Werbung macht Politik

Movie-Kritik: NO
Bildquelle: 
www.cineworx.ch

Chile 1988: Das Pinochet-Regime hat das Land fest im Griff. Zur gleichen Zeit plant die Opposition eine NO-Kampagne, die verhindern soll, dass der Diktator bei der Abstimmung am 5. Oktober 1988 erneut als Präsident bestätigt wird. Die Leitung und Organisation dieser PR-Kampagne wird dem Marketingexperten René Saavedra (Gael García Bernal, «Die Reisen des jungen Che») übertragen. Dieser hat im amerikanischen Exil viel über Werbestrategien gelernt und erklärt sich nach einigem Zögern bereit, sich der Herausforderung zu stellen. Obwohl die NO-Aktivisten kaum an einen Erfolg der Kampagne glauben, möchten sie die Chance nutzen, ihr Anliegen in den ihnen gewährten 15-minütigen Sendeblöcken kundzutun, die einen Monat vor dem Referendum beginnen und täglich gesendet werden. Allerdings sind sie nicht wenig erstaunt über Saavedra, der lieber eine positive, zukunftsorientierte Kampagne auf die Beine stellen will als sich auf die vergangenen, negativen Ereignisse wie Menschen-rechtsverletzungen oder Folter und Ermordung von Regimekritikern zu konzentrieren. So entstehen bunte Videoclips, die eher der Popkultur zuzuordnen sind als einem politischen Wahlkampf, die aber genau deswegen bei der Bevölkerung Zuspruch finden. Doch der unerwartete Erfolg dieser Sendungen alarmiert die Anhänger der regierungstreuen Sí-Kampagne, die mit unterschiedlichsten Mitteln versuchen, die Gegner einzuschüchtern und so zum Schweigen zu bringen. Plötzlich muss sich auch Saavedra, der eigentlich nie politisch aktiv war, sowohl um seine Sicherheit als auch die seiner Familie sorgen.

 

Bild 1: Die Aktivisten von «NO» stehen voll hinter ihrer Ideologie, besonders (Bild 2) der unermüdliche Marketingexperte René arbeitet an einer Kampagne gegen das Pinochet-Regime. (Mit Maus über Bild fahren) 

 

Nach «Tony Manero» (2008) und «Post Mortem» (2010) beendet der chilenische Regisseur Pablo Larraín mit «NO» seine lose Trilogie über die Pinochet-Ära. Der Film besticht vor allem durch seine 80er-Jahre-Ästhetik, die Larraín durch die Kostüme, die Set-Ausstattung und besonders durch die Verwendung von Umatic-Kameras aufleben lässt. Die Bilder im 4:3-Format, die mit analogen Videokameras gedreht wurden, erzeugen eine Authentizität, in die sich das verwendete Archivmaterial, das Originalaufnahmen von Strassenschlachten oder Auftritte von Pinochet zeigt, nahtlos einfügen lässt. So wird die Leichtigkeit einer Werbeproduktion neben die Brutalität der jüngeren chilenischen Geschichte gestellt. 

 

Satirisch inszeniert, macht der Film die Bedrohung für Aktivisten im damaligen Chile deutlich

 

«NO» ist eine Polit-Satire, die den Zuschauern vor Augen führt, mit welchen Mitteln man in der Politik um den Sieg kämpft und wie viel eigentlich davon abhängt, wie gut die verwendete Marketingstrategie ist. Obwohl sich der Film mit einem Augenzwinkern an die Thematik des Wahlkampfs annähert, verzichtet er aber nicht darauf, die Bedrohung anzudeuten, der man sich damals in Chile als oppositioneller, politischer Aktivist aussetzte. 

 

Bild 1: René ist an vordester Front bei Kundgebungen dabei, aber (Bild 2) ab und  zu schätzt er die Ruhe seines Büros. 

 

Eine latente Bedrohung ist schon von Beginn an spürbar, die vor allem der verwendeten Kamera zuzuschreiben ist. Sie erzeugt eine paranoide Atmosphäre, bei der man ständig das Gefühl hat, dass Saavedra heimlich beobachtet wird. Verwackelte Zooms, unscharfe Bilder und blendendes Licht untermalen dieses Gefühl einer ständigen Überwachung, da die Ästhetik einer versteckten Videokamera simuliert wird. Larraín vermeidet dadurch die Banalisierung der Geschichte, die mit der Thematik der Medialisierung der Politik und vor allem mit den Parallelen, die die Fernsehbeiträge zur Cola-Werbung aufweisen, schnell einmal passieren könnte. Letztendlich wird eine Abstimmung thematisiert, deren Ausgang Chile den Weg in die Demokratie gewiesen hat – trotz oder gerade wegen tanzenden, glücklichen Menschen, Clowns, fröhlichen Liedern und Regenbögen.

 

  • NO (Chile, USA, Mexiko 2012)
  • Regie: Pablo Larrain
  • Darsteller: Gael Garcia Bernal
  • Laufzeit: 108 Minuten
  • Kinostart: 21. März 2013
Sule Durmazkeser / Mi, 20. Mär 2013