Pamfir – ein Mann folgt seinen Prinzipien

Moviekritik: Pamfir
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Der Ukrainer Leonid, von allen Pamfir genannt, arbeite in Polen und kehrt für zwei Ferienwochen zur Familie in einem kleinen Dorf in den ukrainischen Karpaten zurück. Sohn Nazar und Ehefrau Olena freuen sich über den Besuch. Schnell zeigt sich jedoch, dass Nazar mehr unter der Trennung des Vaters leidet als vermutet. Er rebelliert gegen die Mutter und zündet die Kirche an, bringt so eine Lawine ins Rollen. Leonid verspricht dem Pastor ehrenhaft, für den Schaden aufzukommen. Bevor Leonid Familienvater wurde, prügelte sich oft und zog Schwierigkeiten nur so an, war aber auch ein talentierter Zigarrettenschmuggler. Mit Frau und Kind schwor er der Kriminalität ab. Die Geschichte mit der Kirche zwingt ihn ungewollt zu einem letzten Schmuggel über die grüne Grenze zu Rumänien. Doch dieser geht fürchterlich schief und das zieht weiter Kreise.

 

Leonid kommt dem Falschen in die Quere. Herr Orest, ein schmieriger, übergewichtiger Drecksack, der sich nicht selbst die Finger schmutzig macht und die Polizei auf seiner Gehaltsliste hat, kontrolliert eisern den Schmuggel in der Region. Nach aussen hin gibt er den familienfreundlichen Oberförster, redlich und achtbar, und wird dafür fast als heilig verehrt. Daneben kontrolliert er das organisierte Verbrechen mit sadistischer Hand und geniesst es richtiggehend, dass er an Leonid ein Exempel statuieren kann.

 

Leonid mit seiner Truppe beim Schmuggeln an der Grenze zu Rumänien. (© trigon-film.org)

 

Der ukrainische Regisseur Dmytro Sukholytkyy-Sobchuk hat mit «Pamfir» ein eindrückliches Spielfilmdebüt gedreht. Uraufgeführt wurde der Film am Festival von Cannes. Der zuvor mit internationalen Preisen für seine Kurzfilme ausgezeichnete Filmemacher zeigt feines Gespür für seine Figuren. Ihm gelingt es, dass man sofort in die Geschichte hineingezogen wird und mit dem bärenstarken Vater, der wie ein Held für seine Familie kämpft, mitfiebert. Nicht, weil Leonid moralisch mit festen Beinen im schlammigen Untergrund der Baustellen steht, sondern weil er sich bewusst für das Richtige entschieden hat und allen Widrigkeiten trotzt und bereit ist, seine Prinzipien für die Familie arg zu dehnen. Sein Sohn soll es besser haben als er einst und nicht kriminell werden. Das steht fest und Leonid ist von seinem Weg nicht wegzubringen, egal was das für ihn selbst bedeutet. Durch diese bewusste Überhöhung verleiht der Regisseur seiner Figur eine Art Mythos des hart arbeitenden Helden.

 

Stark geschriebene Hauptfigur

 

Gleichzeitig steht Leonid als Symbol für den Kampf gegen Korruption und Ungerechtigkeit, quasi ein Friedenskämpfer. Hier wollte der Regisseur bewusst symbolisch auf die Kluft zwischen der EU und der Ukraine Bezug nehmen und gleichzeitig einen Mann zeigen, der so lange und heftig zur Verzweiflung getrieben wird, bis er seine Prinzipien ritzt. Dieser Ansatz zeigt einerseits, wie absolut klar Gut und Böse in «Pamfir» verteilt sind. Gleichzeitig macht es sich das Drehbuch in seiner Schwarz-/Weiss-Zeichnung dadurch manchmal etwas gar einfach. Grautöne fehlen oft fast gänzlich. So überdeutlich sind die moralischen Sympathien verteilt. Handkehrum steht und fällt der Film sowieso mit seiner so bullig, wie sympathischen, stark geschriebenen Hauptfigur. Insofern macht dies simple, gradlinige Inszenierung durchaus Sinn und erreicht das Ziel.

 

Der unfreiwillige Besuch beim korrupten Förster ist ein schönes Beispiel für das geschickt Farbenspiel im Film. (© trigon-film.org)

 

Tief beeindruckend ist das Spiel der Farben, etwa beim Winterkarneval, Malanka, wo Traditionen auf die Realität krachen. Während die Männer in den Kostümen stylisch in rotes Licht, Nebel und Rauch getaucht werden, kontrastiert im Hintergrund der leuchtend-weiss fallende Schnee die Szenerie. Diese dramaturgisch wichtige Szene beisst sich bewusst mit den sonst erdigen Tönen im Film, unterstreicht aber wie schlau die Farbgestaltung aufgebaut ist, um die Emotionen, die für den Film unverzichtbar sind, zu unterstreichen. In diesem Punkt besticht «Pamfir» über die volle Länge.

 

Beim Dreh wurde die Crew von der Realität um die russische Invasion eingeholt und musste aus Sicherheitsgründen die Arbeit am Film im Ausland beendet werden. Dies betraf vor allem die Nachbearbeitung wie etwas den Soundmix. Der Aufwand hat sich gelohnt. Nicht nur wegen Oleksandr Yatsentyuk, der als titelgebender Pamfir so wuchtig spielt wie sein Körper kräftig ist, sondern auch weil die fein aufgebaute Dramatik jederzeit glaubwürdig und authentisch bleibt. Die Tonspur unterstützt jederzeit, ohne dominant zu sein, und als letztes Steinchen im Mosaik vervollständigt die raue, waldige Landschaft der Karpaten, wo der Film spielt, den Gesamteindruck.

 

Der Film entlässt mit einem beissenden Gefühl in der Magengegend und genau das hebt ihn von Dramen mit ähnlichem Aufbau ab. Regisseur Sukholytkyy-Sobchuk widersteht geschickt, den Film in die gewohnte Schiene zu lenken und veredelt mit seiner eleganten Erzählung nicht nur die Geschichte, sondern sorgt dafür, dass «Pamfir» in Erinnerung bleibt.

 

  • Pamfir (Ukraine 2022)
  • Regie & Drehbuch: Dmytro Sukholytkyy-Sobchuk
  • Besetzung: Oleksandr Yatsentyuk, Stanislav Potyak, Solomiya Kyrylova
  • Laufzeit: 102 Minuten
  • Kinostart: 16. Februar 2023

 

Bäckstage Redaktion / Mi, 15. Feb 2023