James Morrison mit Startschwierigkeiten im Kaufleuten

Konzertkritik: James Morrison in Zürich
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Bäckstge / ©Sandra Rohrer

Eigentlich ist der Name James Morrison bekannt für emotionale Konzerte, Gänsehaut und viel Stimmung. An diesem Sonntag im September 2022 zündeten diese Elemente aber nicht so richtig. Vielleicht wäre der Grund in der langen Bühnenabsenz zu finden oder aber James hatte nicht den besten Tag. Der britische Musiker war kaum zu verstehen, wenn er sich denn mal an das Publikum wandte, und ohne eine Verbindung zu den Menschen aufzubauen, wird es bei Konzerten oft schwer.

 

Nach 40 Minuten hätte James Morrison im Direktvergleich zu Casey McQuillen, die im Vorprogramm auftrat, den Kürzeren gezogen. Die Singer/Songwriterin aus Boston war voller Leben, strahlte und verzauberte nur mit ihrer starken Stimme und einer Gitarre die Menschen. Und mit Humor. «Heute ist Sonntag. Vielleicht geht man morgen ins Gym», begann sie, um anzuhängen: «Ihr. Ich nicht.» Casey und die Leute im Kaufleuten lachten. Casey bewies mit solchen Sprüchen viel Selbstironie, legte den Fokus aber auch auf das Thema Aussehen. Man wolle immer wie jemand Dünneres aussehen. Dabei müsse man das gar nicht. Casey scheint mit sich völlig im Reinen zu sein und das verlieh ihr eine sympathische Ausstrahlung. Dazu kam diese ehrliche Freude. Sie hätte den Song «In & Out» in der Pandemie ganz alleine geschrieben. «Nie habe ich dabei gedacht, dass ich mal für James in der Schweiz eröffnen werde.» Casey McQuillen hat mit ihrer Lebensfreude den Abend wunderbar eröffnet.

 

Foto: Bäckstage / ©Sandra Rohrer (sandrarohrerphotography.com)

 

Das gelang wie gesagt James Morrison weniger gut. Was auf keinen Fall an der gut eingespielten Band lag, die James im Rücken hatte. Zwar wurde durchaus geklatscht, gekreischt und das eine oder andere Selfie gemacht. Aber selbst als James das Publikum als «die besten Sänger der Welt» bezeichnete, wurde nicht so richtig mitgesungen. Dafür erzählte James immer wieder Geschichten aus seinem Leben. So sei er mit 15 Jahren von Zuhause ausgezogen, erzählte er vor «This Boy» und betonte, der Song sei ein Sorry für seine Mutter. Aber oftmals war er kaum zu verstehen, weil er undeutlich sprach.

 

Dann kam «Broken Strings» und das Eis brach zögerlich. Die Menschen sangen entspannt mit und endlich entwickelte sich im Kaufleuten eine schöne Stimmung, wie man sie sonst von James Morrison kennt. Jetzt konnte James die Euphorie am Köcheln halten, aber selbst bei «Beautiful Lie» liess er das Publikum nur kurz singen, obwohl die Menschen jetzt gut mitmachten. Dies unterstrich abermals den Eindruck, dass James vielleicht schlicht nicht in bester Verfassung war, obwohl er auf der Bühne lachte und strahlte.

 

Der nächste Song sei bereits 15 Jahre als, erklärte James wenig später und kokettierte, «15 Jahre, das ist schon alt.» Es folgte natürlich «You Give Me Something», jener Hit, der James einst den Durchbruch brachte. Nach nur 75 Minuten verabschiedete er sich bereits und tauchte ins Dunkel der Bühne ab. Als Zugaben spielte James Morrison «Power» und «Wonderful World», dann beendete der Brite das Set endgültig.

 

Irgendwie hat Casey McQuillen an diesem Abend James die Show gestohlen, was an der Reaktion des Publikums gut zu spüren war. Erst nach ca. 40 Minuten kam bei James Morrison endlich Stimmung auf. Fast etwas zu spät.

 

Sandra Rohrer / Sa, 24. Sep 2022