Kapitalismuskritik mit viel Rum
Der Rum gehört zu Johnny Depp, wie der Martini zu James Bond oder der White Russian zum Dude.
Ebenso gehört Hunter S. Thompson zu Johnny Depp, wie Mr. Darcy zu Colin Firth. Den Thompson, oder besser gesagt dessen Abbild Raoul Duke, verkörperte Depp bereits im Kultfilm «Fear and Loathing in Las Vegas». Wer käme also besser in Frage, um Thompson erneut darzustellen? Besonders, wenn man bedenkt, dass Depp das Manuskript von «The Rum Diary» zufällig in Thompsons Keller gefunden hatte. Die Dinge passen bei «Rum Diary» halt gut zusammen. So erstaunt es auch nicht, dass Tim Burtons Dauerkostümbildnerin Colleen Atwood («Alice in Wonderland», «Snow White and The Huntsman») für die Kostüme in Depps neustem Film zuständig war. Wie gesagt, alles ist rund und passend beim Rum.
Bild 1: Paul Kemp bei der Arbeit. / Bild 2: Die schöne Chenault beim Sonnenbaden. (Mit Maus über Bild fahren)
Anders sieht die Situation von Paul Kemp (Depp, «Pirates of the Caribbean»-Reihe) aus. Frisch als selbstständiger Autor gescheitert, versucht der Amerikaner in Puerto Rico Fuss zu fassen. Sein ständiger Alkoholkonsum und die immer heftig werdenden politischen Unruhen machen ihm dabei schwer zu schaffen. Als ihm eines Nachts die schöne Chenault (Amber Heard, «Drive Angry») die Augen verdreht, ist das Chaos komplett. Wilde Trinkorgien, korrupte Geschäftsmänner, Hitlerreden. Sie alle werden zur Tagesordnung und halten Kemp davon ab seinen eigentlichen Job - Horoskope schreiben - zu erledigen.
Erinnerungen an Jack Sparrow
Regisseur Bruce Robinson («Jennifer Eight») inszenierte „Rum Diary“ mit sehr viel Liebe für die Optik. «Ich wollte einen Look wie auf einer Postkarte der Fünfzigerjahre» erklärt Robinson. Dies ist ihm auf alle Fälle gelungen. Nostalgie-Fans werden bei den schönen Aufnahmen und Kostümen voll auf ihre Kosten kommen. Ob das gleiche Publikum jedoch genauso viel Freude an Kemps Drogenkonsum und Trinkgelagen haben wird, ist fraglich. Trotz der beeindruckenden Inszenierung bleibt «Rum Diary» schliesslich eine Thompson-Verfilmung. Kemp ist kein strahlender, aufopfernder Held. Immer wieder fasst er gute Vorhaben, wird aber nonstop von Vergnügungen abgelenkt. Seine beiden Sidekicks Sala (Michael Rispoli, «Kick-Ass») und Moburg (Giovanni Ribisi, «Lost in Translation») sind Kemp dabei keine all zu grosse Hilfe, sondern stürzen aus Solidarität gleich mit ab. Ribisi gibt einen derart skurillen, im Drogensumpf gefangenen Aussenseiter ab, dass schon zweimal hingeschaut werden muss, ehe er erkannt wird. Ganz im Gegensatz zu Depp, der als dauerbeschwipster Kemp an Jack Sparrow erinnert. Unter diesen Umständen scheint Rispolis Sala, trotz Vorliebe für Hahnenkämpfe, noch der Vernünftigste zu sein. Da gerade diese drei Herren für den Humor im Film verantwortlich sind, ist fraglich, gut wie die breite Masse den Film aufnehmen wird.
Bild 1: Paul und Chenault am Strand von Puerto Rico. / Bild 2: Die Überreste einer langen Nacht.
Inhaltlich gibt nicht viel zu meckern, da durchaus Fleisch am Knochen vorhanden ist. Neben der Frage wie Medien - trotz Abhängigkeit von Werbung und Inseraten - unabhängig bleiben können, wird heftig Kritik an Amerika (und dem Kapitalismus an sich) geübt. Schmierige Gestalten wie Sanderson (Aaron Eckhart, «The Dark Knight») und Investor Zimburger (Bill Smitrovich) wollen die schönen Strände und Inseln mit Hotelbauten zubetonieren. Liberale, so Zimburger, seien sowieso «Kommunisten mit Uniabschluss, die wie Neger denken». Wie gesagt, eine Verfilmung von Stoff eines Hunter S. Thompson bleibt auch trotz massentauglicher Umsetzung, dem Autoren treu. Neben Rum, Sonne, Meer und Gedächtnisverlust, ergibt sich so einiges an Diskussionsstoff, das nach Filmende mit Rum ausdebattiert werden sollte. In diesem Sinne: «Eine Flasche Rum, please.»
- The Rum Diary (USA 2012)
- Regie: Bruce Robinson
- Drehbuch: Bruce Robinson
- Buch: Hunter S. Thompson
- Darsteller: Johnny Depp, Amber Heard, Aaron Eckhart, Giovanni Ribisi, Michael Rispoli
- Laufzeit: 120 Minuten
- Kinostart: 13. August 2012
Bilder: Im Verleih von ASCOT ELITE