Ein guter Tag zum Sterben?

Movie-Kritik: Flatliners
Bildquelle: 
© Sony Pictures Releasing Switzerland GmbH

Was passiert mit uns nach dem Tod? Was fühlt und sieht man nach dem letzten Atemzug? Stimmen die Erzählungen von Menschen, die eine Nahtoderfahrung gemacht haben? Die Medizinstudentin Courtney (Ellen Page, «Juno», «Inception») ist nach einem traumatischen Ereignis daran interessiert, den Übergang vom Diesseits ins Jenseits wissenschaftlich zu erforschen. Ein riskantes Vorhaben, denn für ein solches Nahtoderlebnis darf ihr Herz nicht mehr schlagen. Mit der Unterstützung ihrer Kommilitonen Sophia (Kiersey Clemons, «Dope»), Jamie (James Norton, «Northmen: A Viking Saga»), Ray (Diego Luna, «Rogue One: A Star Wars Story») und Marlo (Nina Dobrev, «xXx: The Return of Xander Cage»), lässt sie sich in einem ungenutzten, aber voll ausgestatteten Bunker des Krankenhauses, in dem sie arbeitet, ins Jenseits befördern. Wieder unter den Lebenden, scheint sich Courtneys geistige Leistungsfähigkeit gesteigert zu haben. Sie ist in der Lage, alles, was sie je gelernt hat, ohne Mühe abzurufen. Das entgeht ihren Mitstudierenden natürlich nicht, die das Experiment nun ebenfalls am eigenen Leib durchführen möchten, ohne zu ahnen, dass sie dadurch eine Tür zu ihrer eigenen Vergangenheit öffnen – mit fatalen Folgen…

 

Der Tod als leistungssteigernder Effekt

 

«Flatliners» ist das Remake des gleichnamigen Films aus dem Jahr 1990 mit den damaligen Jungstars Julia Roberts («Eat Pray Love»), Kiefer Sutherland («Melancholia») und Kevin Bacon («Hollow Man») als Medizinstudierende auf der Suche nach Grenzerfahrungen. Während das Original düsterer ist und Elemente des «gothic horror»-Films beinhaltet, kommt die Neuauflage frischer und moderner daher. Regisseur Niels Arden Oplev («The Girl with the Dragon Tattoo») legt den Fokus auf den wissenschaftlichen Aspekt. Was Courtney in erster Linie antreibt, ist der Wunsch, das Unbekannte zu erforschen. Sie möchte die Erste sein, die dieses bislang unerforschte Terrain betritt. Mit der Aussicht auf Erfolg, Ruhm und Anerkennung überzeugt sie so auch die an ihrem Vorhaben zweifelnden Mitstudierenden.

 

Die Flatliners beim Experimentieren. (© Sony Pictures Releasing Switzerland GmbH)

 

Besonders mit den neuesten technologischen Errungenschaften ist der Wunsch, das Unmögliche zu wagen, heute wieder aktueller denn je, aber damit steigt auch der Leistungsdruck und der Konkurrenzkampf. Der Film deutet diesen Druck an, überragend sein zu müssen, der sich bei jeder Figur auf eine andere Art manifestiert, der sie aber letztendlich – so unterschiedlich sie auch sein mögen – bei einem solchen riskanten Vorhaben mitmachen lässt. Der offensichtlich leistungssteigernde Effekt dieses kurzen Todes wird schliesslich – ähnlich wie leistungssteigernde Substanzen – in erster Linie zu einer willkommenen Möglichkeit, sich in einer hart umkämpften Welt einen Vorteil zu verschaffen. Doch wie bei so vielen Substanzen, lassen die Nebenwirkungen nicht lange auf sich warten.

 

«Flatliners» baut auf diesen beiden Pfeilern unserer heutigen Leistungsgesellschaft auf, zeigt Studierende, die nach Perfektion streben und lässt ihre zunächst undurchdringliche Fassade allmählich bröckeln. Gekonnt setzt Oplev die Ängste der Figuren visuell um und erzeugt in den Horror-Sequenzen mit genretypischen Stilmitteln, inklusive einiger wohldosierter Jump-Scares, eine spannende Atmosphäre. 

 

Trotz der vielversprechenden Ausgangslage schwächelt «Flatliners» auf der Figureneben und auch die Dialoge lassen zu wünschen übrig. Auch wenn das Horrorgenre nicht unbedingt für seine vielschichtigen Figuren und tiefgründigen Gespräche bekannt ist, stören in diesem Fall die erzwungen wirkenden Dialoge und lassen die ohnehin schon sehr eindimensionalen Charaktere noch unsympathischer erscheinen. Ausserdem hapert es in den Sequenzen, in denen die Figuren von ihrer Vergangenheit eingeholt werden, teilweise an der Logik. Schade ist auch, dass Kiefer Sutherland zwar in einer Nebenrolle zu sehen ist, dadurch aber kein Bezug zur Originalversion hergestellt wird.

 

«Flatliners» erfindet das Horrorgenre nicht gerade neu. Der Film ist solide gemacht und es gelingt ihm stellenweise sehr gut, Spannung – inklusive einiger Schreckmomente – zu erzeugen, doch die schwache Figurenzeichnung und vor allem die zu konstruiert wirkenden Dialoge erschweren dem Publikum den Zugang zu den Figuren.

 

  • Flatliners
  • Regie: Niels Arden Oplev
  • Ellen Page, Diego Luna, Nina Dobrev, James Norton und Kiersey Clemons
  • Laufzeit: ca. 103 Minuten
  • Kinostart: 30. November 2017

 

Sule Durmazkeser / Mi, 29. Nov 2017