«Chaotisches Wimmelbild - in lyrischer und musikalischer Hinsicht»

Kritik: Hass im Ärmel von Jack Pott
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Der punkiger Opener «Irgendwann vorbei» weckt einen auf «Hass im Ärmel», dem neuen Album der Band Jack Pott, gleich schlagartig und stilsicher. Rasch ist man hellwach. Der knackige Punkrocker öffnet sofort mit satten Gitarren die Herzen, trumpft aber auch mit geschickt platzierten Elektro- bzw. Synthie-Spuren. Dabei erzählt der Song vom Wandel in sozialen Beziehungen: «Ich schreibe dir ein Lied und ich fühle nichts dabei. Denn alles, was mal war, ist auch irgendwann vorbei», heisst es im Text. Eigentlich traurig, aber natürlich Part of the Game.  Song und Text markieren als Kombination einen gelungenen Einstieg in ein angenehm kurzes, aber energiegeladenes Album.

 

Die noch junge Punkband Jack Pott treibt seit vier Jahren ihr «Unwesen» in den klanglichen Sphären Deutschlands und nimmt sich dabei nicht so bierernst. Dabei ist die Band aus Schwartau eine veritable Wundertüte, die zwar auf einem feinen Teppich aus Punkt spaziert, sich aber äusserst wandelbar zeigt. «4von10» flirtet kurz mit Sprechgesang, bettet den Gesang aber elegant in griffigen Punkrock ein. «Ce n’est pas une Scherz» ist herrliche Reimkunst und irgendwo im Post-Punk beheimatet, aber mit augenzwinkerndem Verweis auf französische Folklore, und bleibt schon beim ersten Hören hartnäckig im Ohr. «Verliebt in einen Traum» zündet mit Bläsern und entfacht so einen lockeren Sound und für «Bomer Bomer» würde vermutlich das Label «Discopunk» recht gut passen. Schliesslich legt eine an Kultfigur Tony Manero angelehnte Gestalt auf dem Albumcover eine flotte Sohle auf das Parkett.

 

Herrliche Referenzen, die es zu entdecken gilt

 

Jack Pott lieben das Spiel mit Assoziationen. Die beiden grossen Punkbands Deutschlands schimmern immer mal wieder durch, ohne kopiert zu werden. Wer aber will, kann durchaus Falco oder wirklich hauchdünne Anleihen an Johnny Hills «Teddybär» in «Fass mich nicht an» erkennen. Diese herrlichen Referenzen machen sehr viel Spass und erlauben es, Easter Eggs zu entdecken, die nicht sofort klar sind. Sie runden aber letztlich nur Songs ab, die problemlos auch ohne diese Veredelungen auf solidem Fundament stehen würden.

 

Dass Jack Pott so diebisch viel Freude an diesen Kleinigkeiten haben, spricht für den Anspruch der Band. «Wir doktern dann immer so lange an dem Song herum, bis er uns gefällt», unterstreichen Jack Pott den Höreindruck. Aufgenommen wurde das Album im Herbst 2022 im Northroad Recording Studio in Breidenbach, Hessen. Im Sommer unmittelbar davor haben sich Jack Pott für eine Woche in einem Ferienhaus in Wilhelmshafen einquartiert. «Wir waren so produktiv, dass ein Großteil der Songs, die heute auf dem Album sind, am Ende dieser Woche als Skizze bereits standen», erzählt die Band.

 

Jack Pott - «4 von 10»

 

Dass Jack Pott mit diebisch viel Spass an ihren Songs basteln und kaum etwas zufällig passiert, hört man über das gesamte Album hinweg. «Wir haben es bewusst darauf angelegt, unserer Zuhörerschaft ein buntes und teils chaotisches Wimmelbild - in lyrischer und musikalischer Hinsicht - als Album zu präsentieren», bringen Jack Pott den Eindruck auf den Punkt und unterstreichen: «Dafür finden alle möglichen Einflüsse, die uns so im Alltag begegnen, ihr kleines schäges Plätzchen in unseren Songs. Sei es der Kinski-Ausschnitt aus «Jesus Christus Erlöser» oder der genannte Falco-Einsatz. Das Album garantiert dadurch, dass man es sich immer wieder anhören kann und trotzdem noch Kleinigkeiten entdeckt.» Diesen Punkt kann man nach mehrmaligem Hören leicht bestätigten. Jack Potts «Wimmelbild» entfaltet seine Wirkung langfristig und nachhaltig.

 

Es geht aber durchaus auch ernster. «Solang das Dschungelcamp läuft» beispielsweise beschäftigt sich mit Themen wie Flüchtlingspolitik oder Sexismus, greift dafür auf allgemeine Aussagen zurück. «Wieso gehen die auch auf ein Boot?» «Wieso war der Rock in der Disco so kurz?» «Du hast es doch so gewollt.» «Bleibt halt lieber zuhause.» Solche Passagen unterstreichen den wichtigen Ansatz der Band, unbequeme Entwicklungen in der Gesellschaft staubtrocken umzukehren. Natürlich schwing dabei ein gepflegter Hauch Ironie mit … könnte man meinen, aber: «Es wäre schön, wenn Songs wie «Solang das Dschungelcamp noch läuft» lediglich überspitzte Ironie beinhalten würden. Leider besteht der Song aus realen, teilweise wörtlich übernommen Zitaten aus dem privaten Umfeld, aus den sozialen Medien oder der politischen Landschaft», sagen uns Jack Pott und fügen hinzu: «Da benötigt es keine extra Ironie oder Provokation, die Realität ist häufig «komisch» genug. Aus eigener Erfahrung können wir sagen, dass Songs dieser Art immer anecken und kontrovers sind und sein sollen.» Umso wichtiger ist es, sich zu trauen und solche Dinge klar zu benennen. Dies gelingt Jack Pott scheinbar mühelos – und wichtig - ohne erhobenen Zeigefinger.

 

Die Geschichte hinter dem Albumtitel

 

Nach dem Hören von «So lang das Dschungelcamp läuft» ist man versuche, den des Albums als Statement zu verstehen, doch er ist eher pragmatisch entstanden, wie Jack Pott erklären: «Da müssen wir ehrlich sein, dass es keine coole, abenteuerliche Geschichte gibt. Wir haben in einer WhatsApp-Gruppe hunderte Vorschläge gesammelt, aber da war nichts Passendes dabei. Als wir unsere Labelchefin Bianca um Hilfe baten, hatte sie einen einzigen Vorschlag, der direkt einschlug wie eine Bombe. Der Name «Hass im Ärmel» hat irgendwie direkt zu den Songs gepasst und ist schön kurz und knackig. Also, Danke Bianca, dass unser Album nicht «Von Metal bis Mozart» oder «Bunte Möhren und Spitzkohl» heißt.»

 

Jack Pott zeigen auf dem zweiten Album grosses Talent für Vielseitigkeit, sowohl in musikalischer als auch textlicher Hinsicht. Dabei ist besonders spannend, dass sich keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigen, weil sich die Band für jeden Song ein Konzept überlegt hat und es vermeidet, sich zu wiederholen. Vielleicht ist daher die ideale Laufzeit des Albums mit gut 40 Minuten bei 14 Songs die goldrichtige Entscheidung.

 

Das neue Werk in Jack Potts Schaffen macht sehr viel Spass und regt, bei genauem Hinhören, mit treffenden Texten zum Denken an.

 

  • Jack Pott
  • Album: «Hass im Ärmel»
  • Genre: Punk, Post-Punk, Rock
  • Label: Dackelton Records
  • Im Handel ab 20. Oktober 2023

 

Bäckstage Redaktion / Do, 19. Okt 2023