Chanelle Wyrsch: «Als Sandy muss ich mich zurückhalten»

Interview: Chanelle Wyrsch
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Pressebild / © Wolf Heider-Sawall

 

Nach ihrer Teilnahme bei «Deutschland sucht den Superstar» -  kurz «DSDS» - ist die Schweizer Sängerin Chanelle Wyrsch mit dem Erfolgsmusical «Grease» unterwegs. Was für Stimmübungen sie macht, wie sich die Rollen unterscheiden, wie sie sich auf das Musical vorbereitet und welche Rolle dabei ein Filzstift spielt, hat sie uns beim Gespräch im Theater 11 verraten. 

 

War dir «Grease» schon vorher ein Begriff?

Nicht als Musical, aber ich kannte den Film. Es gibt ja zwei verschiedene Filme. Den originalen und «Grease Live». Ich habe beide gesehen und beide gekannt. Und die Musik, die kennt eh jeder, der schon mal an einer etwas älteren Dorfparty gewesen ist. Da kommen dann ja schon die einen oder anderen Lieder. Also ich habe es schon gekannt.

 

Wie bist du zu «Grease – Das Musical» gekommen?

Angefangen hat es mit dem Duett mit Alex (Alexander Jahnke, Anm. der Redaktion) bei DSDS, wo wir gemeinsam «We’ve got tonight» gesungen haben. Dort haben uns die Produzenten von «Grease» entdeckt und gedacht, dass sie uns gut für das Musical gebrauchen könnten. Daraus ergab sich, dass Alex als Danny auf der Bühne steht und ich als Marty und Sandy. Ich tausche teilweise die Rollen.

 

Hast du sofort zugesagt?

Nein, also natürlich bin ich nicht sofort zum Musical gekommen. Eigentlich gibt es Auditions, bei welchen man vorsingen, vortanzen und schauspielern muss. Ich musste einfach in Berlin vorsingen. Danach haben sie gesagt: «Das mit dem Tanzen wird schon irgendwie klappen, das kannst du schon.»

 

Wie ist es, mit so vielen Personen gemeinsam auf einer Bühne zu stehen?

 

Es ist etwas ganz Anderes. Also ich muss sagen, bei «DSDS» hatten wir ja auch teilweise die Gruppenlieder gemeinsam performt. Aber dort bist du mehr dich selber. Jetzt ist jeder in seinem Charakter – jeder hat seine Figur und es ist schon ein bisschen anders zum Spielen. Aber es macht mega viel Spass. Wir haben es hinter der Bühne gut, wir haben es auf der Bühne gut. Das Ganze handelt ja von einer High-School und wir sind wirklich wie eine durchgeknallte Klasse, auf und auch hinter der Bühne.

 

Wie war der Umstieg von Schlager zu Rock n’ Roll?

Es ist Rock n’ Roll Musik, was ich privat auch gerne höre. Der Unterschied könnte drastischer sein. Zum Beispiel bei einem Disney Musical. Klar könnte ich auch klassisch singen. Die Lieder von Sandy sind teilweise sehr klassisch … also ich hätte kein Problem dies zu singen. Kürzlich war ich im «Tarzan»-Musical und dort waren schon recht viele klassische, märchenhafte, von Disney angehauchte langsame Lieder. Das ist bei «Grease» das Geile, es ist Tanz, es ist verwegen, es macht happy, auch wenn die Leute mit schlechter Laune hineinkommen, sie gehen danach gut gelaunt hinaus. Das ist wirklich das Geile daran. Ich habe mich definitiv in die Musik hineingelebt.

 

Wir führen das Gespräch auf dem Boden des Backstage-Bereichs, da sich Chanelle für den Auftritt als Sandy am Abend im Theater 11 vorbereiten muss.

 

Bereitest du dich jedes Mal so vor?

Bei Marty genügt es, wenn ich mich Schminke, meine Haare zurechtmache und die Perücke aufsetze. Dazu mache ich Liegestützen oder ein paar Kniebeugen, um warm zu werden. Als Sandy ist es eigentlich weniger. Man tanzt weniger, aber sie ist ein Cheerleader und dabei macht sie einen Spagat. Es sind halt andere Sachen, welche man beherrschen muss. Ich war die vergangen zwei Monate daran, den Spagat zu üben und verbinde diese Übung gerade mit beiden Figuren, auch wenn ich diese als «Marty» auf der Bühne nicht brauche. Da die anderen eh auch dehnen, dehne ich mit ihnen.

 

Dehnt ihr in diesem Fall zusammen?

Das Dehnen nicht. Aber das Warm-up etc. machen wir gemeinsam.

 

Bereitet ihr euch auch stimmlich gemeinsam vor?

Stimmlich wärme ich mich nur auf, wenn ich «Sandy» spielen muss, da sie sehr viele gesangliche Auftritte hat. Als Marty eher weniger.

 

Obwohl du auch ein Solo als Marty hast?

