Wohin des Weges, Llewyn?

Moviekritik: Inside Llewyn Davis
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Im Verleih von Ascot Elite

Es ist ein kalter Winter in New York im Jahre 1961. Der Folk-Sänger Llewyn Davis (Oscar Isaac, „Drive“, „Two Faces of January“) tingelt von Bar zu Bar und hofft auf seinen grossen Durchbruch. Hier und da schwängert er eine Frau - wie beispielsweise Jean (Carey Mulligan, „Drive“, The Great Gatsby“) - und muss ans Geld für die Abtreibung kommen. Ein trostloses Leben, ohne Frage. Gar so trostlos, dass sich Llewyns Musikpartner Mike von der Washington Bridge stürzte. Aber Llewyn gibt nicht auf, noch nicht. Dafür gibt es noch genug Produzenten, die er besuchen möchte. Doch auf dem Weg dorthin erhält Llewyn auch die Chance sich selber zu begegnen respektive mit sich ins Reine zu kommen.

 

Es gibt Erwartungen an einen Coen-Film. Jeder hat sie. Manchmal sind es skurrile Charaktere und Sprüche („The Big Lebowski“), dann wieder subtile Gesellschaftskritik mit hoher Spannung („Fargo“) oder auch gute Musik und einfache Unterhaltung („Burn after Reading“). Es gibt nichts womit uns die Coens nicht schon überrascht hätten. Meist eben durch ihre Eigenartigkeit. Bei „Inside Llewyn Davis“ liefern sie nun aber den wohl mainstreamigsten Film ihrer Karriere. Keine kultigen Frisuren, keine absurden Charaktere, keine übertriebene Handlung. Sehr ruhig geht es zu beim neuen Coen. Gar so ruhig, dass manch einer zunächst einen schlechten Film vermutet, aber auch nur deshalb, weil „Inside Llewyn Davis“ so viel anders ist, als das was wir von den Brüdern sonst kennen.

 

 

Trotz seiner Dauermelancholie reist Llewyn nie alleine: Mit Katze (Bild 1) oder mit Beatnik-Fahrer Johnny Five (Bild 2).

 

In vielerlei Weise erinnert der Film an „On the Road“, der im Frühjahr dieses Jahres ins Kino kam. Genauso wie die Protagonisten von Jack Karouacs Kultroman, schweift Lewyn im Leben umher, wird von Verlockungen hier und da verführt, besitzt aber auch eine unnatürliche Rastlosigkeit, die ihn weiter treibt, ohne genau zu wissen wohin. Eine klassische Struktur besitzt deshalb auch keiner der beiden Filme. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Besetzung von Garrett Hedlund. Verkörperte er in „On the Road“ noch den Hauptcharakter Dean Moriarty, spielt er hier eine Nebenfigur namens Johnny Five, die Llewyn auf einen Roadtrip quer durch die USA nimmt und sich als heimlicher Dichter zeigt. Also irgendwie auch eine kleine Hommage an Dean Moriarty. Mit subtilen Hommagen ist „Inside Llewyn Davis“ sowieso bestens ausgestattet. Eine gelbe namenlose Katze in New York Anfang der 60er Jahre, von welcher die Hauptfigur immer behauptet, es sei nicht die seine? Da fällt uns auch ein Film ein.

 

Llewyn bringt das Leben von Jim (Bild 1) und Jean (Bild 2) durcheinander.

 

Aber bleiben wir bei Llewyn. Die Musik ist natürlich ohne Frage genial, war doch wieder T Bone Burnett („O’Brother where art thou?“) mit von der Partie. Und Hauptdarsteller Isaac zeigt uns, dass er nicht nur ein begnadeter Darsteller, sondern auch Sänger ist. In Szenen mit Justin Timberlake (welcher Llewyns Kollegen und Jeans Freund spielt) harmoniert der Newcomer bestens. Die Coens hätten Isaac deshalb definitiv mehr Musik-Szenen geben dürften. In den wenig vorhandenen gewinnt er deutlich an Sympathie, welche aufgrund seiner abermals eher verantwortungslosen Handlungen, sonst doch nicht allzu gross für ihn ausfällt. Aber vermutlich war das auch Konzept der Coens. Irgendwie müssen sie sich schliesslich doch von den restlichen Filmemachern unterscheiden.

 

  • Inside Llewin Davis
  • Regie & Drehbuch:  Ethan & Joel Coen
  • Besetzung: Oscar Isaac, Carey Mulligan, Justin Timberlake, Garrett Hedlund, John Goodman
  • Dauer:  104 Minuten
  • Ab 5. Dezember im Kino
Tanja Lipak / Di, 03. Dez 2013