Sugar Man mit Charme

Konzertkritik: Sixto Rodriguez im X-Tra
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Bäckstage / © Patrick Holenstein

Als Sixto Rodriguez die Bühne betritt, erinnert die Stimmung im X-tra ein wenig an die YouTube-Videos seiner ersten Konzerte in Südafrika. Am 6. März 1998 beispielsweise, da spielte der bislang Totgeglaubte ein Konzert vor einer kreischenden Menge. Das Publikum war ausser sich vor Begeisterung, so dass Rodriquez vor lauter Euphorie minutenlang gar nicht singen konnte- nur die Bassklänge wiederholten sich scheinbar endlos. Und ein kleines bisschen ist dies auch der Fall, als der merklich gealterte Künstler vergangenen Mittwoch zu seinem einzigen Schweizer Konzert ansetzt. Das Publikum klatscht ausgelassen, und eine ergreifende Mischung aus Freude, Bewunderung und Demut ist im Saal zu spüren. Das ist er also, der Musiker mit seiner schier unglaublichen Geschichte.

 

Der Saal ist gut gefüllt, Jung und Alt hat sich erwartungsvoll versammelt. Als Rodriguez sein erstes Lied anstimmt, hat er das Publikum bereits auf seiner Seite. Seine Stimme ist kernig und tief, hat aber an Kraft verloren. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass der Sound teils mangelhaft abgemischt ist, sodass E-Gitarre und Schlagzeug des Öfteren an Überhand gewinnen. Sowohl Rodriguez´ Gitarre, als auch sein Gesang gehen dabei fast ein wenig unter. 

 

Fotos: Patrick Holenstein

 

Der US-Amerikaner mit mexikanischen Wurzeln trägt eine schwarz-glänzende Lederhose mit Weste, dazu einen schwarzen Schlapphut, der nahezu sein ganzes Gesicht verdeckt. Ganz der Rocker könnte man meinen, aber so richtig stimmen will der Eindruck nicht. Rodriguez, der am 10. Juli seinen 74sten Geburtstag feiert, wird beim Gehen gestützt, seine Haltung ist gebückt. Anstatt zwischendurch zu einer Flasche Bier zu greifen, trinkt er aus weissen Tassen. 

 

Der Künstler mit indianisch anmutenden Gesichtszügen gibt sich zurückhaltend, fast schüchtern. Er dankt dem Publikum, indem er jeweils seinen Hut anhebt und in die Menge grinst. Lange muss das Publikum warten, bis er schliesslich einige Worte sagt. Und auch da geht eine Welle der Rührung durch den Saal, als hätte der Messias persönlich gesprochen. Eine Art Aura scheint diesen Menschen zu umgeben, geheimnisvoll und liebenswert zugleich. Ein brillanter Singer-Songwriter, ein Unikum. 

 

Teilweise droht das Konzert etwas abzuflachen, da Rodriguez wohl nicht der geborene Unterhalter ist und nur wenig zur Publikumsanimation beiträgt. Er ist einfach. Sein Repertoire umfasst eigene Kompositionen und auch ältere Rocksongs wie zum Beispiel «somebody to love» von Jefferson Airplane. Als er seinen Hit «Sugar man» ansingt, steigt der Dezibelpegel im Raum rapide an. Das Publikum würdigt sein Schaffen, der Altmeister dankt es ihm mit knapp neunzig Minuten Ohrenfreuden. Es ist seine Geschichte die beeindruckt, sein bescheidener Auftritt, und nicht zuletzt verzaubern seine eingängigen Songs.

 

Ein solide gespieltes Konzert von einem gealterten Folk-Singer-Songwriter. Seine Songs: jeder ein kleines Meisterwerk. Rodriguez zieht das Publikum mit seinem Talent und seiner Ausstrahlung in seinen Bann.

 

Katja Nosswitz / Fr, 08. Jul 2016