Ja, als «Marty» habe ich zwar auch ein Solo, aber dieses ist in meiner Stimmlage. Ich muss mich nicht gross darauf vorbereiten. Es genügt, wenn ich den ganzen Tag spreche.

 

 

Als «Marty» bin ich mich selber, einfach viel extremer. Ich kann wirklich ich selbst sein und denken: «So, jetzt hausch eifach nochli use».

 

Mit welcher Figur kannst du dich besser identifizieren?

Das ist ganz klar Marty. Ich denke, ich bin auch im richtigen Leben zum Teil eine «echte» Marty. Als Marty bin ich mich selber, einfach viel extremer. Ich kann wirklich mich selbst sein und denken: «So, jetzt hausch eifach nochli use».

 

Als Sandy muss ich mich ziemlich zurückhalten. Als Marty berühre ich mich auch mal am Po oder an den Brüsten oder fasse mir in die Haare … man darf halt wirklich auch «tussimässig» rüberkommen. Was ich ja auch im echten Leben ab und zu mache. Als Sandy heisst es, vor allem bis zum letzten Lied, sich zusammenreissen, nicht irgendwie in den Haaren herumwuscheln oder sonst irgendetwas. Man ist ein Klostermädchen und musst dies auch so rüberbringen. Es ist eine sehr ruhige Rolle, du musst sehr ruhig sein, was mir zum Teil sehr schwer fällt. Deshalb ist es für mich schon schwierig, die Sandy zu spielen, da ich mich selber runterbringen muss mit «chill, bis ruhig», einfach gemütlich und «bis es Meitli». Das muss ich schon im Hinterkopf haben. Ausser am Schluss, wenn es den Outfitwechsel gibt, dann darf ich wieder mich selbst sein.

 

Was ist dein Ritual vor der Show? Bist du in dich hineingekehrt, damit du dich gut in die Rolle hineinversetzen kannst?

 

Nein, eigentlich nicht. Hinter der Bühne bin ich immer noch Marty, auch wenn ich auf der Bühne Sandy spiele. Aber man hat auch andere Kleider und damit fühlt man sich gleich anders. Man hat eine Perücke an – brav mit dem Pony. Auch die Kostüme machen sehr viel aus. Als Marty habe ich sehr oft enge Hosen an und bauchfrei – eher sexy. Als Sandy hast du eher Tüll und die weiteren Kleider an. Dies ist halt für das Feeling schon recht viel anders.

 

Wie steht es bei dir mit der Nervosität?

Wenn ich Marty spiele, bin ich nie nervös … nicht mehr. Am Anfang war ich natürlich auch als Marty nervös. Inzwischen aber nicht mehr. Da ich meine Sätze und Einsätze kenne, fühle ich mich eigentlich sicher. Wenn ich Sandy spiele, bin ich schon nervös, da es gesanglich wirklich eine Herausforderung und natürlich die Hauptrolle ist. Du weisst: «All eyes on you». Dann ist es halt schon noch ein bisschen anders. Dazu kommt, dass ich Marty bis jetzt 60 bis 70 Mal gespielt habe und Sandy das 5. Mal. Das spielt auch eine wichtige Rolle. Aber ich spiele beide Rollen sehr gerne.

 

Spielt es eine Rolle, ob du in Deutschland oder Zuhause spielst?

Ja, schon. Das erstes Mal musste ich Sandy in Deutschland spielen, als Veronika Riedl (Erstbesetzung von Sandy, Anm. der Redaktion) krank war. Dort war ich überhaupt nicht nervös, da ich wirklich ins kalte Wasser geworfen worden bin und dachte, dass ich die Leute im Publikum ja eh nicht kenne. Hier ist es schon anders. Du weisst, die Grosseltern, Tanten oder sonstige Verwandte, Kollegen oder Bekannte und vor allem die Presse sitzen im Publikum.

 

Tanz, Gesang und Choreographie sind schon eine Herausforderung? Wie lange habt ihr gearbeitet bis alles gesessen hat. Was fiel dir am einfachsten?

 

Das hat schon eine Weile gedauert. Wir hatten eine 5-wöchige Probezeit mit dem gesamten Grease-Team. Dort hast du schon gemerkt, wer aus der Musical-Schule kommt und wer nicht. Man hat schon gemerkt, dass das für Alex und mich neu gewesen ist. Die anderen hatten einige Schritte einfach schneller intus, da sie alle Profis sind. Die einen haben schon Musicals gemacht oder sind gerade von der Schule gekommen. Diesen Unterschied hat man definitiv am Anfang gesehen. Aber das Team hat uns sehr gut unterstützt und auch nach den Proben haben wir einige Schritte geprobt. Mein Tanzpartner sagte zum Teil: «Komm diesen Schritt üben wir nochmals.» Deshalb brauchten wir am Anfang schon etwas länger, vor allem, da wir alles miteinander gelernt haben. Also in der ersten Woche hast du alle Tänze gelernt, welche dann die nächsten 4 Wochen repetiert worden sind. Dies ist für einen Anfänger natürlich schon ziemlich viel auf einmal. Zuerst übst du die Tanzschritte und wenn du diese beherrscht, kannst du damit anfangen, dich in deine Rolle hineinzuversetzen. Das Ganze mit Kostüm und Perücke dazu und mit allen anderen zusammen. Es ist ein Aufbau. Schritt für Schritt. Aber es ist möglich – auch ohne Ausbildung.

