David Garrett: Fulminant und Furios

Konzertkritik: David Garrett im Hallenstadion
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Bäckstage / © Patrick Holenstein

Der Start ist fulminant: «Dangerous» setzt den Auftakt und aus David Guetta wird David Garrett. Dieses Stück gewinnt noch an Schnelligkeit und Spannung. Das Publikum ist sofort voll dabei.Nach einer herzlichen Begrüssung und einem kleinen Seitenhieb an die Anonymität und die dubiose Macht der Sozialen Medien aufgrund jüngster Berichterstattungen aus seinem Privatleben schliesst David mit dem Zitat «… the cold never bothered me anyway.» Eine perfekte Überleitung zu «Let It Go» aus Disney’s «Frozen». Nebel steigt auf und hüllt das Orchester ein … nicht nur die Kleinen im Publikum werden von der mystischen Atmosphäre verzaubert.

 

Mit Led Zeppelin und «Kashmir» wird das Publikum aber gleich wieder aus der Märchenwelt zurückgeholt – und nach einem humorvollen «Ghostbusters» (inklusive Marshmellow-Man) hat sich David einen kleinen Test ausgedacht: Ein Quiz soll auch den Klassik-Fernen im Publikum zeigen, dass sie doch eine Ahnung von Klassik haben. Mühelos schüttelt David die bekannten Melodien grosser Komponisten wie Beethoven, Mozart oder Bach aus dem Ärmel. Viele nicken und scheinen zu denken: «Ah, ja, genau, das kenne ich ja.» Und man bekommt Lust, das alte Piano abzustauben, zerknitterte Klaviernoten hervorzukramen und die ersten Takte von Tschaikowskis Klavierkonzert Nr. 1 zu versuchen.  Man kann also sagen: David hat sein Ziel, die Menschen für die klassische Musik zu begeistern, erreicht.

 

«Explosive» und Lieblingsstück der Mutter

 

Mit dem Orchester der Neuen Philharmonie Frankfurt spielt David Covers – u.a. «Purple Rain» oder «Live and Let Die» – und bei einem Gastauftritt von Sängerin Edita (Gewinnerin von X-Factor 2010) spielt er mit ihr einen Song seiner Schwester; mit «Midnight Dance» bringt er das Lieblingsstück seiner Mutter. Dass ihm als Vollblutmusiker auch Eigenkreationen wichtig sind, betont er mit seinem Hit «Explosive» aus dem gleichnamigen aktuellen Album. Die Übergänge zwischen den meilenweit voneinander entfernten Stücken meistert er mühelos.

 

Bilder: © Patrick Holenstein

 

Aber was bei allem gleichbleibend ist, ist die hohe Emotionalität des Stargeigers – immer wieder entgleitet David auch bei höchst schwierigen Griffen ein Lächeln – man kann seine Freude an der Musik deutlich miterleben. Dem nicht genug, er gewährt mit einer besonderen Kamera-Einstellung Einblicke in seine Welt: Bei «Furious» werden die Hände des Stargeigers gefilmt und gleichzeitig werden darüber die Noten des Stückes visualisiert. Man kann ihm wortwörtlich auf die Finger schauen – wobei man weder zu folgen noch zu verstehen vermag, wie er das eigentlich macht. Ein absolutes Highlight!

 

Flotte Sohle des Deutschen Fernsehballetts zum Sirtaki 

 

Aus den Vollen schöpft David nicht nur mit topmodernen Lichterarrangements, sondern auch pyrotechnisch. Dem Meister des Crossover gelingt ein rasanter Mix zwischen Klassik und Electro Beats. «You’re the inspiration» – diesen Song widmet David jedem Einzelnen im Publikum und zeigt seinen Fans so seine Dankbarkeit für den Support, der sich nach jeder Einlage lautstark manifestiert. Dabei spaziert er fiedelnd durchs Publikum, um den Menschen so nah wie möglich zu sein. Beim Sirtaki legen die Tänzer des Deutschen Fernsehballetts eine heisse Sohle aufs Parkett. Selbst das Orchester konnte nicht stillsitzen und groovte lebhaft mit. Als seine hervorragenden Bandmitglieder vorgestellt werden, verlässt David bescheiden den Saal, um ihnen die volle Aufmerksamkeit zu überlassen. 

 

Doch auch nach mehr als zwei Stunden ist die Show noch nicht zu Ende. Es folgt das ultimative Battle: E-Gitarre vs. E-Geige. Nach einer rasanten Einlage von David und seinem Gitarristen sind die Fans nicht mehr zu halten. Standing Ovations. Mit seiner Version von Coldplays «Fix you» löst David Garrett einen magischen Moment aus: Tausende von Smartphones erhellen den dunklen Saal und als das Publikum am Schluss des Songs wieder begeistert von den Sitzen aufspringt, ist nicht nur David den Tränen nahe. 

 

Am Schluss schwebt über allem Davids grosse Liebe zur Musik. Mal wild, mal melancholisch, freudig oder … explosiv.

 

Esther Beck / Mi, 07. Dez 2016