VLADA: «Mich haben Tasten magisch angezogen»

Interview mit VLADA
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Glad Vlad Records

Der Name VLADA kann leicht mit Black Music aus tiefer Leidenschaft verbunden werden. Gospel, Soul, Jazz, aber auch ein feiner Hauch Pop und klassisches Songwriting sind im Sound des Schweizer Musikers zu hören. Wie Vlada seine Songs arrangiert, wieso er sehr viel Wert auf ein klassisches CD-Booklet legte und wie er überhaupt zur Musik gekommen ist, hat er im Gespräch erzählt. Aber auch, eine ungeplante Zeit in den USA war Thema. 

 

Du warst schon als Kind von Soul, Gospel und Black Music begeistert. Was hat dich daran fasziniert?

 

Angefangen hat es bei mir mit Elvis Presley und den Beatles. Da war ich noch sehr klein. Schon mit fünf Jahren war ich ein riesiger Elvis-Fan und ich weiss noch, wie ich ihn vor dem Spiegel imitiert und nachgesungen habe. Mit Black Music bin ich im Singunterricht in der Schule so richtig in Berührung gekommen. Dort hat ein Lehrer einen Gospel von Mahalia Jackson mitgebracht und mir lief es kalt den Rücken runter. So habe ich gemerkt, dass diese Musik für mich etwas Besonderes ist. Ich habe danach, gerade in meiner Jugendzeit in den 70er- und 80er-Jahren, Namen wie Prince oder Michael Jackson gehört, habe Stevie Wonder oder James Brown entdeckt und immer wieder Gospel in allen möglichen Facetten. Gospel berührt mich sehr stark und ich habe schon als Kind gemerkt, wie sich mein Herz öffnet. Andere Musik berührt mich schon auch, aber Gospel und auch Black Music haben mich extrem berührt. Vielleicht spielt die Harmonik eine Rolle oder die Leidenschaft, die die Menschen durch die Musik oft ausdrücken, die schon einzigartig ist. Irgendetwas hat mich fasziniert und so habe ich mich immer mehr mit der Musik und deren Geschichte auseinandergesetzt und mich mit Anfang Zwanzig selbst musikalisch in allen Formen damit beschäftigt. Zuvor habe ich mit 15 oder 16 Jahren noch den Jazz entdeckt. Gleichzeitig habe ich mich extrem mit Blues und anderen Arten von Black Music beschäftigt und schlussendlich geht dabei alles auf den Blues zurück und der Blues auf die Kirche bzw. die Spirituals. Mich hat dann interessiert, woher die Musik kommt, was sie bedeutet und so habe ich sehr viel Black Music gesammelt und gehört und selber Musik gemacht. So ist das entstanden.

 

Wie oder wann bist du dann dazu gekommen, selbst Musik zu machen?

Schon auch früh. Mir vier, fünf Jahren war das Singen da. Das war sicher das erste Instrument. Und mit sechs Jahren etwa, haben mich Tasten magisch angezogen. Mein Grossvater war Geigenbauer, so habe ich mit sieben, wie sich das gehört, mit Geige begonnen. Das habe ich aber irgendwann aufgegeben, auch wenn ich scheinbar recht begabt gewesen sein soll, hat meine Lehrerin jedenfalls gesagt. Aber ich habe nicht gerne Geige gespielt. Mit acht oder neun habe ich mit Keyboard angefangen. Erst mit den etwas kleineren Modellen, dann mit etwas grösseren. Erst sehr spät, so in der Kanti, habe ich klassischen Klavierunterricht genommen. Doch schon vorher war die Freude da und mit elf, zwölf habe ich erste Liedchen geschrieben und mit mehreren Tonspuren aufgenommen und begonnen, irgendwelche Discosongs zu kreieren. Daher waren die Tasten immer mein Ding. Später hat die Geige zwar noch zweimal eine Chance bekommen, aber mit siebzehn war dann endgültig Schluss. Dafür war mir das Klavier wichtig und ich habe sehr viel gespielt und geübt, auch klassische Sachen wie Mozart und Beethoven. Von Anfang an habe ich aber gesungen, egal welches Instrument ich gerade gespielt habe, der Gesang hat sich durchgezogen.

 

Du hast fünf Jahre in den USA gelebt. Du hast sogar dein Debüt in den USA aufgenommen. Stimmt das?

