Seven: «’s Definition» ist die Prämisse des Albums

Interview mit Seven
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Sony Music / © Tim Lüdin

Der lange Promo-Tag ist Seven nicht anzusehen, als er das als Treffpunkt vereinbarte Lokal im Zürcher Seefeld am späten Nachmittag betritt. Auch im Interview ist von Müdigkeit nichts zu spüren. Voller Leidenschaft spricht der charismatische Schweizer Soulsänger über seine neue Live-Band, erklärt, wieso er ohne Plan an das neue Album herangegangen ist und verrät Hintergründe zu einigen Songs, die es auf das Album «BackFunkLoveSoul» geschafft haben. 

 

Du hast für die Promo zum neuen Album in der ganzen Schweiz Parties «gecrasht». Wie waren die Reaktionen?

 

Ich habe vor 13 Jahren das erste Album herausgebracht. Beim ersten Song habe ich eine Vinyl-Edition gemacht. Diese habe ich selbst geschnitten und beschriftet und habe sie zu den DJs und in die Plattenläden gebracht. Danach bin ich zusammen mit meinem DJ auf Parties gegangen und habe um Mitternacht  zwei, drei Songs live gespielt. Also dann, wenn die Leute schon in Partystimmung sind und tanzen und gar nicht wegen der Livemusik gekommen sind. Irgendwie war das neue Album für mich wieder wie das Debüt, quasi Back to the Roots. Also hatte ich die Idee, das Gleiche zu machen wwwwie vor 13 Jahren. Ich habe also wieder Vinyl gemacht und bin wieder persönlich vorbeigegangen und habe es verteilt. Dazu habe ich an Parties Konzerte gespielt, als es die Leute nicht erwartet haben. Die Erfahrung war wie damals. Die Leute bekommen etwas, für das sie nicht zahlen, es ist also eine Überraschung und das Feedback der Leute geht von euphorisch bis skeptisch. Du bekommst die gesamte Vielfalt der Emotionen. Das ist sehr spannend und es hat mit sehr viel Spass gemacht. 

Wenn du gerade von Back to the Roots sprichst, dann passt dazu, dass dein Album wie eine Hommage an deine musikalischen Lieblinge klingt. Wie bist du an das Album herangegangen?

 

Bei mir ist es immer so, dass ich ein Bedürfnis, also eine Idee, habe. Dann bin ich wie ein Psycho und muss das so durchziehen und nichts bringt mich vom Weg ab. Ich bin dann auch ein sturer, beratungsresistenter Kopf, der das auf seine Art machen muss. Aber ich hatte Lust auf dieses Soundbild. Ausser bei meinem ersten Album, habe ich immer versucht, mir etwas Neues anzueignen. Beim ersten Album habe ich nicht nachgedacht, sondern hatte einen MPC (Music Production Center, Anm. d. Red.), ein Keyboard und ein Mikrofon. Mehr nicht. Beim zweiten Album habe ich zum ersten Mal in einem Studio gearbeitet und mich mit Elektronik befasst. Beim dritten Album wollte ich alles live aufnehmen. Also mit Big Band und ja keine Computer benutzen. Dafür wurde mit Bandmaschinen gearbeitet, um das zu lernen. Dann hat mich unplugged gereizt, danach etwas mit einem Orchester und beim letzten Album «The Art is King» habe ich mit Rockmusik und einem Jazzpianisten gearbeitet und wollte sehen, was passiert, wenn man Rock, Jazz und meine Soulstimme zusammenbringt. Ich habe mit jedem Album versucht, mich mir gegenüber in einem Stil zu bewiesen. Bei diesem Album habe ich die Herausforderung nicht gesucht, sondern gedacht,  «Jetzt habe ich mir das alles angeeignet und in den Genres gewütet. Jetzt fange ich zwölf Jahre schlauer wieder von vorne an.» Also mit allem, was ich in den bisherigen Alben gelernt habe, wollte ich das neue Album produzieren und die Entstehung war ein Spielplatz. Nur Ideen rauslassen und jemanden im Studio haben, der mir alles einstellt. Ich wollte den Computer nicht einmal berühren, damit ich einfach sagen konnte, «kannst du mir den Sound machen?» oder «stell dieses bitte so ein» und ich war dabei nur das Kind im Schokoladenladen, das einfach rumspinnen konnte. So habe ich die Demo-Ideen völlig naiv, aber intuitiv, einfach rausgelassen und dann aber Stück für Stück damit gespielt, bis sich das Endprodukt langsam rauskristallisiert hat. Weil ich es aber so intuitiv gemacht habe, brauchte die Produktion sehr lange. Ich hatte keine Strategie oder einen Plan, sondern habe immer erst das Nächste gemacht, wenn etwas fertig war.

