SoKo: Ich date keine Frauen, die wie Männer aussehen!

Interview mit SoKo @Mascotte, Zürich
Bildquelle: 
Bäckstage / © Stephane Kaeser

Die Haare wie Andy Warhol - blond, kurz und fransig. Ein Vintage-Band-T-Shirt von The Smith. Ein Blazer in Leoparden-Optik und die Basecap ins Gesicht gezogen. So sass SoKo auf einem Klappstuhl, in einem Kellerraum des Zürcher Mascotte und postete noch kurz auf Facebook ein Bild vom Soundcheck, bevor wir sie zum Interview trafen. SoKo sprach mit uns über ihre Bisexualität, ihre Träume und das neue Album «My Dreams Dictate My Reality».

 

Wie geht’s dir?

Mir geht’s grossartig! Letzte Nacht war ich in Wien und die Nacht davor haben wir in Berlin gespielt. Zwei ausverkaufte Konzert hintereinander.

 

Stimmt. Ich hab deine Posts auf Facebook gesehen. Wessen Hintern war das eigentlich den du da geküsst hast?

(lacht) Wirklich jedes Mal will irgendwer, dass ich auf dem Hintern oder der Brust unterschreibe. Das ist so ziemlich jede Nacht passiert, als wir durch die USA getourt sind. Christin, meine Bassistin, hat angefangen das zu filmen, weil sie es einfach so lustig fand. Das haben dann natürlich wieder andere gesehen. So kamen immer mehr darauf, dass es doch echt lustig ist und jetzt muss ich eben auf Hinterteilen und Brüsten unterschreiben. Zugegeben ich find das Ganze auch echt lustig. (lacht)

 

Mehr Hinterteile von Frauen als von Männern?

Beide. (lacht)

 

Gerade erst hast du dein zweites Studio-Album «My Dreams Dictate My Reality» rausgebracht. Das hört sich ganz nach einem Statement an.

Ich würd es wohl eher als eine Art Lebensmentalität bezeichnen. Statt zum Opfer seiner Emotionen zu werden, Eigenverantwortung zu übernehmen. Statt sich Gedanken darüber machen, warum das Leben nicht so läuft, wie man es sich gedacht hat, es einfach selbst in die Hand nehmen. Das war so ein Schlüsselmoment in meinem Leben, der letztlich alles verändert hat. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, glücklicher zu sein.

 

Was genau steckt dahinter?

Puuh. Dahinter stecken jede Menge Bedeutungen. Als ich 22 Jahre alt war, hatte ich einen Traum. Und zwar, dass ich in L.A. leben würde. Als ich aufwacht bin, habe ich meine Sachen gepackt und bin am nächsten Tag nach L.A. geflogen. Jetzt lebe ich schon seit 7 Jahren dort. Als Kind hatte ich jede Nacht Alpträume. Ich dachte damals, dass meine Alpträume auch Menschen im wahren Leben töten würden. Das zumindest ist eine der Bedeutungen von «My Dreams Dictate My Reality». Als ich älter wurde, habe ich angefangen ein Traum-Tagebuch zu führen über Träume, Ziele und Sehnsüchte, die ich habe. Ich setzte mich stark mit meinen Träumen auseinander und versuche sie auch zu interpretieren, um deren Bedeutung zu verstehen. Ich versuch einfach mehr, mich auf meine Instinkte zu verlassen.

 

Hast du deine spontane Entscheidung nach L.A. zu ziehen je bereut?

Nein, kein Stück. Ich bin super glücklich.

 

Würdest du dich selbst als Träumerin bezeichnen?

Total. Ich hab immer verrückte Träume. (lacht)

 

Bist du eine Tagträumerin?

Absolut. Ich muss ständig diese imaginäre Seifenblase um mich herum haben. Ich brauche viel Zeit für mich alleine um nachzudenken und in meinem Kopf zu wühlen.

 

Dein neues Album «My Dreams Dictate My Reality» hört sich ziemlich anders an im Vergleich zu deinem Debüt-Album «I Thought I Was An Alien». Wie kommt das?

Naja, nicht wirklich. Hmm. Wobei, eigentlich schon. Der erste Song auf dem ersten Album «I Just Wanna Make It New With You», den habe ich am Bass und an den Drum Machines geschrieben. Alles was ich für das zweite Album geschrieben habe, habe ich auch am Bass und an den Drum Maschines oder am Bass und am Keyboard geschrieben. Das war eigentlich ziemlich die gleiche Vorgehensweise wie schon beim ersten Album. Aber irgendwie wollte ich auch etwas Neues ausprobieren. Ich höre viel Post-Punk, Punk, New Wave und 80’s-Sound. Ich wollte keinen Unterschied mehr machen zwischen der Musik, die mir gefällt und der Musik, die ich selbst mache. Darum habe ich beides zusammengepackt.

 

Gab es Musiker, die dich besonders beeinflusst haben während du das Album geschrieben hast?

