Wie man Homosexualität heilt

Movie-Kritik: Boy Erased
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© Universal Pictures International Switzerland.

Jared Eamons (Lucas Hedges) ist der Sohn eines Predigers und Autohändlers (Russell Crowe) und dessen meist gefügiger, aber herzlicher Ehefrau (Nicole Kidman). Gemeinsam leben sie in Arkansas, im Süden der Vereinigten Staaten. Seine Eltern weisen Jared in eine christliche Anstalt für eine Konversionstherapie ein. Ziel des Kursleiters (Joel Edgerton) ist es, den jungen Männern und Frauen die «Homosexualität» abzugewöhnen”. Nach und nach stellt sich Jared aber die Frage, wie diese Therapie mit seiner Vorstellung der Religion übereinstimmen kann.

 

Joel Edgerton fungiert zum zweiten Mal als Regisseur für «Boy Erased». Im Jahr 2015 führte er bereits Regie im Film «The Gift». Sein Debüt, ein durchaus spannender Thriller, fiel durch das für einen Erstfilm nicht unübliche Fehlen von Feinsinn und Ambivalenz auf. In seinem neuen Film versucht Edgerton dem entgegenzuwirken. Besonders beim Thema Homosexualität ist dies zugegebenerweise wichtig. Es gelingt ihm, die Gruppe junger Männer, welche sich (mehr oder weniger freiwillig) zur Konversionstherapie entschlossen haben, als eine heterogene Gruppe darzustellen. Mitunter ist dies einer der gelungensten Aspekte des Films: Alle Mitglieder dieser Gruppe scheinen eine eigene Persönlichkeit zu besitzen, mehrere von ihnen erhalten eine Szene, in der dies deutlich gemacht wird.

 

Was wiederum ins Auge sticht, ist, was für ein talentierter Schauspieler Edgerton selber ist. Er schafft es einerseits, den Konversionstherapeuten als einschüchternd und von seinem Glauben überzeugt darzustellen. Andererseits lässt er immer wieder verunsicherte Aspekte seiner Figur durchschimmern. Die Figurenarbeit insgesamt funktioniert gut und überzeugt: So wirken Russell Crowe und Nicole Kidman als langjähriges Ehepaar sehr natürlich und besonders Kidman zeigt in ihrer Rolle als übertrieben geschminkte, etwas unförmige südstaatliche Mutter überzeugend, dass sie zu einer für sie untypischen Darbietung fähig ist.

 

Ein Stirnrunzeln ruft vor allem die Länge des Films hervor: Boy Erased ist fast zwei Stunden lang. Da sich die Geschichte im zweiten Akt nicht wirklich entwickelt, sind es lange zwei Stunden. Edgerton versucht zwar durch eine anachronistische Erzählung der Ereignisse, die Spannung aufrecht zu erhalten. Da manche Geschehnisse aber keinen entscheidenden Einfluss auf Jareds Situation in der Anstalt haben, sind diese Einschübe mit der Zeit ermüdend.

 

Etwas zu lang, etwas zu umständlich; Boy Erased ist kein perfekter Film, bespricht aber mit der Konversionstherapie ein gesellschaftlich relevantes Thema und beleuchtet eine soziale Minderheit als Gruppe von verschiedenen Seiten.

 

  • Boy Erased (USA 2018)
  • Regie: Joel Edgerton
  • Darsteller: Lucas Hedges, Nicole Kidman, Russell Crowe, Joel Edgerton, Cherry Jones, Madelyn Cline, Victor McCay, David Joseph Craig, Troye Sivan, Emily Hinkler
  • Laufzeit: ca. 115 Minuten
  • Kinostart: 21. Februar 2019

 

Jonas Stetter / Mi, 20. Feb 2019