 

 

Am Schluss liegen vielleicht noch 30 – 40 Platten vor dir und du fragst dich, wieso gerade diese dort liegen und wieso du die anderen wieder in das Gestellt gepackt hast. Was haben diese Platten, was die anderen nicht haben?

 

 

Ich würde dich gerne direkt auf drei Songs aus dem Album ansprechen und dich bitten, etwas dazu zu sagen. Der erste Track ist «Hotelroom».

Das ist für mich eine extrem spezielle Nummer, weil sie wirklich in einem Hotel entstanden ist. Ich verbringe halt noch viel Zeit in Hotels (lacht). Und wenn du dann so alleine in einem wunderschönen Fünfsternhotel bist, dann denkst du, «ist mir eigentlich egal, ich möchte lieber nach Hause». Klar, der Job ist wunderschön, aber oftmals vermisst du in solchen Momenten deine Familie und du wirst dir bewusst, «das ist das Einzige, was zählt». Wenn es ihnen gut geht, dann kann ich meinen Job erst geniessen. Dann beginnst du dir vorzustellen, was wäre, wenn etwas passieren würde. Wenn du Vater wirst, kommt dieser Aspekt dazu, dass du plötzlich und zum ersten Mal etwas zu verlieren hast. Also habe ich den Song in einem Hotelzimmer geschrieben und auch gleich in meinen kleinen Demo-Computer eingespielt. So ist der Song wirklich aus dem Gefühl heraus entstanden, dass wenn zuhause alles gut ist, es auch bei mir gut ist. 

Für mich ist hier das Solo-Duell zwischen Streichern und Gitarren spannend. 

Das ist halt wirklich alte Schule, dass der Song erst richtig aufreisst, wenn das Gitarrensolo kommt. Das hat man vor allem in den 80ern, knapp noch Anfang der 90er, so gemacht und heute kennt man das kaum noch. Ich habe das Bouquet am Schluss, wenn der Gesang schon durch ist, und das Grande Finale einfach instrumental sein darf, extrem gerne. 

Der zweite Song ist «’s Definition»

Das ist im Grunde die Erklärung von meinem Geschmack. Das ist die Prämisse des Albums. Ich habe dafür meine gesamte CD- und Plattensammlung am Boden verstreut und habe mir überlegt, welche Songs und welche Platten für mich Evergreens sind und mir nie verleiden? Alle anderen habe ich aussortiert, reduziert und noch weitere Platten weggenommen. Am Schluss liegen vielleicht noch 30 – 40 Platten vor dir und du fragst dich, wieso gerade diese dort liegen und wieso du die anderen wieder in das Gestellt gepackt hast. Was haben diese Platten, was die anderen nicht haben? Mich reizt halt das Extreme, also wenn mich ein Song so berührt, dass ich fast weinen muss oder tanzen muss oder ich sofort ins Schlafzimmer muss. Mindestens eine Komponente davon muss da sein , sonst ist es nett oder gefällig, gerade mal «no hübsch», aber nach zwei, drei Tagen langweilig. 

Ich habe den Song gewählt, weil ich darin eine kleine Verneigung vor Led Zeppelin zu hören glaubte. Mir ist beim Rhythmus «Kashmir» in den Sinn gekommen. 

Oh, danke. Geil. Ich habe eine Phase gehabt, in der ich viel Led Zeppelin gehört habe. Es ist für mich, durch die Freiheit, die sie ausstrahlt, «huere geili Musig». Es ist für mich nicht die wichtigste Musik, aber ich habe, wie man auf der Platte hört, mit einer verzerrten Gitarre mehr am Hut, als man denkt. 

 «Only1», weil der Song als Ballade auffällt.

Wahrscheinlich ist das der einsamste Song. Wenn alle Songs des Albums auf dem Schulhausplatz wären, würde «Only1» wahrscheinlich alleine rechts hinten stehen und Däumchen drehen. Das Gitarrenriff, das den Song quasi trägt, ist von Raphi (Raphael Jakob, Anm. d. Red.), meinem Gitarristen. Es ist ein typisches «Raphi-Lick» und ich liebe seine Art, Gitarre zu spielen. Wir haben den Song zu zweit zu schreiben begonnen und weil es ein Song mit angehängtem, eingeschoben Takt ist und am Schluss noch ein Motown-Treppchen kommt, war für mich klar, dass der Song auf dem Album keine Freunde und keine Feinde hat, sondern alleine steht. Es ist der einzige Song, bei dem nie zur Debatte stand, ihn rauszuwerfen. Der war immer schon gesetzt. 

Wie viele Songs hattest du dann, bevor die Endauswahl für das Album getroffen wurde?

 

Es waren rund 30 Demos. In die letzte Phase habe ich noch zwanzig Songs mitgenommen. Bevor wir dann Streicher aufgenommen haben, also bevor es richtig aufwändig wurde, musste ich noch ein paar Babys kippen. Das Archiv füllt sich und es ist immer ein Scheissprozess, denn «killing darlings» ist immer eine Entscheidung, die ich gar nicht mag.  

