Amore, Amaretti und Allen

Moviekritik: To Rome With Love
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Im Verleih von ASCOT ELITE

«Volare.. Oh, Oh… Contare…Oh, Oh, Oh.. Nel blu, dipinto di blu…», so manch einen haben diese Zeilen schon vom schönen Italien träumen lassen, nun auch Woody Allen. Der amerikanische Filmemacher inszenierte seinen neuesten Kinostreifen in der ewigen Stadt. Rom ist mittlerweile die vierte europäische Metropole - nach Abstechern in Paris («Midnight in Paris»), Barcelona («Vicky Cristina, Barcelona») und London («Match Point») - die der neurotische New Yorker zum Schauplatz seiner Geschichten machte. Europa scheint dem Altmeister zu gefallen, besonders auch die hier ansässigen Schauspieler. So überrascht es nicht, dass hochkarätige italienische Filmgrössen, wie Ornella Mutti oder Roberto Benigni, in Allens neuem Geniestreich zu sehen sind.

 

 

Allen tritt nach Jahren auch endlich wieder selbst vor die Kamera. Er spielt in einer der vielen Geschichten in und um Rom den ehemaligen Opernregisseur Jerry, welcher gemeinsam mit seiner Frau Phyllis (Judy Davis, «Marie Antoinette») nach Italien reisst, um Tochter Hayley (Alison Pill, «Midnight in Paris») zu treffen, die sich just verlobt hat. Und bald schon lernen Jerry und Phyllis nicht nur ihren zukünftigen Schwiegersohn Michelangelo (Flavio Parenti, «I am Love»), sondern auch dessen Eltern kennen. Der Kulturclash tritt unverhofft ein, eröffnet einem Familienmitglied aber auch eine ungeahnte neue Karriere.

 

Auf dem Weg zum Coiffeur verirrt 

 

Bereits in Rom eingelebt haben sich hingegen die beiden amerikanischen Studenten Jack (Jesse Eisenberg, «The social Network») und Sally (Greta Gerwig «Greenberg»), doch mit dem Erscheinen von Sally’s alter Kollegin Monica (Ellen Page, «Inception», «Juno») wird ihre Beziehung einer harten Prüfung unterzogen. Aufs Spiel wird auch Antonio (Alessandro Tiberi) und Milly’s (Alessandra Mastronardi) Beziehung gesetzt, sobald die beiden in Rom ankommen sind. Um bei Antonios Familie Eindruck zu machen, möchte Milly vor dem Familienessen zum Coiffeur. Die junge Frau verirrt sich aber sehr bald auf Roms Strassen und Antonio muss notgedrungen Callgirl Anna (Penélope Cruz, «Vicky Cristina Barcelona», «Vanilla Sky») seiner Verwandtschaft vorstellen.

 

 

«To Rome With Love» ist eine Liebeserklärung an die bezaubernde Stadt am Tiber. In vielen Szenen sieht man bekannte Bauwerke, Touristenhighlights und alte Ruinen. Der Film an sich ist schon eine Art Sightseeing-Tour und eignet sich hervorragend als kurzer cineastischer Abstecher ins Ausland für jene, die diesen Sommer Zuhause verbringen. Aber auch Feriennostalgiker kommen bei dieser leichten Sommerkomödie auf ihre Kosten. Der Film behandelt keine grossen Dramen, nur selbstverschuldete Krisen, der meist neurotisch veranlagten Protagonisten. Besonders Allens Erscheinen vor der Kamera sorgt für heitere Stimmung und ein paar unvergessliche Pointen. Dies hilft auch die Tatsache zu überbrücken, dass die Handlungsverläufe nicht wirklich überraschend sind. So wurden zum Beispiel Jack und Monicas aufblühende Gefühle und der daraus entstehende Konflikt bereits in vielen anderen Allen-Filmen thematisiert. Fraglich ist zudem, ob Ellen Page wirklich die beste Wahl für die manipulierende Möchtegern-Schauspielerin Monica war. In der Vergangenheit wurde diese Art der Femme Fatale häufig von Scarlett Johansson dargestellt. «Tomboy»-Page wirkt die meiste Zeit nervös und scheint mit ihrer Art und Weise eher Woody Allen nachzumachen - genauso wie übrigens Jesse Eisenberg - so dass die Monica, welche wir sehen, nicht zu jener passt, die sie laut der Geschichte sein sollte. Kirsten Dunst als berüchtigtes  «Manic Pixie Dream Girl» wäre hier vielleicht die bessere Wahl gewesen.

 

Eine weitere untypische Besetzung für Allens Film ist die von Roberto Benigni («La Vita E Bella») als Angestellter Leopoldo Pisanello. Leo führt kein aufregendes Leben, bis zu jenem Tag, an dem er aus unerklärlichen Gründen zum berühmtesten und beliebtesten Römer erkoren wird. Benigni spielt seinen Leopoldo wie all seine Figuren mit grossen Gesten und viel Körpereinsatz. Dies überrascht zunächst, da Allens Charaktere meistens viel Text und wenig Raum für clownesque Einlagen haben. Dieser Stilbruch sorgt zwar für Abwechslung und neue Frische, doch hätte er stellenweise leicht gekürzt werden können, genauso wie die vielen Szenen der Opernaufführungen von Allens Charakter Jerry.

 

 

«To Rome With Love» ist vielleicht nicht Allens bester Film, muss er aber auch nicht sein, denn auch so ist diese spritzige Komödie mit all ihren Dialogen, Anekdoten und Pointen geistreicher und intelligenter als die meisten anderen Filme dieses Sommers. Es ist erstaunlich zu sehen, wie Allen trotz seines Alters (er ist 76 Jahre alt) es immer wieder schafft, die Herzen und Hirne seiner Zuschauer gleichermassen zu fesseln. Seine treuen Fans haben nun eine Stadt mehr, welcher sie einen Besuch abstatten müssen und last but not least sollte sich niemand Woody Allen vor der Kamera entgehen lassen, denn die besten Sprüche und Witze gehören selbstverständlich dem Altmeister selbst.

 

  • To Rome With Love (USA/IT/ES 2012)
  • Regie: Woody Allen
  • Drehbuch: Woody Allen
  • Besetzung: Woody Allen, Penélope Cruz, Alec Baldwin, Jesse Eisenberg, Roberto Benigni, Ellen Page, Greta Gerwig
  • Laufzeit: 113 Minuten
  • Kinostart: 2. August 2012

 

Tanja Lipak / Sa, 28. Jul 2012