Die Eagles und eine audio-visuell überwältigende Kugel in der Wüste

Bäckstage auf Achse: Eagles in Las Vegas
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©Danny Schwenter, Handyfoto (Privat)

Man sitzt in dieser unwirklich erscheinenden Kugel, diesem Bau, ist förmlich überwältigt ab den riesigen Dimensionen und staunt über die visuelle als auch klangliche Feinheit, deren Zeuge man gerade wird. Wer Konzerte besucht, wer Konzerte liebt und vor allem hochwertige Akustik schätzt, ist in diesem Bau in der Wüste von Nevada richtig aufgehoben. The Sphere - eröffnet im September 2023 - erlaubt einen Blick auf die Zukunft des Erlebens von Konzerten. Aber von Anfang an.

 

Wir von Bäckstage sind in unregelmässigen Abständen auf ausgesuchten Konzerten im Ausland unterwegs. Dieses Mal hat es das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, die USA, getroffen – sofern sie das noch sind, aber das ist ein anderes Thema. Ein Zwölfstundenflug für eine der grössten Bands der USA ist durchaus vertretbar. Schliesslich sind die Eagles – Kultband des Country-Folk-Pop – technisch und musikalisch auf so bestechend hohem Niveau unterwegs, dass es immer ein Genuss ist, ihnen zuzuhören. Am Konzert wird Don Henley sagen, dass die Band die Songs seit über 50 Jahren für uns, das Publikum, spiele. Damit unterstreicht er die authentische «Wir sind ein Teil von euch»-Attitüde, die die Eagles seit Jahrzehnten so nahbar macht. Diese Aura von Normalität, ohne jegliche Allüren, und in Kombination mit zeitlosen Songs wie «Hotel California» ist zwar charmant, aber nicht primär der Grund für unseren Trip. Der liegt mehr in der Location, der faszinierenden Sphere.

 

Also rein in den Flieger. Ein paar Tage in Los Angeles und eine gemütliche, dreitägige Autofahrt durch einen pophistorisch bekannten Nationalpark – Stichwort U2 und Joshua Tree – sowie die Landschaft der Mojave Wüste später, heisst es «Welcome to Las Vegas» und rasch steht man vor diesem wahnsinnig eindrücklichen Bau. The Sphere steht mitten in Las Vegas und gehört zum The Venetian Ressort. Die Kugel in der Lichter- und Spielerstadt wird ihrem optischen Eindruck mehr als gerecht. Sie ist ein Ball mit 157 Metern Durchmesser und 81‘300 Quadratmeter Aussenfläche, davon sind 54‘000 Quadratmeter durchgängig mit 57,6 Millionen LED’s bestückt, was 1,2 Millonen Bildpunkte ergibt. So blickt schon mal ein gelber Smiley auf Las Vegas oder die Sphere wird um Weihnachten zur Schneekugel. Visuell ist das durchaus beeindruckend. Steht man aber erst mal in der Kugel drin, können die Eindrücke einen leicht erschlagen. Bevor wir auf das Konzert eingehen, noch ein Tipp für alle, die nicht so konzertbegeistert sind. In der Sphere läuft fast täglich die filmische Verneigung vor der Natur, «Postcard from Earth», von Kult-Regisseur Darren Aronofsky gekonnt inszeniert, und der Film zeigt eindrücklich, was an Technik in der Sphere steckt. Alleine der Screen mit einer Auflösung von 16k ist atemberaubend in Detailreichtum und Klarheit. Dazu kommen feine Wind- und Dufteffekte auf den meisten Sitzplätzen und natürlich der 360°-Bildschirm. Aber dazu später mehr.

