Wenn der (vorläufig) letzte Vorhang fällt.

Konzertkritik: Jennifer Rostock im Volkshaus
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Bäckstage / © Sandra Rohrer

Die Schlange vor dem Volkshaus in Zürich war lang. Schliesslich wollten alle in das letzte Konzert der deutschen Punk-Rock-Band Jennifer Rostock vor der von der Band verkündeten kreativen Pause. Seit zehn Jahren ist die Band, die von der Insel Usedom stammt, ein Begriff. Angefangen hat alles mit der Debüt-Single «Kopf oder Zahl». In den zehn Jahren danach konnte sich die Band um Frontfrau Jennifer Weist einen hervorragenden, wenn auch gelegentlich kontroversen Ruf erspielen. Die Band setzt sich nämlich gegen Ungerechtigkeiten oder soziale Missstände ein. Dabei bleiben sie, ganz Punk, ihrer Linie pickelhart treu. So stand der Abend in Zürich unter dem Mott «Best of» oder wie es bei Jennifer Rostock augenzwinkernd heisst: «Worst of». 

 

Von Beginn an waren Jennifer und ihre Band in guter Stimmung. «Danke, dass ihr alles mit uns durchgestanden habt», sagt sie irgendwann im Set, «egal, ob komische Outfits, Scheissfrisuren und mehr». Die Menge feierte die Band und das mit den Outfits war durchaus wörtlich zu verstehen. In Zürich eröffnete Jennifer in knappen Höschen und Puscheljacke. Später trug sie eine Art Cheerleader-Uniform, kleidete sich im Lauf des Konzertes ganz in Schwarz mit pinken Elementen oder silbrig mit kleinen Spiegeln. Dazwischen stand sie in Jogging-Outfit oder im BH und zum Schluss in Hot Pants auf der Bühne. Witzig war, dass viele Outfits im Dunkeln leuchteten. Jennifer Weist ist sich der Rolle als Frontfrau sehr bewusst und sie versteht es auch, ihre Reize einzusetzen. 

 

Fotos: Bäckstage / © Sandra Rohrer 

 

Das ist konsequent, aber nicht billig. Jennifer Rostock machen jedoch nicht nur auf «sex sells», ihre Shows sind musikalisch energiegeladen und kraftvoll und vielleicht sind die Outfit-Wechsel durchaus eine kleine Kritik an Konzerte, die mehr Show als Musik sind. Sonst trägt Jennifer bei Konzerten nämlich meist nur ein Outfit. Allerdings ist sie blitzschnell beim Umziehen, da kann sich mancher Act eine Scheibe abschneiden, und so wurde der Fluss der Show nie gestört. Kann gut sein, dass die Outfits bewusst als spezieller Teil der «Best of»-Tour gedacht sind. Bei Jennifer Rostock geht aber die Post sowieso ab, egal was die Band trägt. In Zürich gar so heftig, dass noch während der ersten drei Songs einige Leute, die sich prügelten, dem Saal verwiesen wurden. Unnötig und schade, gerade bei einer Band, die sich gegen Gewalt und Hass einsetzt. 

 

Als Highlight im Set zeigte sich «Schlaflos», ein berührender Song über die Zeit, wenn es still wird und der Kopf zu denken beginnt. Im Song scheint es um eine Trennung zu gehen und um deren Verarbeitung. Der Song ist beliebt und offenbarte auch in Zürich seine Wirkung. Und irgendwann schrie ein weiblicher Fan: «Jenni ich will ein Bier von dir!»

 

Das volle Programm 

 

Rocker würden kein Unplugged machen, kokettierte die Band, machte dann aber genau das und lieferte mit «Irgendwo anders» einen ruhigen, bewegenden Moment. Da blitzt die leise Selbstironie, die Jennifer Rostock sorgfältig pflegen, durch. Hat funktioniert, sogar sehr gut. 

 

Dazwischen gab es Konfetti, Stage Diving und viel Interaktion mit dem Publikum. Das volle Programm, authentisch und charmant. Man hat deutlich gemerkt, dass Jennifer Rostock einiges an Erfahrung vorweisen können und einen riesigen Spass am Job als Band haben. So waren auch die Reaktionen, die wir nach dem Konzert mitbekommen haben, praktisch nur positiv bis euphorisch. Nach zwei Stunden war Schluss und der (imaginäre) letzte Vorhang vor der Bandpause fiel.  

 

Es gab diesen Moment, in dem Jennifer Weist wie Wonder Woman auf der Bühne stand. Sie ist es dann auch, die das Konzert mit einer unendlichen scheinenden Energie geprägt hat. Dazu eine Band zur Seite, die vor Spielfreude glüht. Hoffentlich müssen wir nicht zu lange auf die Rückkehr der Band warten. 

 

 

Sandra Rohrer / Di, 03. Apr 2018