Gjon’s Tears: «Das ist es. Du bist am richtigen Ort»

Interview mit Gjons Tears
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Pressebild, ©YannClu

Im Mai 2021 hat Gjon’s Tears die Schweiz am ESC in Rotterdam auf den hervorragenden dritten Platz gebracht. Wie hat sich danach das Leben des jungen Musikers verändert? Was hat ihm das Abenteuer ESC gebracht und wie passen Paris und das Jodeln in seine Karriereplanung? Wir haben ihm ein paar Fragen gestellt.

 

Du bist für dein erstes Album nach Paris umgezogen. Was war der Grund dafür?

 

Ich wollte mit französischen Musikern und Komponisten zusammenarbeiten. Ich singe ja auf Englisch und Französisch, habe aber das Gefühl, dass ich auf Französisch genauer bei meiner Wortwahl sein kann. Ich hatte Lust dazu, mich auf meinem ersten Album auf Französisch, das ja meine Muttersprache ist, auszudrücken und daher mit Leuten vor Ort zusammenzuarbeiten.

 

Wie läuft die Arbeit am Album?

 

Es läuft gut. Wir arbeiten fleissig an den Songs. Wir wollen gute Produzenten und die richtigen Leute finden, um die gewünschten Resultate zu erzielen. Das ist nicht immer einfach, denn oft heisst es auf den richtigen Moment zu warten, aber auch nicht zu lange, denn wir wollen ja das Album rausbringen. Da gilt es, das richtige Timing zu finden. Aber wir sind da gut dran.

 

Wie bereitet man sich auf einen grossen Wettbewerb wie den ESC vor? Du hast durch die Corona-Pandemie gleich zweimal die Vorbereitung erlebt. Wie war die Vorbereitung auf den zweiten ESC?

 

Es ist schwierig, sich wirklich auf den ESC vorzubereiten. Eigentlich kann man nicht wirklich auf so eine grosse Show vorbereitet sein. Ich habe versucht so viel wie möglich zu proben und meinen Auftritt perfekt einzustudieren, um so sicher wie möglich zu sein, dass die Choreo, die Noten, die Technik stimmen. Alles musste für mich sitzen, damit am grossen Tag alles glatt läuft. Es war wirklich eine lange Vorbereitungsphase, aber es war faszinierend, zu sehen, wie die Dinge entstehen.

 

Dank «The Voice» begann ich zu lernen, was es bedeutet, im Fernsehen zu sein. Musik und Fernsehen sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. 

 

Wie hilfreich war für dich die Erfahrung von «Albania’s got Talent» und «The Voice» in Frankreich, quasi das Auftreten vor einem grossen Publikum?

 

Bei «Albania’s got Talent» war ich erst 12, daher war es in diesem Alter schwierig, überhaupt zu verstehen, wie ich mit den Kameras umgehen sollte. Ich war naiv und wusste nicht, was da alles um mich herum geschah. Dank «The Voice» begann ich zu lernen, was es bedeutet, im Fernsehen zu sein. Musik und Fernsehen sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Ich lernte, mich auf der Bühne zu bewegen, mit den Kameras zu spielen, mich wohler zu fühlen und selbstsicherer zu sein. Für mich war diese Erfahrung also sehr hilfreich.

 

Du warst bereit, am ESC 2020 zu singen und plötzlich brauchte es ein ebenso starkes Lied für 2021. Wie hast du diese Zeit erlebt?

 

Es war anfangs sehr schwierig, da «Répondez-moi» sehr beliebt war. Ich stand also unter ziemlichen Druck, ein ebenbürtiges Lied zu kreieren. Aber ich habe das grosse Glück, mit meinem grossartigen Team zu arbeiten. Ich wollte etwas anderes bringen als 2020, aber etwas, das immer noch ich ist. Gemeinsam haben wir das geschafft. (Anm. d. Red.. Mit «Tout l’universe») Ich bin sehr glücklich, dass das Publikum die Songs nicht zu sehr miteinander verglichen hat und beide Songs liebt.

 

Du wurdest beim ESC schon lange als Favorit gehandelt. Wer war dein Favorit? Und was hast du dir selbst zugetraut erreichen zu können?

 

Unter meinen eigenen Favoriten 2021 waren Litauen und die Ukraine – spezielle Perfomances, etwas ganz anderes. Ich selbst habe überhaupt nichts erwartet und war super überrascht. Ich habe mehr erreicht als erträumt. Bei dieser Show kann alles passieren: Es kann super laufen, aber auch super schlecht. Das ist ein grosser Schritt in deiner Karriere. Ich wollte unbedingt, dass es gut wird und das haben wir erreicht. Ich wollte einfach die beste Version von mir sein.

