Vom schüchternen Vampir zum skrupellosen Verführer

Moviekritik: Bel Ami
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«Bel Ami» basiert auf einer Romanvorlage des französischen Autors Guy de Maupassant und erzählt die Geschichte von George Duroy, einem Taugenichts und Charmeur, der sich Ende des 19. Jahrhunderts in der Pariser Créme de la Créme hochschläft.

 

Der junge George Duroy (Robert Pattinson, «Twilight») hat seinen Militärdienst in Algerien beendet und versucht in Paris sein Glück. Ohne erlernten Beruf und aus der Unterschicht stammend, gestaltet sich sein Unterfangen, reich, berühmt und einflussreich zu werden, ziemlich schwierig. Von Geldnot und Selbstzweifel geplagt, zieht er Abend für Abend durch das Nachtleben, bis er zufällig auf Charles Forestier (Philip Glenister, «Kingdom of Heaven»), einen ehemaligen Kameraden aus Algerien, trifft. Dieser ist ein einflussreicher Journalist bei der Zeitung «La Vie Française» und gibt George Duroy die Chance in der Redaktion einzusteigen. Schnell stellt sich jedoch heraus, dass Duroy nebst seinem überheblichen Auftreten keine anderen Talente besitzt und als Journalist untauglich ist. Duroy erkennt, dass sein Weg bis ganz nach oben nicht über harte Arbeit sondern die Herzen der Ehefrauen seiner Vorgesetzten führt. Ein skrupellosen Spiel der Verführung um Macht und Geld beginnt.

 

 

Robert Pattinson hat in Filmen wie «Remember Me» oder «Water for Elephants» schon brilliert, in «Bel Ami» bleibt er jedoch glanzlos. Die Schuhe des Verführers George Duroy sind ihm eindeutig zu gross, denn mehr als seinen Twilight-Welpencharme bringt er nicht und bleibt so den ganzen Film hindurch ziemlich blass. Er hat nur wenige starke Momente. Etwa wenn er seine Geliebte Virginie Rousset (Kristin Scott Thomas, «Der Pferdeflüsterer») wutentbrannt aus der Wohnung wirft, weil er ihre Anhänglichkeit satt hat. In dieser kurzen Sequenz zeigt Pattinson mehr Emotionen als im ganzen restlichen Film. Den Kontrollverlust und die innere Unruhe nimmt man ihm ab.

 

Pattinson folgt bloss seinem Instinkt.

 

Als Charles Forestier stirbt, ergreift George Duroy die Chance bei «La Vie Française» aufzusteigen und heiratet dessen Witwe Madeleine Forestier (Uma Thurman, «Kill Bill»), um Forestiers Platz in der Redaktion einzunehmen. Pattinson mimt zwar glaubwürdig den liebestollen Ehemann Madeleines, der sich nach ihrer Aufmerksamkeit sehnt und wie ein Hündchen an ihrem Bein klebt. Neben Uma Thurman, die ihre Rolle der geistreichen und durchtriebenen Madeleine gekonnt spielt, kommt aber auch Pattinsons Unerfahrenheit schmerzlich zum Ausdruck. Vielleicht ist dies aber Teil der Rollen. George Duroy ist jünger als Madelaine Forestier. Er steht im Schatten seiner intelligenten Frau, die im Geheimen die Fäden bei «La Vie Française» zieht. Das Gleiche passiert mit dem jungen Robert Pattinson. Uma Thurman spielt mit Köpfchen und Erfahrung. Pattinson folgt bloss seinem Instinkt und könnte noch viel von ihr lernen.

 

 

Auch Christina Ricci («Sleepy Hollow»), die Clotilde de Marelle, George Duroys erste Geliebte spielt, sticht ihren jungen Kollegen aus. Ricci überzeugt in der Rolle der quirligen und verspielten Clotilde auf ganzer Linie. Mal verzaubert sie mit einem einzigen Wimpernschlag, mal wickelt sie mit Puppenaugen die Männer um den kleinen Finger. Ricci und Thurman beweisen, dass Erfahrung vor Talent siegt, denn Pattinson hinkt ihnen immer ein Stück hinterher. Den Höhenpunkt seiner mangelhaften Schauspielkunst erreicht Pattinson als er Virginie Rousset verführt. Wobei Verführen das falsche Wort ist, denn es erinnert mehr an seine jungfräulichen Avancen an Schauspielkollegin Kirsten Stewart in «Twilight» als an die Fingerfertigkeiten eines erfahrenen Liebhabers.

