Dunkle Symbiose aus Cello und glasklarer Stimme

Review: Lakiko - The Train Ride
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Coverfoto: ©Christian Mattis

Schon der Opener «Pantheism» baut eine düster klingende, sakral anmutende Atmosphäre auf, die von der glasklaren Stimme und dem dichten, wohl bewusst dunkeln Spiel des Cellos geprägt ist. Mehrsprachig getextet und gesungen lässt der Titel vermuten, dass Lakiko über das ganzheitliche Konzept von Gott, in welchem Sinn man ihn persönlich auch versteht, der eins mit der Schönheit der Natur und dem Kosmos ist, singt. Diese Vermutung unterstreichen zitierte Auszüge aus der Bibel und dem Koran. Wie breit hier Interpretationen der Lyrics zulässig sind, sei mal dahingestellt. Und Lakiko spielt immer wieder gerne mit einer geheimnisvollen Klangumgebung. Sicher ist, die Symbiose aus Cello und Gesang ist hypnotisch und zündet vom ersten Moment an. Es ist, also würde das Duo selbst ohne Text Geschichten erzählen.

 

Generell beschäftigt sich Lakiko auf «The Train Ride» mit sozialen bzw. wirtschaftlichen oder gar universellen Themen. «Capitalism» heisst etwa der zweite Song, der durchaus kritische Töne aufwirft. «Hello Monster Universe. Do you have a brain? Are your thoughts crashes of stars?» singt sie später in «Mother». Die neue Platte ist deutlich eine Auseinandersetzung mit existenziellen Themen. Dass die Kompositionen stellenweise einen apokalyptischen, dunklen Ton haben, dürfte unter diesem Aspekt kein Zufall sein.

 

Verneigung vor den eigenen Wurzeln

 

«Sarajevo» wirkt als Mittelpunkt der EP wie eine ambivalente Liebeserklärung an die Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina, die im letzten Jahrhundert glorreiche, aber auch tiefdüstere Zeiten erlebt hat. Vom Attentat auf den österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand, das danach eine Kette an Ereignissen bis hin zum 1. Weltkrieg auslöste, über die legendären Olympischen Winterspiele von 1984 bis zum grausamen Bosnienkrieg in den 1990ern. Mit so markanten Sätzen wie «It´s a town where people hate people» oder «It’s a town where witches are living under the bridges» besingt Lakiko die Stadt, in der sie geboren wurde, überschüttet sie abschliessend jedoch mit viel Liebe. Der Song ist also durchaus nicht negativ zu verstehen, sondern eher als liebevoll ehrliche Verneigung vor den eigenen Wurzeln. Dazu hat die Künstlerin einen Videoclip gestaltet, der als Collage durch die Geschichte der Stadt führt und historische Bilder zeigt. So funktioniert das Thema des Songs weit über die Musik hinaus.

 

Lakiko - «Sarajevo»

 

Sowohl auf der lyrischen Seite als auch auf der musikalischen vermögen die fünf Songs zu bewegen. Lakiko entlockt ihrem Cello wuchtige Klänge, um Textpassagen zu unterstreichen. Falls nötig, kann sie es aber auch komplett verstummen lassen. Etwa in Momenten von «Pantheism», wo ihre glasklare Stimme ohne Hilfsmittel ausdrückt, was das Stück in genau jenem Moment benötigt. Mut zur Lücke könnte man das durchaus nennen. Aber überladen ist der Sound von Lakiko sowieso nicht, sie besitzt ein bemerkenswert sicheres Gespür für Dynamik.

 

Das Projekt von Lana Kostic, wie Lakiko bürgerlich heisst, begann in einem EEG-Gerät. Gemeinsam mit der Neurologie Biel führte sie 2016 und 2017 die Performance «Das musikalische EEG» auf. Dabei war sie beim Spielen an ein EEG angeschlossen und experimentierte mit den Gehirnströmungen, wohl durchaus aus Interesse in Bezug auf die Musik. Aber so einfach macht es sich die klassisch ausgebildete Cellistin und Sängerin natürlich nicht. Sie ergründet seit 2016 mit Lakiko die Abgründe der menschlichen Seele und klammert dabei ihre eigene Biografie gar nicht aus. Dass die Künstlerin auf ihrer Website schreibt, dass die Musik mit den Menschen etwas macht, «brainwashed it’s audience», unterstreicht natürlich das Konzept. Was gemeint ist, spürt man beim fokussierten Lauschen. Zwar fühlt man sich nach dem aufmerksamen Hören der Songs von Lakiko immer noch im Stande, selbstständig zu denken, doch macht ihr dichter, emotionaler und tiefgründiger Sound etwas mit einem. Was, das dürfte von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein und von der Intensität abhängen, mit der man sich den Stücken widmet. Verdient hätte die offen hörbar aufwändig geschaffenen Klanglandschaft die volle Aufmerksamkeit. Nur schon, weil Lakiko scheinbar mühelos Klassik mit Pop, Spoken Word-Einlagen und rhythmischen Kapriolen im besten Sinne in den Topf wirft und darauf anspruchsvolle Arrangements kreiert, die einen berühren. Manchmal bleibt die Künstlerin in den Texten geheimnisvoll und symbolisch. Aber muss man alle Intensionen einer Musikerin wirklich vollends verstehen, um ihre Musik zu fühlen?

 

Lakiko gelingt mit «The Train Ride» erneut ein dichtes Werk, das über die fünf Songs zu denken, zu empfinden und zu erfreuen vermag.

 

Bäckstage Redaktion / So, 19. Jul 2020