Alice Lucy: Ich liebe die Erzählform des Surrealismus

Mad Heidi: Alice Lucy / David Schofield
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Tanja Lipak

Am Zurich Film Festival trafen wir «Mad Heidi»-Darstellerin Alice Lucy und ihren Alpöhi David Schofield zum Interview. Was die beiden mit Exploitation Filmen verbinden, welche Vorbilder ihnen beim Dreh halfen und wie die Zusammenarbeit mit den Berner Regisseuren Johannes Hartmann und Sandro Klopfstein verlief, erzählen sie uns im Interview.

Unsere «Mad Heidi»-Filmkritik findet ihr hier.

 

«MAD HEIDI» ist als Exploitation bzw. Swissploitation Film riskant. War das jemals ein Thema für dich Alice?

Alice: Ich entschied mich, voll und ganz drauf einzusteigen. Ich wusste, dass ich jeden Tag meine beste Performance abliefern musste und der Rest dann ausserhalb meines Einflusses sein wird. Diese Erfahrung wollte ich nicht missen. Es war die grösste Lernkurve, die ich je gemacht habe. Ich hatte drei Monate in der Schweiz verbracht und übernahm in meinem Spielfilmdebüt gleich die Hauptrolle. Es war ein grosser Druck, aber ich lernte jeden Tag von jedem Crew- und Castmitglied, dass sich mir anvertraute. Es war für mich ohne Frage von Anfang an klar, dass ich diesen Film unbedingt machen musste.

 

Wie vertraut warst du mit dem Exploitation-Genre vor den Dreharbeiten?

Alice: Es war definitiv ein neues Genre für mich. Als mir die Rolle angeboten wurde, sendete mir Johannes (Hartmann, Regisseur, Anm. d. R.) ein kleines Paket mit Filmen, die ich sehen musste, Texte, die ich lesen musste und Sachen, die ich lernen musste. Es ist ein Nischen-Genre mit sehr viel Leidenschaft dahinter. Als Geschichtenerzählerin liebe ich die Form des Surrealismus und der Absurdität. Dies ist auch nicht jedermanns Sache in der Theaterwelt, aus der ich komme. Aber es ist meine Passion und damit konnte ich eine gute Verbindung zum Exploitation-Film aufbauen.

David: Das ist ein guter Punkt. Es gibt eine starke surrealistische Ausprägung in Exploitation-Filmen, das ist mir vorher nie richtig aufgefallen. Und das macht die Filme sehr lustig, aber auch sehr ernst.

 

Und wie hast du die Produktion erlebt David? Du hast auch Erfahrungen an Grossproduktionen wie «Gladiator» oder «The Pirates of the Caribbean» gesammelt.

David: Es gibt keine fundamentalen Unterschiede zwischen 20 Dollar oder 100 Millionen Dollar-Produktionen. Wichtig ist, dass die Teilhabenden professionell und diszipliniert sind und ihnen der Film wichtig ist. Dies war hier definitiv der Fall. Und dann gab es noch Personen wie dich. Es ist sehr ungewöhnlich, dass der Cast auch aus Filminvestoren besteht. Das war sehr speziell. Die einzige Chance, mit Investoren in Kontakt zu treten, ist bei anderen Produktionen, wenn die Produzenten ihren Neffen kleine Rollen geben. Das war hier ungewöhnlich und hat Spass gemacht.

 

Bei «MAD HEIDI» hattet ihr die Chance, gleich mit zwei Newcomer-Regisseuren zu arbeiten. Wie war die Zusammenarbeit?

Alice: Sie ergänzen sich gegenseitig sehr gut. Johannes hatte eine starke Vision von der Welt, die wir erschufen. Er arbeitete an dieser Vision über mehrere Jahre und es war ihm entsprechend sehr wichtig, diese Ideen korrekt zu verwirklichen und die richtigen Leute zu finden, um seinen Traum wahrwerden zu lassen. Und Sandro war sehr gut in der Kommunikation mit den Darstellern. Es war ihm wichtig, dass wir verschiedenes ausprobieren konnten und Johannes daraus das passende auswählen konnte. Die Kombination der beiden funktionierte sehr gut.

David: Ich arbeitete bereits bei anderen Produktionen mit einer Co-Regie. Es passiert schon, dass du vergisst, dass es zwei Regisseure sind. Wir hatten einen Regisseur, weil die beiden die gleiche Vision teilten. Es war wunderbar, so hatte ich zwei Personen, die ich um Rat fragen konnte und deren Leitung ich folgen konnte.

 

Gab es bestimmte Vorbilder, die ihr für eure Darbietungen genutzt habt?

Alice: Für mich waren es Linda Hamilton und Lena Headey, die beide Sarah Connor verkörperten. Ich liebte die «Sarah Connor Chronicles» als ich jünger war. Lena Headey ist darin ein Badass. Und versteh mich nicht falsch, ich liebe Superheldengeschichten, ich liebe die Marvel und DC-Filme. Aber was mich bei Sarah Connor fasziniert, ist, dass sie menschlich ist und bleibt. Sie hat keine Superkräfte, nutzt keine Magie, sie hat nur sich selbst. Sie besitzt diese grosse Kraft in sich, die sie voranbringt und aus der sie schöpfen kann.