 

 

Ich übe mit einem Kugelschreiber oder Stabilo. Diesen nehme ich quer ins Maul. Dies hilft mir für den Klang des Tons.

 

Improvisiert ihr manchmal? Oder sprecht ihr strikt nach Drehbuch?

Du hast schon deine vorgegebenen Schritte und Sätze, die du einhalten musst. Klar, es passiert schon, dass jemand mal einen Satz anders betont oder zwei, drei Wörter hinzufügt. Aber eigentlich solltest du dich schon an die Schritte und Sätze und deinen Weg halten. Da wir ein ganzes Team sind, besteht die Gefahr, dass du kollidierst, wenn irgendjemand denkt: «ich laufe mal einen anderen Weg». Also es ist eigentlich nicht möglich. Es hat auch schon jemand seinen Satz vergessen und dann mussten alle improvisieren und da hat man dann gemerkt, dass wir gar nicht so gut sind im Improvisieren.

 

Machst du bestimmte Stimmübungen?

Ich übe mit einem Kugelschreiber oder Stabilo. Diesen nehme ich quer ins Maul. Dies hilft mir für den Klang des Tons.

 

Also für die Aussprache?

Nicht einmal für die Aussprache. Vor allem bei Sandy ist meine Stimme tiefer als jene von Veronika (Veronika Riedl, Anm. der Redaktion). Damit meine Stimme heller und mädchenhafter klingt, muss ich lernen, den Mund zu öffnen und mit einem Lachen zu singen. Dabei hilft der Stift, da der Mund dann automatisch offen ist und die Töne total anders klingen.

 

Was für Pläne hast du nach dem Musical? Hast du überhaupt schon Pläne?

 

Nein, momentan habe ich noch gar keine Pläne. Wir wissen auch noch nicht, ob die Tour verlängert wird. Das heisst es könnte eine Verlängerung geben, ich könnte noch länger mit «Grease» unterwegs sein. Ich habe noch gar nicht so weit geschaut, da ja auch erst Februar ist. Ich nehme es wie es kommt, das habe ich bei «DSDS» schon so gemacht. Dort wusste ich zuerst auch nicht, wie es genau weitergeht. Danach hat sich automatisch die nächste Tür – die «Grease»-Türe geöffnet. Deshalb mach ich das jetzt so lange ich kann, so lange wie ich Lust habe, so lange ich noch mag. Danach schaue ich weiter, vielleicht geht ja eine neue Tür auf. Zusätzlich habe ich auch noch ein paar Sachen im Hinterkopf, wenn das mit der Musik nicht mehr funktionieren würde. Ich bin ja ausgebildete Kauffrau, ich könnte jederzeit zurück ins Büro, meinem Vater helfen … also habe ich schon genug Möglichkeiten, etwas zu finden, falls es mit der Musik nicht mehr klappen würde. Aber bis nächsten Sommer habe ich alles andere abgesagt.

 

Weisst du jeweils vorher, wann du Sandy und wann du Marty spielst?

Für Zürich haben sie mir die fixen Daten gegeben, damit ich mich darauf vorbereiten konnte und so kann ich das auch auf den Sozialen Medien wie Facebook veröffentlichen. Aber in einem Krankheitsfall erfahre ich es erst im Laufe des Morgens oder Mittags. Am Anfang bin ich so aufgestanden à la: Heute wird ein guter Tag. Dann schaute ich auf’s Handy und dachte: Heute wird kein guter Tag.

 

Wer ersetzt dann deine Rolle?

Mich ersetzt jemand vom Ensemble, von den Tänzerinnen.

 

Gibt es in nächster Zeit neue Musik von dir? Hast du etwas geplant?

Nein, im Moment habe ich gerade nichts geplant. Meine ganze Konzentration gilt dem Musical. Ich habe auch im Moment keine Schlager-Auftritte angenommen, da ich gesagt habe, dass ich mich auf ein Engagement konzentrieren will und nicht tausend Sachen anfangen möchte. Deshalb wird man erst nächsten Sommer oder nächsten Herbst sehen, ob dort etwas passiert oder nicht. Ich sage definitiv nicht nein. Ich wäre auch nicht abgeneigt, aber die Situation muss stimmen. Das werden wir dann nächsten Sommer sehen.

 

Vielen Dank für deine Zeit Chanelle.

  • Grease läuft noch bis zum 4. Februar im Theater 11 in Zürich
  • Ab 25. August ist «Grease» in Bern, St. Gallen und Basel zu sehen. 
  • Infos dazu gibt es auf der Website des Veranstalters

 

Kellin Dalcher / Do, 01. Feb 2018