Comic-Con gone wrong

Moviekritik: Cabin In The Wood
Bildquelle: 
Rialto.ch

Fünf junge Menschen verbringen das Wochenende in einer verwunschenen Waldhütte und stolpern beim Herumalbern über ein altes Tagebuch, dessen Lektüre mordlüsterne Dämonen heraufbeschwört. Das klingt alles sehr nach dem legendären Gruselschocker und Frühwerk «Tanz der Teufel» von Spiderman-Regisseur Sam Raimi, doch wer altbackenes Klischee-Kino erwartet, wird sein blutrotes Wunder erleben. «The Cabin in the Woods» stellt die Regeln des Genres genial auf den Kopf und wird zu Recht schon jetzt als Horrorfilm des Jahrzehnts gehandelt …

 

Bild 1: Die Gruppe auf Erkundungstrip und … (Bild 2) auf Tuchfühlung.

 

Die schüchterne Streberin Dana (Kristen Connolly) möchte sich mit ihrer Kollegin, sexy Dumpfbacke Jules (Anna Hutchinson) ein Wochenende lang vom Prüfungsstress ausklinken. Mit von der Partie sind Highschool-Hunk Curt (Chris Hemsworth), dessen Bünzli-Buddy Holden (Jesse Williams) und die eloquent verpeilte Kiffrübe Marty (Fran Kranz). Die Freundesgruppe nimmt mit ihrem Wohnmobil Kurs auf eine abgeschiedene Waldhütte, um zwei Tage lang Fusel, Fummeln und sonstigen Fisimatenten zu frönen. Dabei lassen sie sich weder von den finsteren Anspielungen des örtlichen Tankwarts (Tim De Zarn), der Baufälligkeit ihrer Bleibe oder grauseligen Ölgemälden von ihren sündigen Plänen abbringen. Doch auch mitten im Unterholz bleibt ihr Treiben alles andere als privat, denn die Hütte ist bis in den letzten Winkel verkabelt. Tief unter der Erde verfolgt eine Heerschar Wissenschaftler die Party und nimmt dank modernster Technik gar Einfluss auf die Geschehnisse. 

 

Alle deine Albträume auf einmal

 

Es soll nicht lange dauern, bis die fünf Versuchskaninchen durch einen arrangierten Zufall auf ein Kellerabteil stossen, in dem schauerliche Devotionalien Zeugnis von der blutigen Vorgeschichte der Hütte ablegen. Von morbider Neugierde beflügelt, stecken sie ihre Schnapsnasen in den lateinischen Text eines Tagebuches und sehen sich bald von albtraumhaften Wesen belästigt. Ihr Überlebenskampf verschärft sich zusätzlich, als sie realisieren, dass sie den Angreifern weder über Strassen noch durch die Luft entkommen können. Der einzige Fluchtweg führt in die Tiefe, aber dort lauern nicht nur die Wissenschaftler, die sie um jeden Preis tot sehen wollen, sondern auch so ziemlich jedes je erdachte Monster. Tapfer setzen sich die geschundenen Jugendlichen zur Wehr, ohne zu wissen, dass ihr übermächtiger Gegner mindestens so verzweifelt ist wie sie selbst …  

 

Bild 1 + 2: So langsam merken die Jugendlichen, dass etwas nicht stimmt.

 

Nur wenige Filme werden den Lastwagenladungen an Vorschusslorbeeren gerecht, mit denen «The Cabin in the Woods» seit der US-Veröffentlichung im Mai überschüttet wurde. Oft machen solche Lobhudeleien koffeinberauschter Marketingmenschen den Boomerang, aber in diesem Fall geht die Rechnung dank einer eingespielten Gruppe Sachverständiger tatsächlich auf. Joss Whedon, Regisseur des diesjährigen Kino-Knallers «The Avengers», Comic-Con-Ikone und Hohepriester der Disziplinen Science-Fiction, Fantasy und Shakespeare, hat mit seinem Kumpel Drew Goddard das Script zu diesem Knüller geschrieben. Goddar wiederum, der im Regiestuhl sass, hat in früheren Jahren Drehbücher für Whedons TV-Hits «Angel» und «Buffy» verfasst. Dieses Zweiergespann erspart uns pornographisch angehauchte ‘Boobs and Blood‘-Orgien wie wir sie beispielsweise aus der «Piranha»-Reihe kennen, doch subtil macht das diesen Film noch lange nicht. Schwache Nerven leeren ihre Popcorntüte besser vor dem letzten Viertel, denn dann richten die Macher eine solch unglaubliche Sauerei an, dass sich selbst Meister Propper die Kugel gäbe. Wheadon und Goddard wissen einfallsreich zu quälen und zu strafen. Manchmal grobschlächtig und bluttriefend, aber stets mit artistischer Brillanz und oft in Kombination mit dem smarten Humor, für den Whedon so berühmt ist. 

 

Im Dunkeln geschlummert

 

Neben der durchdachten, kaum vorhersehbaren Geschichte, den lebensechten Computersimulationen übernatürlicher Elemente und dem dynamischen Schnitt gibt’s aber einige Wehmutstropfen. Namentlich gewisse Hauptdarsteller, die nicht durchwegs zu überzeugen wissen. «The Cabin in the Woods» wurde bereits 2009 fertiggestellt, lagerte aber wegen finanziellen Turbulenzen des Studios drei Jahre lang im Archiv. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten war selbst Hemsworth weder Thor noch Schneewittchen-Beschützer gewesen und die restlichen Schauspieler kannte man bestenfalls durch Gastauftritte in TV-Serien. Während der als Alpha bekannt gewordene australische Actionstar hier bloss den eher unbedarften Football-Proll mimt, beschränkt sich Quotenblondinchen Hutchinsons Beitrag darauf, erst Sex und später Blut zu versprühen. Ärgerlich auch der blasse Jesse Williams. Die Rolle des Intellektuellen nimmt man ihm selbst nach Aufsetzen der Nickelbrille nicht ab. Die fehlende Chemie innerhalb der Freundesgruppe wird gottlob durch mehrschichtige Darbietungen von Kranz (Zerbrechlichkeit) und Connolly (Verletzlichkeit), nicht zuletzt aber die ausgefeilte Wissenschaftlerwelt im Untergrund kompensiert. Es mag seine Zeit dauern, bis man endlich in die überraschenden Motive dieser verrückten Forschergruppe eingeweiht wird, aber bis dahin - und darüber hinaus - ist die Unterhaltung prickelnd-prächtig.      

 

Bild 1: Im Kampf sind alle Mittel recht. Ob Schlagstock oder … (Bild 2) ein Motorrad zur Flucht.

 

Mit diesem ausgefeilten Mix fährt Joss Wheadon damit fort, seinen Anspruch auf einen Stammplatz in Hollywoods A-Liga zu zementieren und fügt dem apokalyptischen Kinojahr Nullzwölf einen würdigen Weltuntergangsfilm hinzu. Im hässlichen Angesicht des derzeit grassierenden Cashgrab-Fiebers unbestreitbar einen mit Kultpotential. 

 

  • The Cabin in the Woods (USA 2011)
  • Regie: Drew Goddard
  • Drehbuch: Drew Goddard and Joss Wheadon
  • Besetzung: Kristen Connolly, Chris Hemsworth, Franz Kranz, Amy Acker, Tim de Zarn, Jesse Williams, Anna Hutchinson
  • Laufzeit: 95 Minuten
  • CH-Kinostart: 06. September 2012
Mike Mateescu / Mo, 03. Sep 2012