 

Gjon’s Tears - «Tout l’univers»

 

Was hat dir die Teilnahme am ESC als Musiker und Künstler gebracht?

 

Als mich die Jury auf den ersten Rang gewählt hat, konnte ich mir sagen: «Das ist es. Du bist am richtigen Ort. Jetzt geniess es einfach.» Dass Profis sagen: «Bravo, du machst es richtig, mach weiter.» Bei einer so grossen Konkurrenz Erster im Juryvoting zu sein, war die Bestätigung, die ich immer gesucht habe.

 

Wie hat sich dein Leben generell verändert?

 

Mein Leben hat sich total verändert. Ich habe die Möglichkeit, in verschiedenen Ländern aufzutreten. Der ESC war aber nicht das Ziel, sondern eine Etappe, ich will unbedingt weitermachen.

 

Interessant ist, dass du neben klassischem Gesang auch Jodeln gelernt hast. Bringt dir das neue gesangliche Facetten/Elemente/Techniken?

 

Ja, komplett. Jeder Gesangstil ist interessant und kann dir als Sänger helfen dich weiterzuentwickeln und neue Möglichkeiten zu finden. Ich rate allen, mehr Stilrichtungen auszuprobieren, um einen ganz eigenen Weg zu finden. Wie beim Tanzen, wo du je nach Stil immer andere und immer mehr Bewegungen dazu lernst, ist es auch beim Singen. Ich habe immer versucht, nicht nur auf einen Stil fixiert zu sein. Eine Mischung aus verschiedenen Elementen hilft dabei, eine Stimmfarbe und eine Technik zu entwickeln, die einzigartig sind.

 

«Tout l’univers» ist seit 2010 wieder einmal ein Schweizer Beitrag in Französisch. Wie hast du bzw. habt ihr im Team entschieden, in welcher Sprache du singen möchtest?


Da Französisch ja meine Muttersprache ist, habe ich das Gefühl, mehr ausdrücken zu können – das war eine einfache Wahl für mich. Es schien mir ehrlicher zu sein.

 

Ich komponiere die Songs und wir setzen sie gemeinsam um. Ich möchte immer am Prozess beteiligt sein, damit ich voll hinter dem Song stehen kann.

 

Du bist im Herbst mit deiner Band The Weaping Willows unterwegs. Wie ist die Band entstanden?


Vor zirka 3 – 4 Jahren an der Gustav Akademie (Anm.d.Red.: Die Gustav Akademie ist ein gemeinnütziger Verein und ein Projekt für junge Talente, um nebenschulisch musikalische sowie sprachliche Begabungen zu fördern. Hinter dem mehrsprachigen Projekt steht der Freiburger Musiker Gustav. Quelle: lagustav.ch), also dank Gründer Gustav. Ich habe im ersten Jahr daran teilgenommen und dort meine aktuellen Bandmitglieder kennengelernt. Die Chemie hat sofort gestimmt.

 

Wie unterscheidet sich das Songwriting für die Band im Gegensatz zur Arbeit an deinem ersten Album?

 

Es ist sehr cool, wir haben eine tolle Art miteinander zu funktionieren. Ich komponiere die Songs und wir setzen sie gemeinsam um. Ich möchte immer am Prozess beteiligt sein, damit ich voll hinter dem Song stehen kann.

 

Die Willows sind stilistisch sehr breit und wirken wie ein Gefäss, dass ideal ist, um Songideen zu testen. Täuscht dieser Eindruck?

 

Non, das ist wahr. Wir möchten alles ausprobieren. Wir sind ganz unterschiedlich und bringen verschiedene Einflüsse mit, der eine liebt z.B. Reggae, der andere den Rock der 90er-Jahre. Wir sind ein Mix aus verschiedenen Musikrichtungen und Meinungen. Dieser Mix bereichert uns und lässt uns einen eigenen Weg finden.

 

Du hast auch eine Ausbildung als Primarlehrer. Ist das dein Plan B?

 

Meine Ausbildung ist noch nicht abgeschlossen, aber ich möchte eigentlich keinen Plan B. Die Musik ist mein Plan für Leben.

 

Vielen Dank, lieber Gjon.

 

(Das Interview wurde per Mail geführt.)

 

 

Esther Beck / So, 14. Nov 2021