Ein Song, zwei Welten

In den musikalisch aufblühenden 90ern hat im beschaulichen Niedersachsen eine bemerkenswerte Reise begonnen, die einen Singer-Songwriter nicht nur musikalisch in unterschiedliche Sphären führte, sondern wortwörtlich ans andere Ende der Welt. Als sich in Hameln, der Stadt des berühmten Rattenfängers, der junge Michael Kraemer auf Einladung eines engen Freundes in die Formation einer Grungeband einfügte, waren das die ersten Schritte auf dem klanglichen Parkett. Eine zweite Band folgte bald und die Liebe zur Musik verstärke sich mehr und mehr. Das Leben ist aber oft kein Märchen und so stellte der Todesfall eines engen Bandkumpels das musikalische Universum von Michael Kraemer gehörig auf den Kopf.
Lange dachte der sehr talentierte Songwriter nicht an Musik. Erst zwanzig Jahre später - inzwischen war Brasilien seine Wahlheimat – reifte bei Kraemer die Idee, einige seiner alten Songs neu aufzunehmen, aber in brasilianischen Rhythmen und Instrumenten eingebettet. Schnell war klar, dass die deutschen Texte unbedingt bleiben mussten. Immerhin bildeten sie so im Spiel mit den südamerikanischen Klängen die zwei Herzen in seiner Brust ab. Aus dieser Idee entstand das Album «Zwischen den Jahren», das 2023 erschienen ist und deutsche Texte mit Bossanova, Xote, Samba-Rock und Afoxé kombinierte. Begleitet wurde das Projekt filmisch mit einer kleinen Doku.
Michael Kraemer - «Zu viel»
Aus diesem Album hat Michael Kraemer 2025 den Song «Zu viel zu oft» gewählt, sich viel Zeit genommen und unterschiedliche Versionen arrangiert. So ist die EP «Zu viel zu oft» entstanden. Künstlerisch ist interessant, wie sich die Versionen unterscheiden und trotzdem nicht abstossen. «Zu viel» ist locker, im besten Sinne poppig, von einer verspielten Ukulele und punktuellem Pfeifen geprägt, aber doch intim, weil ganz bewusst karg arrangiert. Im Grunde nur Stimme und Ukulele bzw. das Pfeifen. So gelingt es Kraemer, dass man wie automatisch auf den Text hört. Plötzlich denkt man, hier die pure Essenz des Songs zu hören, das Herz des Songs zu erkennen. «Zu oft» holt einen dagegen gleich mit brasilianischen Xote-Rhythmen ab, was im Fall von Michael Kraemer natürlich volle Absicht ist. Es entsteht rasch eine lebensfreudige Leichtigkeit, die den Song – und den deutschen Text – wunderbar in den Arm nimmt und vor dem imaginären Auge tanzt.
Vergleicht man die beiden Songs, glaubt man die Vision von Michael Kraemer zu erkennen. Mal abgesehen vom Gedanken der Verbindung zwischen den Welten von Deutschland und Brasilien, sind es die menschlichen Empfindungen, die leisen, nachdenklichen Momente der stillen (Selbst-)Reflexion, aber auch die sonnigen, frohen und lebendigen Momente im Leben. Diese beiden Pole, die die meisten Menschen kennen, verbindet Michael Kraemer mit seiner EP wunderbar durch seine Arrangements und so lässt er wie beiläufig uns die Wahl, welche Stimmungsform des Songs wir bevorzugen.
- Künstler: Michael Kraemer
- Genre: Songwriter, Pop, Xote, Samba-Rock
- Aktuelles Werk: «Zu viel» (EP)
- Mehr Infos auf der Website von Michael Kraemer