 

Fehlbesetzung oder Clou der Rolle?

 

Pattinson scheint auf den ersten Blick eine völlige Fehlbesetzung zu sein. Er wirkt neben seinen Kollegen völlig fehl am Platz, was vermutlich daran liegt, dass die meisten Co-Stars einiges älter sind als er. Aber vielleicht ist gerade das der Clou und Pattinson geht bloss in seiner Rolle auf und mimt George Duroys schönen Schein hinter einer leeren Fassade bloss authentisch.

 

 

Die Briten Declan Donnellan und Nick Ormerod, Gründer der «Cheek by Jowl“-Theaterkompanie, brachten mit «Bel Ami» ihren ersten Kinofilm auf die Leinwand. Doch er lässt die renommierten Bühnenstückinszenierer ziemlich schwach aussehen. Ihr Debüt ist unbefriedigend. Wer die Buchvorlage nicht kennt, fühlt sich gerade am Anfang ziemlich überrumpelt und versteht so manchen Zusammenhang nicht. Die Handlung schreitet zu schnell voran und die Dialoge sind platt. Erst gegen Mitte des Films gewinnt die Geschichte an Intensität. Das Leben der Nobelklasse mit Intrigen und Snobismus wird zwar gekonnt eingefangen und lässt erahnen, in welchem Luxus geschwelgt wurde, doch leider gehen ein paar wichtige Punkte verloren, wie etwa die Armut und das Drecksloch, in dem George Duroy zu Anfang lebt, sowie sein innerer Konflikt und Neid auf den ganzen Luxus der Nobelklasse.

 

Englischer Akzent der Darsteller verwirrt.

 

Es wird dem Zuschauer auch visuell zu wenig gezeigt, dass die Handlung in Frankreich, sprich in Paris, spielt. Dies mag teilweise daran liegen, dass keine für Paris typische Monumente wie l’Arc de Triomphe oder gar die Notre-Dame - die alle zur damaligen Zeit durchaus schon standen - gezeigt werden. Der französische Flair und das gewisse Etwas fehlen. Einzig der Name der Zeitung «La Vie Française» sowie einige eingebaute französische Floskeln und die Namen der Charaktere lassen erahnen, wo die Handlung stattfindet. Auch der englische Akzent der Darsteller trägt seinen Teil zu dieser Verwirrung bei. Uma Thurman etwa bemüht sich um einen leicht britischen Akzent und spricht sehr gewählt und akzentuiert. Christina Ricci dagegen redet zum Teil etwas umgangssprachlich und mit amerikanischem Einschlag. Würden die Schauspieler mit einen leicht französischen Akzent sprechen, wäre dies nicht nur erfrischend, es würde die Glaubwürdigkeit des Filmes durchaus ein wenig anheben.

 

 

Kostüme, Haare und Make-up und auch die Filmmusik sind perfekt umgesetzt, aber das ist so ziemlich alles, was es Positives zu «Bel Ami» zu sagen gibt. Es ist schade um die wunderschöne Buchvorlage und das Angebot an guten Schauplätzen und Darstellern. Es wäre daher vielleicht klüger gewesen das Drehbuch nochmals zu überarbeiten und die Rolle des George Duroy umzubesetzen. Oder man hätte Robert Pattinson gar die Chance geben können als Schauspieler zu reifen und den Film erst in ein paar Jahren gedreht. Dem Duo Donnellan und Ormerod käme es womöglich auch zu Gute, das Ganze als Bühnenstück aufzuführen, um mit ihrer Stärke, dem Theater, zu arbeiten. Vielleicht würden dann auch die Scheinwerfer dem Hauptdarsteller etwas mehr Glanz verleihen.

 

 

  • Bel Ami (UK 2011)
  • Regie: Declan Donnellan und Nick Ormerod
  • Darsteller: Robert Pattinson, Uma Thurman, Christina Ricci, Kristin Scott Thomas
  • Laufzeit: 102 Minuten
  • Kinostart: 26. April 2012 

 

 

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catarina martins / Mi, 11. Apr 2012