 

Das stimmt zum Teil. Die basic tracks wurden in der Schweiz aufgenommen, aber mit amerikanischen Musikern. Das war damals eine All-Star-Band, die gerade in der Schweiz war. Ich wusste das und darum haben wir die Session so geplant. Der Startschuss war in der Schweiz und in einer zweiten Phase stiessen Take 6, quasi die Superhelden für einen Jazzmenschen wie mich, dazu und der Leiter der Truppe meinte, ich solle nach Nashville kommen, um die Platte zu beenden. Das habe ich natürlich gemacht, weil immer noch alle Gesangsspuren nötig waren, also Backing Vocals, meine Vocals und dazu die Bläser, Saxofon, Perkussion und mehr. Der Plan war aber nur, die Platte in Nashville zu beenden und in die Schweiz zurückzukehren. Aber plötzlich haben sich so viele Türen geöffnet und viele Amerikaner haben mich ermutigt, was typisch für die Amerikaner ist, dass sie dich pushen, wenn sie etwas in dir zu sehen glauben. Also schaute ich, was passiert und hätte nie gedacht, dass ich fünf Jahren in den USA bleiben würde. So war ich je zweieinhalb Jahre in Nashville und New York. Das war ein Abenteuer, das ich nie für möglich gehalten hätte. Ich bin auch nur in die Schweiz zurückgekehrt, weil ich meine jetzige Frau kennengelernt habe. Wahrscheinlich ist sie der einzige Grund, der mich überhaupt in die Schweiz zurückholen konnte (lacht).

 

Die EP «River Flows» ist sehr abwechslungsreich. Wie viele Songs hast du dafür geschrieben?

 

Es sind ungefähr 25 Songs gewesen und davon haben wir fünf ausgewählt.

 

Wie lange hast du für die Auswahl aufgebracht?

 

(lacht) Du hoffst natürlich, dass die anderen Songs irgendwann auch noch zum Zug kommen, denn es sind ja alles deine Babies. Aber der Pianist und alte Freund Andreas Hausammann und ich haben ein Auswahlverfahren gehabt, da wir die meisten dieser Songs gemeinsam geschrieben haben. Andreas hat genau wie ich Anglistik studiert und er kommt vom Gospel und Jazz, von daher kommen wir aus der gleichen Ecke. So findet man sich. Wir kennen uns schon seit 25 Jahren und sind ein eingespieltes Team. Danach haben wir die Auswahl den weiteren Musikern geschickt, die noch dabei sind, und so wurde es auf neun oder zehn Songs runtergebrochen. Teilweise haben wir die Songs noch für Feedback an Freunde in den USA, Serbien, Deutschland und der Schweiz geschickt, so quasi als Testgruppe und mit der Frage «Was spricht auch am meisten an?». So haben sich die fünf Songs herauskristallisiert. Darum haben wir diese fünf Titel aufgenommen und jetzt schauen wir, was mit den weiteren Songs passiert.

 

 

Der Plan war aber nur, die Platte in Nashville zu beenden und in die Schweiz zurückzukehren.

 

 

Du arbeitest bei den Arrangements sehr stark mit Dynamik. Als Beispiel bei «Keep Walking», wo die Musik zeitweise fast verstummt. Arrangierst du alles selbst? Wie entwickelst du die Arrangements?

 

Wahrscheinlich sehr intuitiv. Ich weiss gar nicht, ob man das so genau erklären kann. Jeder Song ist eine Geschichte für sich und jeder Song hat seine Eigenheiten, seine Stärken und wahrscheinlich auch Schwächen. Ich arbeite da sehr kreativ. Wenn ich alleine an einer Songstruktur arbeite, entwerfe ich diese am Computer mit Groove, Bass, Keyboard und so weiter. Wenn wir zu zweit arbeiten, steht am Ende ein Gerüst, das ich nach Hause nehme, daran weiter schleife und die Stimmen darüber aufnehme. Dann überlege ich mir, wie die Stimmung im Song ist und wie ein Aufbau aussehen könnte. Dazu braucht es noch nicht so viele Instrumente. Oft spielt der Inhalt des Songs oder des Textes eine Rolle, wenn es darum geht, wie ein Arrangement aufgebaut werden könnte. Dann ist es aber schon so, dass die Musiker der Band mitentwickeln. Wir haben das Album quasi live eingespielt und so kann es sein, dass der Bassist vielleicht nicht 1:1 das spielt, was ich programmiert habe, der Schlagzeuger sowieso nicht und auch der Pianist spielt seinen Part auf seine Weise. So entsteht eine Eigendynamik. Aber grundsätzlich ist wie klar, hier machen wir etwas mehr Dynamik, dort etwas weniger. Das Ganze ist aber sowieso etwas sparsam, weil wir theoretisch nur drei Instrumente sind. Dazu haben wir bei zwei Songs feine Streicher eingespielt, aber der Rest ist nur Klavier, Drums und Bass. Wir haben die Arrangements aber bewusst sparsam gehalten, damit der Flügel genug Raum bekommt und vor allem die Stimme. Man hätte schon mit Hammond und Gitarren und Flächen und was sonst so möglich ist, füllen können. Aber es hat sich so passend angefühlt. Je weniger Instrumente du hast, desto mehr kannst du mit der Dynamik arbeiten. Je mehr Instrumente du hast, desto anspruchsvoller wird die Geschichte.