Beim Schreiben? Zugegeben, mein absoluter Lieblingsbassist ist Simon Gallup von The Cure. Ich selber bin eine wirklich grausame Bassistin. Ein Teil von mir würde gern so spielen können wie Simon Gallup. Was das Schreiben angeht, glaube ich, das ist seit jeher gleich geblieben. Das kommt von einem so verletzlichen Teil in mir und ist einfach sehr persönlich. Ich bin ein totaler Musik-Nerd. Ich höre praktisch ununterbrochen Musik. (lacht)

 

Das Thema Tod und das Gefühl jemanden zu verlieren sind Motive, die in deiner Musik sehr präsent sind. Wie kam es dazu?

 

Mein Vater ist gestorben, als ich 5 Jahre alt war. Diese Erfahrung hat mich geprägt. Immer wieder wurde ich damit konfrontiert. Das war bestimmt der Hauptgrund, warum ich irgendwann dann auch angefangen habe darüber zu schreiben. Das Thema Tod hat mich immer wieder eingeholt und wurde so zu einer Art immer wiederkehrenden Konstanten in meinem Leben.

 

«Who Wears The Pants» dreht sich um Stereotypen und Klischees in homosexuellen Partnerschaften.

Ich bin bisexuell und ich kann’s einfach nicht mehr hören, wenn Leute Sachen sagen wie: «Wenn du mit Männern ausgehst, bist du also die Frau und wenn du mit Frauen ausgehst bist du der Mann?» Nein, ich habe keinen Penis. Auch wenn ich mich mit Frauen treffe, ändert das nichts daran, dass ich eine Frau bin. Ich bin glücklich, eine Frau zu sein.

 

Also prangert «Who Wears The Pants» all die veralteten Vorstellungen bezüglich Rollenverteilungen in homosexuellen Beziehungen an?

 

Ja, asolut! Wenn ich als Frau mit einer Frau ausgehe, dann ändert sich doch nichts daran, dass wir beide Frauen sind. Nur weil man als Frau bi oder lesbisch ist ,bedeutet das doch nicht, dass man ein Mann sein will. Ich steh auf Frauen. Auf feminine Frauen. Ich date keine Frauen, die wie Männer aussehen. Wenn ich eine Frau daten will, die wie ein Mann aussieht, kann ich auch ebenso einen Mann daten.

 

Dein Lieblingssong auf dem neuen Album…

Ich denke «Visions», vor allem wegen den Lyrics: «Forgive the once you hate the most…». Im Song verarbeite ich meine Kindheit, den Tod meines Vaters und meine Visionen, die ich damals hatte. Träume, in denen ich meinen Vater immer wieder habe sterben sehen. Darüber zu schreiben hat mir geholfen, ein Stück weit loszulassen. Für mich war das eine Art Selbsttherapie. Mir selbst dafür zu vergeben, dass ich mich für den Tod meines Vaters als Kind lange Zeit verantwortlich gefühlt habe.

 

Vor einem Jahr ging der «First Kiss»-Clip von Tatia Pilieva viral. Du hast nicht nur selbst mitgespielt sondern mit «We Might Be Dead By Tomorrow» auch den Soundtrack beigesteuert.

Oh ja. Das war eine echt tolle Sache. Eine absolute Herzensangelegenheit. Es freut mich, dass das Kunstprojekt solche Beachtung bekommen hat und es den Leuten gefällt.

 

In einem Interview hast du mal gesagt, dass du mit deinen blonden, kürzeren Haaren wie Andy Warhol aussiehst. Er war einer der bedeutendsten Vertreter des Pop Art. Wie wichtig ist Kunst für dich?

Extrem wichtig. Ich mag Visuals, mache auch selbst Artworks und bin auch für meine Albumcovers zuständig. Ich führ Regie bei meinen Musikvideos. Eigentlich mach ich alles gern, was mich kreativ hält. Ich mag das Handwerkliche.

 

Du bist Veganerin. Wie kam es dazu? Und was hältst du von dem momentanen Vegan-Trend?

Das ist eine gute Sache. Ich selbst ernähre mich vegan seit zehn Jahren und war davor seit meinem 5. Lebensjahr Vegetarierin, also 24 Jahre ganz ohne Fleisch. Ich finde es wesentlich besser, wenn Menschen einen Gesundheitstrend verfolgen, der ihnen gut tut, anstatt Drogen zu nehmen und selbstzerstörerisch zu sein. Diese Art von Bewusstsein in der Welt gefällt mir. Und das macht auch für mich das Leben als Veganerin leichter. Früher ging das gar nicht, wenn jemand gesagt hat er sei Veganer. Heute kennt irgendwie jeder jemanden, der Vegetarier oder Veganer ist. Ich habe das Gefühl die Leute sind was das angeht wirklich toleranter geworden.

 

 

Dominique Rais / Do, 02. Apr 2015