 

Ich verzichte mehrheitlich auf alles, was es nicht braucht. Keine Tänzer, nicht zu grosse Lichtshow oder Screens. Das alles lasse ich weg, weil ich gesagt habe, dass ich lieber eine grosse Band und eine Funkparty will. Wer also gerne Funk hat, wird bedient, das kann ich versprechen.

 

 

Du hast an unzähligen Orten gespielt. Ich habe gelesen, dass du einen Auftritt am Sundance Filmfestival hattest. Wie kam das?

 

Das war eine lustige Geschichte. Wir hatten ein paar Konzerte in London und nach einer Show kam jemand vom Management und meinte, er hätte da eine Anfrage. Also kam jemand Backstage, stellte sich als Veranstalter des Sundance Film Festivals vor und meinte, dass ihm die Musik sehr gut gefallen habe und wir doch in Utah am Festival spielen sollen. Das war bereits zwei, drei Wochen später. Es war völlig wirr. Also bin ich mit der ganzen Band hingeflogen und wir haben den Abend gespielt. Für uns war das natürlich super.  

Bist du privat ein Filmfan?  

Ja, das bin ich. Aber das ist irgendwie logisch, denn der grösste Teil der Arbeit eines Künstlers, der alles selbst macht, ist dramaturgisch. Ein Song ist eine Dramaturgie, ein Album ist eine Dramaturgie, Marketing, Musikvideos oder Konzerte sind alles Dramaturgien. Ich bin im Grunde nahe beim Beruf des Regisseurs, denn ich mache im Wesentlichen nichts anderes. Mich in eine Geschichte zu entführen, zu sehen, wie es jemand schafft, mich für zwei Stunden herauszureissen und einen Spannungsbogen aufzubauen, Bücher zu lesen, Musik zu hören oder Filme zu schauen ist natürlich alles mein Leibgericht und darum bin ich ein grosses Filmkind. 

Achtest du beim Schauen eines Films auch besonders auf die Musik?

 

Ich bin natürlich sehr audiophil und mir fällt der Soundtrack auf. Aber für mich ist das Gesamtkunstwerk entscheidend. Ich glaube, Musik kann schlecht und komisch und unkonventionell sein, aber wenn sie zum Film passt, dann stimmt es. Ich glaube, man darf einen Score immer nur zusammen mit dem Film bewerten, denn, sagen wir 40% des Films hört man. Es gibt so viele schöne Beispiele für Filme, bei denen irgendwer die Musik verändert hat und man sich denkt, dass es plötzlich doof klingt. Wenn nur schon beim Spannungsaufbau die Musik nicht stimmt, dann kommt keine Spannung auf. Dazu kommt, dass aufwändig produzierte Musik nie sterben wird. Heute hat man oft das Gefühl, dass man schnell am Computer etwas kreieren kann, aber es gibt auch heute noch kaum Blockbuster aus Hollywood, die nicht echte Orchesteraufnahmen haben. Wenn man «Herr der Ringe» als Beispiel nimmt, dann haben diese Filme noch, wie früher, einen Score mit einem richtigen Orchester, weil man das nicht ersetzen kann. Das schafft kein Computer. Und das ist auch gut so. 

Und letzte Frage. Bald gehst du auf Tour. Was darf man von Seven 2015 erwarten?

 

Ich wäre nicht Seven, wenn ich nicht nochmals aufgestockt hätte. Ich mache bestimmt keinen Schritt zurück, sondern versuche einen nach vorne zu gehen. Ich habe vier neue Leute in der Band. Wir sind jetzt dreizehn Nasen auf der Bühne. Neu ist die Ex-Keyboarderin von Prince, dann habe ich zwei neue Bläser, somit haben wir jetzt, mit Alex am Sax, einen kompletten Dreiersatz. Dann habe ich Jean Pierre Von Dach als zweiten Gitarristen. Er ist ja in der Schweiz eine richtige Ikone an der Gitarre. Dafür verzichte ich mehrheitlich auf alles, was es nicht braucht. Keine Tänzer, nicht zu grosse Lichtshow oder Screens. Das alles lasse ich weg, weil ich gesagt habe, dass ich lieber eine grosse Band und eine Funkparty will. Wer also gerne Funk hat, wird bedient, das kann ich versprechen. 

 

Seven - «BackFunkLoveSoul»

 

  • Seven Live:
  • 16. Mai 2015
  • Volkshaus Zürich
  • Weiter Termine unter Sevenmusic.ch

 

Das Album «BackFunkLoveSoul» erscheint am 17. April. 

 

Patrick Holenstein / Di, 14. Apr 2015