Kniefall vor dem Konzerndollar

Movie-Kritik: Olympus Has Fallen
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Im Verleih von Ascot Elite

Der ehemalige Secret Service Agent und oberste Personenschützer Mike Banning (Gerard Butler, «300») verarbeitet ein Trauma. 18 Monate zuvor konnte er bei einem Verkehrsunfall das Leben von US-Präsident Benjamin Asher (Aaron Eckhart, «Thank You for Smoking») retten – nicht aber das der First Lady. Dass sein Umfeld von der Richtigkeit seines damaligen Handelns überzeugt ist, tröstet ihn wenig. So schiebt er verbissen Dienst im Schatzamt und hofft, von Cäsar irgendwann wieder in den engsten Kreis berufen zu werden. Sein Wunsch wird schneller wahr als ihm lieb sein kann. Noch vor Sonnenuntergang stürmt eine Armee aus Söldnern mit nie gekannter Brutalität das Weisse Haus und nimmt Asher dank Hilfe von Verrätern im unterirdischen Bunker als Geisel. Mike erkennt seine Chance und schiesst sich in Richtung der Terroristen. Doch er steht alleine gegen eine Armada, die die US-Armee geschickt mit ihren eigenen Waffen zu schlagen weiss. Schliesslich dämmert ihm, dass es um weit mehr geht als das Leben des Präsidenten …

 

Wenn das Weisse Haus schon angegriffen wird (Bild 1), dann kann der Präsident froh sein, dass der ehemalige Secret Service Agent Mike Banning zur Stelle ist (Bild 2). (Mit Maus über Bild fahren)

 

Klingt auf Papier nach einem Leckerbissen für Actionfans, doch das Endresultat vermag nicht zu überzeugen. Was ist da nur passiert? An der Prämisse liegt es nicht. Eine erbitterte Attacke auf eines der best-geschützten Gebäude des Planeten birgt in der Tat Potential für einen erstklassigen Action-Thriller. Regie führte der gefeierte Antoine Fuqua («Training Day»), das Budget war grosszügig bemessen und die Schauspieler sind allesamt Sympathie- und Preisträger. Dennoch fällt dem Publikum im Kinosaal der schiere Himmel auf den Kopf und so will man dafür rasch das Autorenduo verantwortlich machen, weil es dessen erstes Drehbuch ist. Aber das wäre zu einfach. Creighton Rothenberger, der den Einfall zur Story schon vor über zehn Jahren hatte, war nach eigener Aussage sehr um Authentizität bemüht und stellte umfangreiche Nachforschungen an. So wählte er als Zeitpunkt der Handlung deshalb den Tag nach dem 4. Juli, weil dann unzählige Müllwagen unterwegs sind, die von Terroristen als Panzerfahrzeuge missbraucht werden können. Irgendwo auf dem langen Weg zwischen Ursprungsidee und Drehbeginn muss das Script den Einnahmen zuliebe so vielen Zuschauergruppen angepasst worden sein, bis jedes kleine Quäntchen Echtheit weggestrichen war und nur noch ein infantiler Bummfilm ohne Überraschungen herauskommen konnte. Quasi eine Götterdämmerung für alle Beteiligten.

 

Das Hirn in Gefahr

 

