Von Dorfpunks und Günther Jauch: Das Debüt von Grundhass

CD-Kritik: Grundhass - Wenig los
Bildquelle: 
Plattencover, zVg

Im Video zum kapitalismuskritischen Opener «Diggi gib Kohle» schlendert Grundhass gemütlich durch ausgestorbene Strassen und schmettert seine Zeilen. Der junge Punk-Songwriter hat für das Video eine unvermutete Chance gesehen und im Lockdown die leeren Strassen Berlins als Set genutzt. Somit ist das Video visuelle Untermalung für den Song als auch irgendwie ein Zeitdokument.

 

«Dorfpunks» lässt direkt danach das Leben in einem kleinen Dorf Revue passieren, spielt gleichzeitig mit der romantischen Verklärung eines blutjungen Lebensentwurfs und unterstreicht dies fett mit durchaus ironischen Zeilen wie «Das Bushäuschen ist unsere Disco» oder «… unsere Eltern hätte besser mal verhütet …». Der Song zeigt ein erstes Mal, dass Grundhass das Spiel zwischen Überspitzung und knallharter Realität beherrscht. Gewürzt ist diese Mischung stets mit einem guten Schuss Humor.

 

Album als Trio in Berlin eingespielt

 

«Zusammen kaputt» bricht erstmals klar mit dem Punk und zeigt auf, dass Grundhass viel mehr ist als der Name suggeriert. Von Drei-Akkord-Songs und Ich-Gegen-den-Rest-Plattitüden ist der Künstler Welten entfernt. «Wenig los» ist ein Debüt, das durchaus und wohl sehr bewusst mit dem Punk liebäugelt, sich dann jedoch nicht einschränkt, sondern eher öffnet. Also instrumental gedacht. Auf der textlichen Ebene passiert sowieso sehr viel mehr. Erzählerisch schwingt beispielsweise bei «Zusammen kaputt» viel Zusammenhalt mit. Ob jetzt Liebe oder Freundschaft gemeint ist, wenn es heisst «Wir sind für immer zusammen kaputt. Von hier bis zur Ewigkeit, keiner nimmt uns die Zeit.», ist letztlich unwichtig. Der wahrscheinlich beste Song auf der Platte funktioniert über die Meta-Ebene im Bezug auf alle langjährigen Beziehungen.

 

Eingespielt wurde das Album als Trio. Neben Grundhass, der Gitarre und Bass sowie Instrumente wie Klanghölzer, Mandoline oder Glockenspiel zum Klingen gebracht hat, spielten Johannes Juschzak am Schlagzeug und Ole Fries an allem «was sonst noch so zu hören ist», wie im Booklet zu lesen ist, aktiv mit. Entstanden ist das Album zwischen März und September 2020 im Cap Sound Studio in Berlin-Neukölln. Es ist also, wenn man so will, zwangsläufig ein Corona-Album ohne das Virus zu thematisieren. So schliesst sich ein kleiner Bogen zum eingangs erwähntem Video.

 

Grundhass - «Diggi gibt Kohle»

 

Der Name Grundhass ist natürlich an sich schon ein provokantes Spiel mit den Vorurteilen der Menschen. Jedenfalls erwischt man sich selbst bei Assoziationen an frustrierte, tiefzynische und harte Songs, wenn man den Namen erstmals hört. Da spielt aber der Wahlberliner, der ursprünglich aus dem Sauerland stammt, nicht mit. Lieber testet er sein Publikum, bringt amüsante Spasssongs wie «Radiohead im AJZ», natürlich mit Seitenhieb an teure Konzert-Shirts, oder mit «Flixbus» eine herrliche Ode an die Liebe über weite Distanzen und dem aus Geldnot nötigen Nutzen von Flixbus mit allen Konsequenten. «Ich fahre Flixbus, denn ich bin total verliebt». Eine schöne Idee in ihrer Originalität und doch so zynisch, dass sie von Die Ärzte sein könnte.

 

Der einzige Fehltritt

 

Der Tiefpunkt der Platte ist leider «Jauchegrube». Natürlich ist ein Name wie Günther Jauch nicht überall beliebt und Kritik muss und darf grundsätzlich sein. Aber hier verliert sich Grundhass für einmal komplett, weil er textlich einfach nur grässlich platt und pubertär bleibt. Selbst wenn die Idee irgendwann als Kritik am immer roheren Umgang der Menschen, gerade in Zeiten der Pandemie, geplant gewesen sein sollte, ist der Ansatz zu einfach und gegen den Zeitgeist. Im Endeffekt bleibt nur eine Aussage à la «Mir passt dein Gesicht nicht, darum haue ich mal rein», was einer sinnlosen Gewaltandrohung gleichkommt. Das ist äusserst schade, weil es dem Debüt «Wenig los» eine hässliche Schramme verpasst, die so nicht hätte sein müssen. Nicht zuletzt, weil Zeilen wie «Das ist so ein Typ in den Medien, ich halte seinen Anblick nicht aus. Ich will mich in seiner Fresse verewigen, sein Name ist Günther Jauch» jegliche Ironie fehlt. Umschalten würde gegen den Frust helfen. Zum Glück bleiben diese 1:48 Minuten der einzige Fehltritt auf dem Debüt von Grundhass.

 

Besser ist Grundhass sowieso, wenn er sozialkritisch bleibt oder Situationen direkt aus Leben aufmerksam beobachtet und in sorgfältig gewählte Worte ausdrückt. Dazu verstecken sich sanfte Referenzen an Kollegen, vielleicht sogar Vorbilder. Wer will, findet beispielweise bei «Andersrum» durchaus Aspekte von Green Days «American Idiot». Wer also den Namen Grundhass liest, sollte sich nicht täuschen lassen, denn der junge Songwriter mit Punk-Attitüde verdient durchaus, dass man ihm zuhört. 

 

Grundhass legt mit «Wenig los» ein bemerkenswertes Debüt vor. Vor allem auf der lyrischen Seite zeigt der Songwriter kreativen Wortwitz und grosses Talent.

 

 

Bäckstage Redaktion / Do, 18. Mär 2021