 

Wind in den Haaren und Sturm auf dem Screen

 

Die Vorfreude auf die Eagles ist gross und beim Betreten der Halle am Konzertabend bleiben viele Münder offen. Das Innere der Kugel ist riesig und schlicht beeindruckend. Auf dem riesigen Screen ist eine Häuserfassade zu sehen. Dahinter erheben sich kalifornische Sehenswürdigkeiten wie das Hollywood Sign, die Hollywood Bowl, das Eingangstor zu den Universal Studios, aber auch ein Strand. Die Häuser sind dekoriert mit Plakaten, die Stationen in der Karriere der Band aufgreifen und durch ein Fenster ist die Band im Studio zu sehen. Sehr liebevoll gestaltet wirkt das Bild. Wenig später fliegt ein Zeppelin am Himmel und verkündet, dass das Konzert in wenigen Minuten beginnt. Die Vorfreude steigt nochmals und plötzlich wird es langsam Nacht über den Häusern auf dem Screen und entsprechend dunkler im Saal, was Strassenlaternen und Scheinwerfer im Bild, etwa beim Hollywood Sign, erstrahlen lässt. Sehr clever und stilvoll gemacht. Dann fegt plötzlich ein Sturm über den Screen, Wind bläst uns ins Haar und aus weiter Ferne sind zwei Autoscheinwerfer zu erkennen. Schnell fährt das Auto auf das Publikum zu, wohlbekannte Gitarren erklingen und in dem Moment, als der Wagen die Leinwand durchbricht, setzt die Band mit dem Gesang ein.

 

Es ist «Hotel California», ihr grösster Hit, den die Eagles bereits als Einstieg anstimmen. Ein erstes Mal entfalten 160‘000 einzeln ansteuerbare Lautsprecher, die in der Sphere verbaut sind, ihre volle Kraft. Der Sound klingt so glasklar, so facettenreich und so voluminös, dass es ein Hochgenuss ist. Jedes Instrument ist klar zu hören, jede angeschlagene Saite, jede gedrückte Taste ist zu erkennen und der mehrstimmige Gesang dringt glasklar aus der Soundanlage. Spannend: der Sound lässt sich so steuern, dass das ein räumliches Empfinden entsteht, fast als ob die Band nach Bedarf über und neben einem singt. Das haut einen völlig um, ist bei der vielen Technik aber im Grunde wenig erstaunlich. Scheinbar lassen sich die Lautsprecher so gezielt steuern, dass beispielsweise ein Sitzblock links mit spanischer Sprache bespielt werden könnte, ein mittlerer Block in Deutsch und ein rechter Block in Englisch und die Besucherinnen und Besucher würden nur die für sie bestimmte Sprache hören, solange sie nicht den Bereich wechseln.

 

Ein kleiner Eindruck vom Konzert

 

Langsam gewöhnt man sich an den feinen Sound und die akustische Qualität. Immerhin stehen neun Musiker auf der Bühne. Da sind die Eagles um Joe Walsh, Don Henley und Timothy B. Smith. Seit 2017 sind auch Country-Songwriter Vince Gill und Deacon Frey, Sohn von Gründungsmitglied Glenn Frey, der seinem Vater in nichts nachsteht, Mitglieder der Band. Deacons Gesang ist warm und packend, die Gitarre spielt er geschickt und gekonnt, dabei wirkt er leger gekleidet, hat manchmal ein Lächeln auf dem Gesicht und zeigt überhaupt keine Allüren. Vielleicht liegt es daran, dass die Eagles für ihn schon immer eine Art Familie waren. Jedenfalls glaubt man eine Art Energie zu spüren, die diese Ahnung unterstreicht. Vince Gill ist in den USA sowieso längst eine Country/Songwriter-Ikone, scheint aber das Spielen mit den Eagles richtig zu geniessen.

Daneben hat die Band vier sehr versierte Musiker im Rücken. Neun Musiker können soundtechnisch durchaus herausfordernd sein und schnell passiert es, dass ein zäher Brei aus den Boxen dringt. Die Eagles klingen in der Sphere dagegen nahezu perfekt, was ihre Soli und Harmonien und den mehrstimmigen Gesang noch deutlicher herausstechen und strahlen lässt. So können die zeitlosen Songs richtig glänzen und die oft luftigleichten Strukturen entfallten ihre ganze, wunderschöne Kraft. Letzlich wird durch diese hohe Qualität das Konzert zum Triumphzug und Songs wie «Take It Easy», «Tequila Sunrise», «New Kid In Town» oder «Desperado» werden vom Publikum gefeiert und mitgesungen.