Laut Produktionsnotizen hatte man sich «hohem Realismus» verschrieben und wollte «alles richtig machen». Offensichtlich befanden die Macher es als ganz normal, dass ein Frachtflieger wenige Kilometer ans Kapitol herangelangt, bevor er auf zwei zögerliche Kampfflugis trifft. Dabei weiss ein Kleinkind, dass Amerikaner erst schiessen und dann fragen – für viele der Grund, warum es das Land überhaupt noch gibt. Man mag gnädig über fehlende Originalität, das allgegenwärtige Halbdunkel und debil grinsende Bösewichte hinweg schauen, doch spätestens beim Ringen um die Codesequenz fühlt man sich peinlich an den legendären «1-2-3-4-5-6»-Witz in «Spaceballs» erinnert. Obwohl in «Olympus has fallen» leider keine einzige Pointe zündet, findet der Zuschauer immerhin Trost in unfreiwilliger Komik. Beispielsweise wenn die Einblendungen der Nachrichtensender Schreibfehler aufweisen, jemand Nordkoreas «Premier» erwähnt und Butler mit einer Frau Kaffee trinkt, die Jacobs heisst. Die Macher entgegnen, es seien dem Erfolg zuliebe Vereinfachungen vorgenommen worden, etwa das Weglassen von politischen Aspekten, weil den Zuschauer «dies nicht interessiere». Schön und gut, aber wie bitte führen belanglose Dialoge und von Buitoni gesponserte Gewalt zu mehr Kinoeintritten? Selbst Patrioten könnte der Film verärgern, besonders wenn sie «Homeland» und dergleichen schauen und schätzen. 

 

 

Morgan Freeman koordiniert als Speaker Trumbull die Verteidigung (Bild 1), während sich die Agenten im Weissen Haus mit Händen und Füssen wehren (Bild 2). (Mit Maus über Bild fahren)

 

Es ist nicht verboten, mit Pathos den Präsidenten und seine Soldaten zu preisen. Die Art Filme wird in Hollywood täglich gedreht. Nur selten mit so hohem Budget und so wenig Mut. Im unsäglichen «Red Dawn» nannte man den Feind wenigstens noch beim Namen. Hier wagt man es nicht mal, mit dem Finger auf Pjöngjang zu zeigen. Regisseur Fuqua beteuert, er habe auf die drohende Gefahr verweisen wollen, «wenn Amerika die Deckung sinken lässt». Das verblüfft. Denn erstens würde die US-Armee bestimmt nicht zulassen, dass ein einzelnes Flugi seelenruhig die halbe Hauptstadt perforiert und zweitens waren die Agenten in seinem eigenen Streifen allesamt auf ihrem Posten. Butler jedenfalls holt alles aus seinen dünnen Zeilen heraus. Daneben tritt Morgan Freeman gewohnt stilsicher auf, wenngleich er leider etwas lädiert ausschaut. Aaron Eckerts Rolle jedoch ist die undankbarste des ganzen Films. Neben dem legendären TV-Präsidenten David Palmer (Dennis Haysbert in «24») wirkt Eckerts Zeichnung wie ein Flan-Pudel. Führen geht anders. Wenn «Olympus» für etwas in Erinnerung bleibt, dann den neu aufgestellten Rekord an sehr explizit gezeigten Kopfschüssen, die selbst «SAW»-Fans abtörnen werden. In Kombination mit dem Einsturz des Washington Monument in Twin-Tower-Manier und dem Bolognese-Tsunami, der sich über den Regierungssitz ergiesst, zeugt das einfach nur von so richtig schlechtem Geschmack. Wer jetzt noch immer mit einem Ticketkauf liebäugelt, weil er Action nun mal konsequent über Handlung und Stil stellt, sollte lieber abwarten, wie sich «Unterhose-Mike» Channing Tatum im Konkurrenzfilm «White House down» schlägt. Der scheint laut Trailer zumindest den für so Filme lebenswichtigen Humor mitzubringen.   

 

  • Olympus has fallen / Die Welt in Gefahr (USA, 2013)
  • Regie: Antoine Fuqua
  • Darsteller: Gerard Butler, Aaron Eckhart, Morgan Freeman, Ashley Judd, Angela Bassett
  • Drehbuchautoren: Creighton Rothenberger, Katrin Benedikt
  • Budget: ca. 70 Mio $
  • Kinostart Deutschschweiz: 13. Juni 2013

 

Bilder: Im Verleih von Ascot Elite.

 

Mike Mateescu / Di, 11. Jun 2013