The Gardener And The Tree: Eine moderne Art der Rebellion

Interview mit The Gardener And The Tree
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Pressebild, ©Jen Ries

Erst kürzlich, am 12. November 2021, haben The Gardener And The Tree ihr neues Album «Intervention» (Unsere Kritik) veröffentlicht. Warum man Zeit und Geduld braucht, um sich den Zweitling anzuhören, hat uns Sänger Manuel Felder in einem Zoom-Interview verraten. Er spricht ausserdem über die Entstehung des Albumtitels «Intervention» und erklärt, warum er eine Nintendo64 mit den bevorstehenden Live-Auftritten vergleicht.

 

Es freut mich sehr, dass wir das Interview auf diese Art machen können. Wie geht es dir?

 

Manuel: Gut danke, und dir?

 

Auch gut, danke. Du bist ja aktuell auf Promotour – wie läufts bis jetzt?

 

Ein bisschen im Stau stehen, wir mussten noch das Auto wechseln, weil wir eine Panne hatten – es bleibt spannend.

 

Aber sicherlich auch spannende Interviews und Erfahrungen.

 

Ja, klar, das auch.

 

Wir kommen gleich auf das aktuellste Thema von TGATT zu sprechen, nämlich das neue Album. Mir ist aufgefallen, dass das Album einen sehr interessanten Titel trägt. Auf dem Album ist zum Beispiel kein Lied, das so heisst, wie das Album, wie es häufig der Fall ist. Woher kommt der Name Intervention für das Album?

 

Wir haben uns überlegt, welchen Titel wir dem Album geben und wir kamen auf «Intervention», weil es sich bei jedem Song auf eine gewissen Weise um einen Eingriff handelt. Ein weiterer Aspekt war, dass zum Beispiel die erste EP, die wir veröffentlicht haben, «Revolution» hiess. Damals waren wir eher auf dem rebellischen Trip, ein bisschen à la «Scheiss auf unsere Jobs, wir wollen Musiker werden» und haben ins Blaue geschossen. Jetzt sind wir bereits einige Zeit dabei, man ist älter geworden und wir haben gemerkt, dass es eine Intervention ist - irgendwie eine moderne Art einer Rebellion. Du bist erwachsen geworden, du hast mehr zu sagen und du kannst eine Intervention verlangen oder machen und das ist das, was wir mit diesem Album machen wollten.

 

Eine Art Zusammenfassung aller Geschichten auf dem Album; die Lieder sind die Erlebnisse und Ausschnitte aus dem Leben und Intervention ist die Hülle dazu?

 

Voll, genau.

 


«Du willst helfen, aber es liegt an dieser Person, die Energie aufzuraffen»

 

Der Grossteil der Songs entstand ja in der Schweiz – verglichen zum letzten Mal, als ihr fürs Songwriting in Schweden gewesen seid. War das sehr anders, zu Hause in der gewohnten Umgebung bleiben zu müssen? Oder hättet ihr gerne eine Reise für Inspirationen gemacht?

 

Wir hätten gerne noch ein bisschen mehr erlebt bezüglich Songwriting. Dass wir zum Beispiel ins Ausland gehen oder ans Meer in eine Hütte und man dort schreibt und macht und tut – das wäre sicher geil gewesen. Den Titel «Grace» haben wir in Polen aufgenommen. Das war aber vor Corona. Den Rest mussten wir von zu Hause machen und mit dem Feldstecher nach draussen schauen.

 

Das war zum Glück noch möglich. (wir lachen) Wie sieht es denn innerhalb eurer Band aus – habt ihr einen Lieblingstitel vom Album? Oder hast du einen Lieblingstitel, einen, auf den du besonders stolz bist?

 

Ja, das haben wir. «Rebel Of The Night» ist für mich ein Song, den ich schon immer mal schreiben wollte. Unserem Gitarristen, Muggli, geht es auch so und die anderen finden ihn auch «sackstark». Muggli und ich haben die grösste Verbindung zum Song aber es finden ihn alle gut.

 

The Gardener And The Tree - «Rebel Of The Night»

 

Es steckt eine persönliche Geschichte von dir dahinter, die das vielleicht ausmacht.

 

Ja genau, es hat für mich mit der Vergangenheit zu tun, aber auch wie es jetzt ist. Die Angst, die man hat, und es heisst «Rebel Of The Night» - also, dass man mit sich selbst im Dunkeln kämpft. Ausserdem finde ich «River Dead» einen geilen Song. (lacht)

 

Um was geht es in diesem Song?