 

Die Musik der Eagles und die visuelle Kraft der Sphere werden zur perfekten Symbiose

 

Natürlich ist neben der Musik die visuelle Kraft wichtig. Die Visuals sind clever konstruiert. Mal fährt man – begleitet vom Sound der Eagles – durch eine Sumpflandschaft, später gleitet man über Wiesen und Berge. Bei «The Boys of Summer» (Don Henley Solosong) schwimmt ein Paar unter Wasser über die Leinwand. «In The City» (Joe Walsh Solosong) lässt Häuserschluchten in die Höhe schiessen - ein sehr beeindruckender Effekt. Das ist ein guter Moment für einen kleinen Hinweis. Wer an Reisekrankheit oder Seekrankheit leidet, könnte hier durch die riesige 360°-Leinwand leichte Übelkeit verspüren, weil das Gefühl entsteht, die Sitze würden sich bewegen. Es hilft aber, kurz den Blick auf die Füsse zu richten. Grundsätzlich sind im Fall der Eagles die begleitenden Bilder aber sehr entspannt gefilmt und erlauben ein entspanntes Eintauchen in die Stimmung.

 

Die Eagles sind musikalisch und technisch so stilsicher wie eh und je. In Kombination mit dem tief beeindruckenden Bau in der Wüste von Nevada entfacht sich ein unfassbar hochwertiges Wechselspiel aus Musik und Film. Für die Produktion der Visuals wurde extra in Burbanks (Kalifornien) eine 30 Meter hohe Sphere errichtet, die als Studio für die Filmesequenzen dient. Denn dazu wird eine spezielle Kamera benötigt beziehungsweise einiges an Software. Aber lohnt sich dieser ganze Aufwand? Bleibt ein Konzert nicht im Kern trotzdem ein Konzert? Der Weg nach Las Vegas lohnt sich zu 100%, weil sich durch die beeindruckende Grösse der Sphere und dem Rundum-Screen eine ganz spezielle Atmosphäre aufbaut. So werden Musik und Visuals bestmöglich verbunden, bilden eine perfekte Symbiose, die eine beindruckende Intensität entwickelt. Inzwischen gibt es zwar bei grossen Konzerten riesige Screens und die Visuals werden immer aufwändige. Die eXPERIENCE + iNNOCENCE-Tour von U2 oder Roger Waters The Wall-Tour sind Beispiele dafür. An die Dimension, die die Sphere heute bietet, kommt aber bisher nichts auch nur im Entferntesten heran. Das atemberaubende Konzept bietet nicht nur ein Konzert, sondern eine ganzheitliche Erfahrung aus Musik, 360°-Visuals und sanften Effekten wie Wind oder Gerüchen. Technisch ist das Erlebnis in der Sphere so weit voraus, dass es aktuell einzigartig ist, aber dadurch erlaubt die Sphere einen Blick in die Zukunft des musikalischen Entertainments, denn auf dem einen oder anderen Weg dürften einzelne Elemente davon mit der Zeit Einzug in mobile Live-Produktionen finden.  

 

Die Sphere ist beeindruckend und technisch vermutlich aktuell das Nonplusultra. Die Reise hat sich definitiv gelohnt, weil die Eagles alleine schon Hit an Hit reihen können. Die visuelle Wucht, die die Sphere ermöglicht, wirkt aber wie eine zusätzliche Ebene im Konzertgenuss.  Aktuell gibt es schlicht nichts Vergleichbares auf der Welt.

 

  • Band: The Eagles
  • Genre: Country, Folk, Rock
  • Location: The Sphere, Las Vegas
  • Konzertdatum: 4. April 2025
  • Konzertdauer: ca. zwei Stunden

 

* Die Eagles spielen ab September 2025 wieder in der Sphere. Im November soll Stand jetzt die letzte Show stattfinden. Alle Infos dazu auf eagles.com

 

Bäckstage Redaktion / Mi, 28. Mai 2025