Die schwedische Naturgewalt: Anna Ternheim

Konzertkritik: Anna Ternheim
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Facebook: Anna Ternheim

Eine stille, in sich gekehrte junge Schwedin mit knallgelben Gummistiefeln, einem zu grossen Kleid am Körper und einer akustischen Gitarre vor sich, auf einer scheinbar viel zu grossen Bühne, mit nichts anderem als einer Handvoll bezaubernder Folk-Songs im Gepäck − diese Vorstellung von Anna Ternheim muss man nun wohl endgültig begraben. Wer die Musikerin noch von ganz früher kennt, und wir reden hier von einem Zeitraum von vor über 10 Jahren, der wurde am vergangenen Samstag Abend im Zürcher Plaza endlos überrascht, und zwar positiv.

 

Elektrisierende Spannung in der Luft

 

Anna Ternheim ist aus ihren Singer/Songwriter-Schuhen definitiv herausgewachsen. Das zeigt sie momentan auf ihrer Europa-Tour mit einer fulminanten Show gemeinsam mit vier Mitmusikern. Das Set in Zürich war liebevoll und gewissenhaft mit Songs aus ihrer gesamten Karriere zusammengestellt und zeigte das ganze Spektrum ihres Talents und Schaffens. Nichts liess Ternheim aus: Mit ihrer kehligen und doch samtweichen Stimme sang sie sich durch träumerische Balladen, zweisprachige Popnummern, vorantreibende Rockhymnen und sperrige Indiesongs. Sie schaffte den Spagat zwischen jedem Song mühelos, auch wenn allesamt noch so verschieden im Ansatz und Stil waren. Denn Ternheim verlieh jedem ihrer kleinen Wunderwerke eine ganz eigene Handschrift, die sich wie ein rotes Band durch den ganzen Abend zog. Die Energie, die sie dabei mit ihren Musikern auf die Bühne brachte, war immens. Sogar während stillen Nummern, etwa, als sie mit ihrer Band gemeinsam im Chor den Song «Summer Rain» performte oder auch während den beiden allerletzten Zugaben, die sie alleine am Klavier und zuletzt sogar ganz a capella präsentierte, lag eine spürbar elektrisierende Spannung in der Luft. So war es auch im Zuschauerraum während des ganzen Konzerts andächtig still und der Applaus danach dafür umso überwältigender. Selten hatte man in Zürich bisher ein derart respektvolles und wohlwollendes Publikum erlebt. Es war, als wollten die Anwesenden nicht einen einzigen Ton dieses wunderbaren Abends verpassen.

 

Ausserdem trumpfte die Sängerin auch mit Charisma und Witz auf. Zwischen den Songs zeigte sie sich sehr gesprächig und erzählte oft die Geschichten und Anekdoten, welche zu ihren Liedern führten und plauderte ein wenig aus dem privaten Nähkästchen. So erfuhr man zum Beispiel, dass sie für fast zwei Jahre in Lausanne gelebt hatte und ihr da das Herz so richtig gebrochen wurde. Diese tragischen Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit führten aber glücklicherweise zu einem grandiosen musikalischen Output, den man in Zürich in seiner vollen Pracht miterleben durfte.

 

Natascha Evers / So, 10. Apr 2016