David: Ich hatte keine spezifische Figur oder Person im Kopf. Ich war mir einfach sehr bewusst, dass ich einen Grossvater spiele. Wie du in den nächsten Jahrzehnten erfahren wirst, bleibt man immer 17 im Herzen. Aber vor 6, 7 Jahren wurde ich zum ersten Mal selber Grossvater und nun habe ich vier Enkelkinder. Das bedeutet auch, ich habe zwei unabhängige Kinder. Die Beziehung, die du mit deiner Familie hast, ist die wichtigste im Leben. Das waren die Dinge, die ich einbrachte. Alice sehe ich als meine Tochter, auch wenn sie im Film meine Enkelin verkörpert. (lacht) Aber Alice erinnert mich sehr an meine Tochter als sie in dem Alter war. (lacht)

 

Gibt es Charakterzüge in euren Figuren, die ihr auch bei euch selbst wiederfindet?

Alice: Ich würde mal behaupten, dass ich für mich selber einstehe und gerne meine Meinung sage, auch wenn sie nicht allen gefällt. Das ist mir wichtig und ich bin stolz darauf. Als Darstellerin ist es auch immer mit Risiken verbunden, sich frei zu äussern am Set, aber ich empfand Unterstützung von allen. Sie gaben mir die Chance, mich als Alice und als Heidi zu äussern. Und das war mir sehr wichtig.

David: Ich wurde an meine Jugend erinnert, als ich sehr politisch war. Aber auch daran, wie sich die eigene Einstellung verändert, wenn man älter wird und all die Kompromisse, die man eingeht. Ohne aber den Kern – an den du glaubst – zu komprimieren.

 

Wurde am Set eigentlich improvisiert oder hielt man sich immer ans Script?

Alice: Sie wussten, dass sie eine weibliche Protagonistin hatten und sie selbst (Autorenteam, Anm. d.R.) alles nur Männer sind. (lacht) Sie fragten nach meiner Meinung wie Heidi dreidimensionaler und fassbarer werden konnte als Figur. Das war ein netter Dialog, den wir hatten.

David: Ich bin kein Schreiberling. Deshalb bin ich kein Fan von Improvisation. Gute Improvisation ist sehr, sehr, sehr schwer. Es ist kein Zufall, wird «Playwright» (Dramatiker, Anm. d. R.) wie «Wheelright» (Stellmacher, Anm. D. R.) geschrieben. Es muss etwas gemahlen und verarbeitet werden. Sie verbringen viel Zeit damit, die Wörter und Dialoge immer wieder auszuarbeiten. Und auch wenn Schreiberline offen sind für Umformulierungen, damit es natürlicher zum Darsteller passt, gefällt mir die geschriebene Variante besser als meine Improvisation.

 

Eine der Faszinationen am Set war die Vielsprachigkeit. Habt ihr das auch so erlebt? Alice, du unterhieltst dich mit Almar, welche Klara verkörpert, auf Spanisch.

Alice: Für mich wurde es nach einer Weile zur neuen Normalität. Man wusste nach einer Zeit, wer mit welchen Sprachen vertraut war. Am Schluss funktionierte es, es wurde sehr schnell sehr familiär am Set.

David: Es sind immer viele Menschen an einem Set. Und dein Name als Darsteller wird immer häufiger genannt als jener eines Crew-Mitgliedes, deshalb wird dein Name dann sehr familiär. Ich arbeitete mal an einem Film, da wollte der Regisseur sich die Namen nicht merken und nannte alle einfach nur «John».  Nach einer kurzen Zeit konnte er «John» rufen und die Person, die gemeint war, meldete sich. Völlig intuitiv. Die Magie eines Filmsets nenne ich das.

 

Gab es eine bestimmte Szene, an die ihr euch immer erinnern werdet?

Alice: Als ich das Script zum ersten Mal las, war es die Szene mit dem Wasserfall, die mich zugleich ängstigte und aufregte. Ich wusste, dass ich im Falle einer Zusage in diesem Wasserfall und er nicht beheizt, sondern eisig sein würde. Ich musste mich mental darauf vorbereiten. Ich habe ein Bild von mir, wie ich aus dem Wasserfall komme und meine Hände siegreich in die Höhe hebe.

David: Meine liebste Erinnerung war, als ich nicht selbst vor der Kamera stand, aber am Set war. (lacht) Es macht mir irrsinnig viel Spass, alle anderen zu beobachten. (lacht) Und ich meine nicht nur die Schauspieler, ich meine alle anderen auch. Ein Filmset ist immer eine grosse Faszination. Es gibt immer etwas Spannendes zu entdecken.

 

Man munkelt es könnte eine Fortsetzung geben. Auf was würdet ihr euch freuen?

Alice: Nicht, dass ich es wüsste. (lacht) Aber ich denke an die «Terminator»-Filme. Film 1: Sie ist normal, sie kann ein wenig kämpfen, aber sie lernt. «Terminator 2»: sie kommt zurück und sie schlägt ein wie eine Bombe. Auf so eine Reise würde ich mich freuen. Mehr Kämpfe, mehr Spass, mehr Absurditäten. Das Team nutzt «MAD HEIDI» um eine Saga zu eröffnen und wir können darin nun unserer Fantasie freien Lauf lassen.

David: «MAD HEIDI 1: Kick-Ass», «MAD HEIDI 2: She’s back and she’s mad as hell»

Alice: «MAD HEID 3: She goes on holidays»

David: «MAD HEIDI 4: The troubled years».

Alice: «MAD HEIDI 5: At the Zoo»

«MAD HEID 6: In Space».

Tanja Lipak / Mi, 23. Nov 2022