Musik für's Auge

Konzertkritik: David Garrett
Bildquelle: 
usgang.ch

Schon Robbie Williams schmetterte an gleicher Stätte «Let me entertain you» ins Mikrophon und brachte die Menge zum Kreischen. Am Donnerstagabend betrat Stargeiger David Garrett zu ebendiesem Stück die Bühne des Hallenstadion in Zürich. Oder besser gesagt, er glitt über den Köpfen der Zuschauer hinweg und machte Herrn Williams in Punkto erhöhter Kreischpegel Konkurrenz. Es ist dieses Jahr das einzige Konzert von Garretts «Classic Revolution»-Tournee auf Schweizer Boden.

Begleitet von der Neuen Philharmonie Frankfurt und einigen Tänzerinnen und Tänzern des Deutschen Fernseh-Balletts bot Garrett eine durchstrukturierte Show aus Musik, Tanz, Licht, Feuer und gegen Schluss viel Goldlametta.

 

David Garrett ist ein Rockstar. Er sieht in seinen verwaschenen Jeans, weissem T-Shirt, schwarzem Blazer und Silberschmuck zumindest wie einer aus. Zudem trägt er die Haare lang und blondiert. Die meiste Zeit hat er sie lässig gebunden. Im Eifer des Spiels lösen sich immer wieder ein paar störrische Strähnen. Gelegentlich lässt er seine Haare dann auch, Windmaschine sei Dank, um seinen Kopf wirbeln, während zwei Grazien um ihn herum tanzen. Charmant ist er auch noch, etwas Selbstironie kommt dazu und natürlich darf sexy in der Aufzählung nicht fehlen. Ganz im Sinne von, Musik muss auch was für’s Auge sein.

 

                  (Quelle: usgang.ch) 

 

Doch Garrett nur in diese Schublade zu stecken, wäre unfair. Schliesslich lockte der gebürtige Aachener zig Menschen zu seinem Crossover-Konzert (Kreuzung von verschiedenen Musikstilen) ins Hallenstadion. Von jung und alt über elegant und punkig bis weiblich sind alle Kategorien vertreten. Nicht zu vergessen sind natürlich die Männer. Eines darf im Wirbel der visuellen Überreizung nicht vergessen werden, Garrett ist auch ein begnadeter Violinist, der sein Instrument wie kein Zweiter beherrscht und mit solch Hingabe spielt, dass es schwer fällt sein Talent zu ignorieren. Vor allem bei den klassischen Stücken wie Mozarts «Lacrimosa», «Dies Irae» von Verdi oder Beethovens «Pathétique» scheint sich David Garrett in der Musik zu verlieren. Sein Oberkörper bewegt sich fast schon epileptisch und seine Gesichtszüge verzerren sich mit jeder Note, die er spielt.

 

 

Ebenfalls wäre es unfair die ganze musikalische Leistung der Show nur auf den Stargeiger zu reduzieren, denn ein ganzes Team aus ebenfalls talentierten Musikern begleitet Garrett auf seiner Tournee. Nebst der Neuen Philharmonie Frankfurt und einigen Tänzerinnen und Tänzer des Deutschen Fernseh-Balletts wird David Garrett noch von Franck van der Heijden, Jeff Lipstein, Marcus Wolf, Jeff Allen sowie John Haywood begleitet. Und das Aufgebot an hochwertigen Musikern spiegelt sich in der Qualität der Musik der «Classic Revolution»-Tour wieder. Man kann auch eine Zeit lang die Augen schliessen und wird ohne die ganze Bühnenshow trotzdem mitgerissen. Die Mischung aus klassischen und moderneren Stücken, Balladen und Rocksongs macht die Musik. Die älteren Generationen dürfen sich über «Baila Me» von den Gypsy Kings oder «I have a dream» von ABBA freuen, die etwas jüngeren über Miley Cyrus «Wrecking Ball» oder Coldplays «Paradise».

 

Am Ende scheint Garretts Plan aufzugehen. Die Zuschauer sind begeistert von der Show und der Musik. Er hat ihnen ein Stück weit klassische Musik näher gebracht. Und unter den ganz kleinen Zuschauern dürfte der eine oder andere sein, der demnächst Geigenunterricht nehmen wird, weil der Geiger auf der Bühne ganz schön cool war und sein Verspreche hielt: He came, played and entertained. 

 

 

Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von usgang.ch. Die ganze Galerie gibt es HIER

catarina martins / Fr, 24. Okt 2014