine doch beachtliche Anzahl Menschen mit grossen Linsen. Befreundete Fotografen erklärten diesen Moment zum Highlight des Festivals. Es bleibt festzuhalten, dass die Donots eine sichere Bank sind.

 

Das Schöne an Festivals ist ja eigentlich, dass man neue Bands entdecken kann. So ein Fall ist Grandson. Der kanadisch-US-amerikanische Musiker hat ein brutal gutes Set geliefert, sich behände durch die Genres bewegt und eine bestechende Mischung aus Nu-Metal, Rap, Metal, Alternative und elektronischen Elementen gefunden. Dazu hatte er eine sehr versierte Liveband im Rücken, die ihn – wir erinnern und als den guten Klang – sehr detailliert durch das Set getragen hat. Wenn ein amerikanischer Künstler am Tag auf der Bühne steht, an dem in den USA der Präsident seinen Geburtstag bzw. jenen der US Army mit einer Parade feiert, kann der nicht still sein. So sprach sich Grandson mehrfach gegen Trump und für Vielseitigkeit aus, egal wen und wie man liebe. Zum Schluss meinte er bitter-sarkastisch: «Happy Birthday!» und allen war klar, wen er meinte. Grandson dürfte locker die Entdeckung im diesjährigen Line-up gewesen sein.

 

Leicht weniger Besucher, trotzdem ein erfolgreiches Festival

 

Den Schlusspunkt setzten die Monsterrocker von Slipknot mit ihren Masken und dem gradlinigen, energetischen Powermetal. Etwas schade ist halt nur, dass die amerikanische Band in den letzten fünf Ausgaben des Greenfields dreimal als Headliner auf der Bühne stand. Irgendwann wird das langweilig. Das ist zwar nicht optimal gebucht, könnte aber Gründe haben. Allgemein wird es schwieriger, Line-ups zu buchen und nach unten entwickeln sich die Gagen auch nicht.

 

Nichtsdestotrotz war das Greenfield 2025 mit ca. 75‘000 Menschen über alle drei Tage gesehen ein voller Erfolg. Zwar fanden somit etwas weniger Menschen den Weg nach Interlaken als noch im letzten Jahr, aber vom Festival aus macht man sich da keine Sorgen. Also alles gut in der rockigen Welt des Greenfield und wir freuen uns auf das kommende Jahr. Dann wird die 20. Ausgabe richtig gefeiert. Möglicherweise mit Slipknot?

 

Ganz regenfrei blieb das Greenfield auch bei der 19. Ausgabe nicht, aber in diesem Jahr war der karge Regen willkommen, denn der Sommer hatte Interlaken fest im Griff. Musikalisch war das Festival schon stärker, Spass gemacht hat es trotzdem. 

 

* Alle Fotos von Christoph Gurtner von stagetime.ch. Herzlichen Dank, dass wir sie nutzen dürfen. 

 

Bäckstage Redaktion / Mo, 30. Jun 2025