Zeit ist die beste Munition

Moviekritik Tenet
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Kein Film wurde dieses Jahr so ersehnt wie Christopher Nolans «Tenet». Zum einen bietet er intelligentes Actionkino, zum anderen stellt er für viele Kinobetreiber den Fels in der von Corona erschütterten Brandung dar. Statt seinen Starttermin in den Herbst oder Winter zu verschieben – wie es viele andere Blockbuster taten – trotzt «Tenet» den pandemiebedingten Umständen. Dieser Zug scheint sich auszuzahlen, so besuchten über 50‘000 Zuschauer am Eröffnungsweekend Nolans neustes Werk und er setzte sich an die Spitze der Schweizer Kino-Charts. Ob der Hype um den ersten (und letzten?) 2020-Blockbuster gerechtfertigt ist, ist - wie der Name selbst – ein Glaubensgrundsatz.

 

Das Spiel mit der Zeit begleitet Christopher Nolans Schaffen bereits über 20 Jahre lang. Viele erinnern sich noch an seinen Überraschungserfolg «Memento». Schnell schuf sich der britische Filmemacher einen Ruf als Experte des anspruchsvollen Actionfilms. Mit jedem weiteren Hit wuchs das verfügbare Budget. Nolans Vorstellungskraft wuchs erfreulicherweise stetig mit und so entstanden intelligente Blockbuster wie «Inception» oder «Interstellar». Das Ende des Films, der Clou am Schluss, wirkte Stunden, gar Tage nach Filmschluss noch nach. Ähnliches bietet «Tenet». Die Geschichte um einen namenlosen Protagonisten (John David Washington), der einzig mit dem Wort «Tenet» und einer Handgeste die Welt retten soll, fesselt. Da ist zum einen die mysteriöse Katastrophe, die nicht ganz verständlich, greifbar ist, aber dennoch Unbehagen auslöst. Ihre Vorboten stellen inversierte Gegenstände dar, bei denen die Zeit rückwärts läuft. Gefolgt werden diese Gegenstände von inversierten Personen, Zeitreisenden aus der Zukunft sozusagen. Alles wunderbar eingefangen mit der geradezu tanzendenden Kameraführung von Hoyte Van Hoytema.

 

«Does your head hurt yet?» wird der namenlose Protagonist von seinem Mitstreiter Neil (Robert Pattinson) gefragt. Diese Frage könnte an jener Stelle im Film wahllosen Kinobesuchern gestellt werden und die Antwort würde vermutlich «ja» lauten. Überforderung macht platt. An Überforderung zu leiden gehört als Dogma bei einem Nolan-Film mit dazu. Es ist wie der gute Muskelkater nach einem intensiven Training. Erst wenn der Muskel schmerzt, nehmen wir seinen Gebrauch wahr. Warum sollte es also mit unserem Kopf anders sein? So empfiehlt es sich bei «Tenet», einfach durchzuhalten und dem erlösenden «Aha»-Moment entgegenzufiebern. Bis dahin kann man sich am erfrischenden Auftritt von Robert Pattinson erfreuen, der als Side-Kick eine bemerkenswerte Figur macht. Und wer seine Muskelkapazität noch nicht ausgereizt hat, sollte sich fragen, wann der Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen Neil und dem Protagonisten ins Rollen kam.

 


Das im letzten Satz versteckte Filmklassiker-Zitat ist bewusstes «Tenet»-Pretraining.

 

  • Tenet (2020)
  • Buch & Regie: Christopher Nolan
  • Besetzung: John David Washington, Robert Pattinson, Elisabeth Debicki, Kenneth Branagh, Aaron Taylor-Johnson
  • Dauer: 150 Minuten
  • Kinostart: 26. August 2020

 

Tanja Lipak / Do, 03. Sep 2020