David Helfgott und die Freude an der «inneren Musik»

Konzertkritik: David Helfgott @ Tonhalle
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Promobild

Der australische Pianist wurde dem grossen Publikum durch den Film «Shine – der Weg ins Licht» (1996, mit Geoffrey Rush als David Helfgott) bekannt. Der Film präsentiert die erstaunliche Biographie von David Helfgott, der nach einem Konzert in London in 1969, in dem er das 3. Klavierkonzert von Rachmaninow spielt, wegen seiner schizoaffektiven Störung einen Nervenzusammenbruch erleidet, aufgrund welcher er anschliessend viele Jahre in psychiatrischen Kliniken verbringt und dahin vegetiert, bis er über seine große Liebe langsam zurück ins Leben findet und sein Comeback schafft. 

 

Dass Helfgott’s ehemaliger Lehrer Cyril Smith vom Royal College of Music London ihn als den brillantesten Studenten seiner 25-jährigen Tätigkeit bezeichnete, ist an diesem Konzertabend nachvollziehbar. Seine Virtuosität ist offensichtlich, sein Tempo atemberaubend und seine Persönlichkeit sehr eigenartig. 

 

In Zürich spielte er Frédéric Chopin und Franz Liszt, und als Zugabe den berühmt-berüchtigten und rasend schnellen «Hummelflug» von Nikolai Rimsky-Korsakov. Hätte Helfgotts Management oder seine Ehefrau ihn nicht nach einer kurzen Standing Ovation von der Bühne geführt, wäre er wohl noch lange dort gestanden und hätte den Applaus genossen und unzählige Hände geschüttelt. Helfgotts Erscheinung – geprägt durch seine Krankheit – ist diejenige eines überglücklichen, nervösen und überreizten Jungen, der total aus dem Häuschen ist vor lauter Begeisterung und Erstaunen, dass diese vielen Leute seinetwegen anwesend sind. Auch zu diesem Erscheinungsbild passt, dass Helfgott während des ganzen Konzerts Laute von sich gibt, welche die Stimmung des jeweiligen Stücks untermalen. Diese begleitenden Laute sind kein eigentlicher Gesang, vielmehr erscheint es, als wären für ihn die Musikstücke Geschichten, zu welchen er die jeweiligen Emotionen abruft und ausdrückt. Wäre dem Zuhörer sein Krankheitsbild nicht bekannt, so könnten diese Geräusche als überaus störend empfunden werden. Doch wer seine Biographie kennt, empfindet Hochachtung und Dankbarkeit dafür, dass Helfgott nach jahrelanger geistiger Umnachtung wieder zurück ins Leben fand und sein ausserordentliches Talent und seine Hingabe zur Musik wieder mit seinem Publikum teilen kann.  Helfgott beschreibt den Verlust der «inneren Musik» selbst als seine grösste Lebenskrise und erinnert sich mit grosser Freude an den Tag, als sie zurückkam: «Der Nebel war verschwunden, ich konnte wieder hören … ich hatte überlebt».

markusfreiwillis / Do, 01. Mai 2014