 

Was auffällt, ist die aufwändige Aufmachung der CD. Mit Booklet, thematisch passenden Fotos und Texten zum Mitlesen wirkt sie im besten Sinn old school oder aber zeitlos. Wie wichtig war dir die aufwändige und klassische Produktion gerade im Zeitalter von Streaming?

 

(lacht) Das war mit sehr wichtig. Also ganz bewusst als Gegenstrom, weil eben sehr viel gestreamt wird. Ich sehe das jetzt im Verkauf. Die meisten Leute streamen, sogar Downloads werden weniger. Das ist auch nachvollziehbar, ich streame selbst sehr viel. Dazu haben viele Leute gar keine CD-Player mehr, ausser vielleicht im Auto. Darum wird die CD nur noch an Konzerten als Souvenir oder ganz bewusst gekauft. Diesen Leuten wollte ich etwas geben, das etwas wertiger ist. Mit einem 16-seitigen Booklet, was ja eigentlich völlig anachronistisch ist, würde ich sagen. Es ist zudem bewusst ein raues Papier im Booklet und das Design ist etwas aufwändiger gestaltet. Ich habe das absolut absichtlich so gemacht, um den Reiz der CD nochmals etwas vor Augen führen. Gerade für jene, die gerne nachlesen, wer mitgespielt hat, wie die Texte genau lauten und wer die Songs geschrieben hat. Ich merke, dass Leute, die immer noch CDs hören, das sehr schätzen und andere interessiert es praktisch nicht. Gerade der jüngeren Generation sagt das nichts mehr und das ist völlig ok. Es ist eine andere Zeit, aber da ich aus den 70ern bin und mit Vinyl und CDs aufgewachsen bin, wollte ich das bewusst so haben.

 

Die nächste CD folgt dann einem ähnlichen Konzept. Für Juni sind wieder Aufnahmen organisiert. Wir wollen sechs Songs aufnehmen und der Pool an Songs wächst. Wir sind also fleissig am Schreiben. Der Plan wäre, dass im Herbst die nächste CD erscheint, so im September oder Oktober. Zu diesem Release würde ich dann gerne eine Vinylplatte rausbringen, wo auf der Vorderseite «River Flow» zu finden wäre und auf der Rückseite die neue Platte oder umgekehrt. Aber Ziel ist ein Album mit diesen beiden EPs als Ganzes. Aber das verkaufst du mehrheitlich an Konzerten und wer will, kann online bestellen.

 

Du hast eine Partnerschaft mit Compassion.com, die gegen Kinderarmut kämpfen. Wie sieht diese aus?

 

Es ist ein Kinderhilfswerk, das ich seit … (überlegt kurz) … circa 2007 kenne. Die habe ich in den USA erstmals kennengelernt. Damals habe ich eine Patenschaft abgeschlossen, um ein Kind zu unterstützen. Als ich schon wieder in der Schweiz war, wurde ich angefragt, ob ich gerne Botschafter werden möchte. Die Organisation arbeitet national mit Künstlern zusammen, um Botschafter zu sein und das Anliegen auch an den Konzerten zu erwähnen und diese Patenschaften den Menschen näher zu bringen. Ich kann voll hinter der Arbeit von Compassion stehen, weil sie Menschenleben auf Generationen hinaus verändert. Für uns in der Schweiz ist es ein relativ kleiner Aufwand, aber für die Kinder in Armut ist es eine lebensverändernde Investition. Für 40 Franken im Monat ist man dabei und kann so ein Menschenleben retten und zusätzlich auf eine gute Bahn bringen. Da bin ich gerne dabei. Auch mit dem Gospelchor «The Gospel Collective» sind wir Botschafter. Es gibt immer wieder Leute, die das cool finden und mit Patenschaften helfen. So bekommt die Musikarbeit nochmals eine neue Dimension.

 

VLADA - «River Flow»

 

 

Bäckstage Redaktion / Mi, 06. Mai 2020