Humor verbindet staatenübergreifend

Lesung: Wladimir Kaminer im Kaufleuten
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www.wladimrkaminer.de / © Thomas Meyer

Wie schon im Jahr zuvor füllte Wladimir Kaminer auch diesmal das Kaufleuten mit Literaturbegeisterten. Seine Lesung fand just an dem Tag statt, an dem die Premiere des Kinofilmes «Russendisko» in Deutschland war. Der Streifen basiert auf Kaminers Kurzgeschichten-Sammlung mit demselben Namen. 

 

Er hätte in letzter Zeit mit Menschen von Medien zu tun gehabt, mit denen man als Autor sonst nie in Berührung komme, erklärt Kaminer. Doch er werde auch immer wieder als deutscher Literaturvertreter aufgeboten, wie zuletzt an der ersten Latein-Amerikanischen Buchmesse, welche sich als Gastnation Deutschland ausgesucht hatte. Kaminer erntet im Kaufleuten einen Lacher nach dem anderen, sogar als er seinen Lieblingswitz über Hitler zum Besten gibt. Doch auch sein Heimatland bekommt sein Fett weg: «Nach dem Fall des Sozialismus wachsen sogar die Pilze anders. Vorher standen sie schön in Gruppen beisammen, heute sind sie einzeln anzutreffen, richtige Ego-Pilze.» Inzwischen ist Kaminer so «eingedeutscht», dass er sich auf Besuch in der Sowjetunion wundert, dass Nachrichtensprecher die Werbung gleich selbst sprechen. Da werde von Politik gesprochen und plötzlich umgeschwenkt auf «Activia» und wie dieser Joghurt die Verdauung positiv beeinflusse.

 

Wladimir Kaminer beim Signieren seiner Bücher (Bild: Birgit Steinger)

 

Wladimir Kaminer schreibt nicht in seiner Muttersprache, er ist russisch-jüdischer Herkunft, was unschwer an seinem liebenswerten Akzent zu erkennen ist. Seit 1990 lebt er in Deutschland, kennt also auch die deutsche Mentalität und die nimmt er gehörig auf die Schippe. Kaminer ist nicht nur Autor, er versteht es, während zwei Stunden einen ganzen Saal zu unterhalten. Seine Geschichten sind aus dem Leben gegriffen, immer gut gepfeffert mit Ironie und schwarzem Humor. Er liest nicht nur aus seinen Büchern vor, er gibt auch neue Geschichten zum Besten, die er noch in loser Form bei sich trägt. Aber Kaminer hebt nicht nur die Schwächen Anderer hervor, er kann auch über sich selbst lachen. So erzählt er von der spontanen Vegetation in seinem Schrebergarten, die im Interessenkonflikt mit der Schrebergärten-Kolonie stand und ihn deshalb zwang einen neuen Wirkungsort zu suchen. Für den neuen Garten benötigte er jedoch ein Auto, was ihn dazu bewegte, im letzten Jahr endlich die Fahrprüfung zu absolvieren. Dies hat ihm wieder einen neuen Weg eröffnet, er wurde inzwischen als Testfahrer und Kolumnist für eine Auto-Zeitschrift aufgeboten.

 

In der Pause drängten sich die Menschen dicht um den Verkaufstisch, Kaminers Bücher fanden einen reissenden Absatz. Doch auch seine CDs mit den «Russendisko»-Hits verkauften sich gut. Zugegeben, die Musik ist gewöhnungsbedürftig - eine Kostprobe gab es vor der Lesung und in der Pause - Abnehmer wurden jedoch viele gefunden. Selten wird das Publikum bei einer Lesung so gut unterhalten, mancher Stand-up-Comedian würde vor Neid erblassen. Es wundert also nicht, dass der Autor auch in der Schweiz so beliebt ist.