 

Er hat eine düstere Entstehung. Die Bedeutung an sich will ich nicht nach aussen tragen, da sie sehr persönlich ist. Es hat mit einem Verlust zu tun und es ist ein Gesamtbild von Ausschnitten. Wenn etwas passiert oder jemand geht, bist du in dem Moment in einer Starre. Du erinnerst dich an Momente mit dieser Person, die dir einfach geblieben sind; Dinge, die du erlebt hast und du weisst «Hey, das werde ich nie vergessen». Man geht mit einer Person durchs Leben und merkt «Krass, die hat mit dem zu kämpfen und dem und dem …» und du willst helfen, aber es liegt an dieser Person, die Energie aufzuraffen.

 

Du selbst kannst für die Person da sein, um das Leid zu teilen aber nicht, um es zu lösen.

 

Ja, genau. Auch wenn dir diese Person noch so viel bedeutet, du kannst sie zu nichts zwingen. Das muss zuerst in einem selber gelöst sein.

 

Absolut. Dann sind also viele von euren persönlichen Geschichten in den Songs verpackt?

 

Voll. Manchmal denkst du «Ui, die Themen gehen mir langsam aus, ich weiss nicht, über was ich schreiben kann.» Dann gräbst du tiefer und es kommt plötzlich wieder etwas. Die Problematik ist eigentlich bei der Entscheidung, was ich in einen Song verpacken kann und wo es mir dann doch zu persönlich wird. Dann bin ich mir dann bewusst, dass ich das nicht der ganzen Welt erzählen möchte. Das ist wirklich schwierig. Dann überlegst du dir, wie du die Geschichten verpacken kannst, ohne dass du jemanden blossstellst oder Dinge erzählst, die niemanden etwas angehen. So entsteht dann eine Geschichte – mit fiktiven Personen, aber im Stil einer Doku, die auf wahren Begebenheiten basiert.

 

Ich stelle mir das speziell vor, mit solchen Liedern und diesen Hintergründen dann auf eine Bühne zu gehen. Ihr wisst ja dann als Band ganz genau, über was ihr in den nächsten Minuten singen/spielen werdet und was ihr der Welt präsentiert. Gibt es da ein Ritual unter euch, das ihr macht, bevor ihr jeweils auf die Bühne geht. Ein Ritual, um euch zu fangen und euch auf das Bevorstehende zu konzentrieren?

 

Wir gehen alles nochmals ein bisschen durch, sind nervös, beruhigen uns und werden uns auch wieder bewusst, bei welchen Abschnitten wir aufeinander hören müssen, um bei gewissen Liedern nicht zu schnell zu spielen. Wenn es dann auf die Bühne geht, stehen wir in einem Kreis, geben uns gleichzeitig alle ein «Füschtli» und sagen «Hey, das wird geil». So bauen wir einander auf und dann gehen wir auf die Bühne.

 

Eine Art Teamstärkung also.

 

Ja voll, es sieht doof aus, aber uns tut es sehr gut. (lacht)

 

Klar, einfach zusammenkommen und zu wissen, dass es jetzt so weit ist. Die Live-Auftritte kommen jetzt glücklicherweise wieder auf euch zu. Mit welchen Gefühlen ist dieser Gedanke verbunden?

 

Wir freuen uns sehr darauf, sind aber gleichzeitig saunervös. Wir durften doch bereits wieder einige Konzerte spielen, aber es ist … (überlegt) … nicht eingerostet – aber zum Beispiel hattest du als Kind eine Nintendo64, die hast du in den Estrich getan und sie dann vergessen. Und jetzt ist es so «Hey, wir haben doch noch eine Nintendo64 im Estrich», dann holst du sie raus und denkst «Woohoooo», aber es braucht dann einige Zeit, bis du dich bei «Mario Kart» wieder an alles erinnerst, Start drückst und so weiter und so fort. Das ist so ein bisschen vergleichbar.

 

Sehr cooler Vergleich. (wir lachen) Aber natürlich hast du Recht, mein letztes Interview ist auch schon wieder eine Weile her und man hat diese Gedanken einfach bei der Vorbereitung auf etwas, das man länger nicht mehr gemacht hat.

 


«Es wird oft geredet, aber selten zugehört. Es wird gefragt aber die Antwort interessiert keinen»

 

 

Gibt es etwas, das du noch zum Album sagen möchtest, das dir persönlich wichtig ist. Etwas, das die Leute darüber wissen sollten zum Beispiel.

 

Man braucht Zeit und Geduld, es sich anzuhören. Es ist nicht ein Album, das du schnell runterspielst à la «Zack, zack, hier zwei Minuten, da das nächste Lied», sondern es ist ein Kunstwerk an sich, bei dem man Zeit benötigt, um reinzuhören. Ich habe festgestellt, dass ich mir während dem letzten Jahr dafür keine Zeit genommen habe, da man ja immer ein bisschen in einem Rennen ist. Dadurch finde ich es geil, dass das Album ziemlich langatmig ist. Es gibt hundertprozentig Leute, die denken «Man, geht das lang, bis es überhaupt beginnt» und dann gibt es andere, die irgendwann finden, dass es bereits zu Ende sein könnte. Ich habe bemerkt, dass in unserer Gesellschaft oft geredet wird, aber es wird sehr selten zugehört. Es wird gefragt, aber die Antwort interessiert keinen. Also ist das Album auch irgendwie das bewusste Zeit nehmen für etwas und sich dem hinzugeben.

 

Das ist sehr spannend, dass du das so ansprichst. Als ich die Albumkritik dazu gemacht habe ist mir «Overtime» besonders aufgefallen. Da gibt es ca. 50-60 Sekunden einfach nur Instrumentals und beim Hören habe ich mir überlegt, wie oft wir einfach mal Inne halten und uns die Zeit nehmen, einfach nur zuzuhören und sich auf so etwas einzulassen. Das passiert selten.

 

(lacht) So gut. Ich bin mega stolz darauf. Ich bin mir bewusst, dass es nicht jeden anspricht. Es ist nicht 0815-Ware, die jeder haben will. Die Meinungen werden sich spalten, aber der Titel symbolisiert die Eingriffe, die Intervention, und die Art wie das Album aufgebaut ist, finde ich deshalb super passend. Du hörst dir das Album an und nimmst dir die Zeit dafür und in dem Moment ist das automatisch auch wieder ein Eingriff.

 

Ich finde es sehr schön, dass ihr euch dem bewusst seid und das annehmen könnt, dass es eventuell nicht alle Leute anspricht, mega cool.

 

Ja voll.



Ich habe nun einige Sätze für dich, die du gerne vervollständigen darfst: Ich habe Angst vor …


… wenn ich nichts sehe unter Wasser.

 

Wenn ich zuoberst auf einem Berg stehe …


… dann denke ich, dass ich an meiner Kondition arbeiten muss, da ich mich bestimmt nicht umschauen kann, weil ich zuerst durchatmen muss. (lacht)

 

Wenn ich eine Superkraft hätte …


… dann würde ich mega gerne fliegen können. Das wollte ich schon immer. Und ich würde gerne in die Vergangenheit und in die Zukunft gehen. Ich würde da Dinge besser machen. Sachen, die mir teils nicht so bewusst waren. Oder den Leuten, die ich nicht mehr sehe, sagen, was sie mir bedeuten. Einfach Liebe geben, wo es nötig ist.

 

Ich kann nicht «nein» sagen zu …


(lacht) Das kann ich nicht sagen. Also etwas anderes. (überlegt) Ja also, ich kann nicht nein sagen zu Fleisch.

 

Das Beste an der Schweiz ist …


Oh, das ist immer so schwierig. Das Beste an der Schweiz ist, dass es so sauber ist und vielfältig. Wir haben alles; wir haben Wasser, Berge – die Vielfalt ist das Beste an der Schweiz.

 

Dann komme ich zur letzten Frage. Gibt es eine Frage, die du noch nie beantworten musstest, du aber gerne beantworten würdest?

 

Ouuuuuhhh. (lacht) Ich bin nicht so gut bei Interviews. Nein, die gibt es glaub’ ich nicht. Jedes Mal ist spontan. Was ich wirklich hasse ist die ewige Frage, warum wir «The Gardener And The Tree» heissen. Die ist langsam durch. (überlegt) Ansonsten weiss ich wirklich gerade nichts.

 

Alles gut, kein Problem. Von meiner Seite sind wir durch, vielen Dank, Manuel.

 

Danke dir, dass du dir Zeit genommen hast.

 

 

Rahel Inauen / Di, 16. Nov 2021