So schön kann Blues sein

Konzertkritik: Girls with Guitars
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Bäckstage.ch / © Danny Schwenter

Es ist Freitagabend. Mitten in der Industriezone der Limmattaler Gemeinde Dietikon nimmt die Amerikanische Blues-Gitarristin Samantha Fish ein ausgiebiges Bad in der Menge. Sie reckt ihre Gitarre in die Höhe, lässt ihre Finger über die Saiten flitzen und spielt unter dem Jubel der Anwesenden ein scharfes Solo. Fish ist Teil des «Blues Caravan», eines Musikprojekts, das seit einigen Jahren in wechselnder Besetzung auf Tour ist. Fast schon ritueller Teil davon ist das Bad in der Menge, die Suche nach Nähe zum Publikum. Dass die Menschenmenge im Sounddock14 überschaubar ist, stört weder Samantha noch ihre beiden Mitmusikerinnen Dani Wilde und Victoria Smith. Sie haben Spass und das steht ihnen ins Gesicht geschrieben. 

 

Samantha Fish beim Bad in der Menge.

 

Schön zu beobachten, wie die Engländerin Dani Wilde bei ihren Soli konzentriert und leidenschaftlich zugleich die Augen immer wieder zusammenkneift und komplett im Blues aufzugehen scheint. Victoria Smith dagegen bildet augenscheinlich den ruhigen Part. Sie ist im Gegensatz zu Klein und Fish zum ersten Mal auf Tour dabei. Allerdings muss sie sich rein technisch nicht verstecken, auch wenn sie gelegentlich einige Schritte zurücktritt und mit dem Schlagzeuger die Rhythmusbasis übernimmt. Zielsicher, mal stoisch und reduziert, mal frech und ungezwungen, zupft sie den Bass. Smith, die ebenfalls aus England stammt, scheint ihre Rolle zu gefallen, denn sie wirkt zufrieden und ausgeglichen. Samantha Fish ist der heimliche Star der Truppe - zumindest hat sie diese Rolle auf der letzten Tour von Medien und Publikum ein wenig zugeschrieben bekommen - und so wird sie im Sounddock auch inszeniert. Sie erscheint bei Konzertbeginn zuerst auf und steht auch in der Mitte der Bühne, zudem ist sie meist am hellsten ausgeleuchtet. 

 

Victoria Smith geniesst den Blues. 

 

Den drei jungen Frauen scheint dieses Klischeedenken jedoch herzlich egal zu sein. Jede von ihnen bekommt ihre Zeit und sie bilden als Team eine bestechend gute Band, die nach Herzenslust den Blues zelebriert. Wenn eine soliert, halten sich die anderen beiden Musikerinnen vornehm zurück oder sie gehen je länger das Konzert dauert, desto mehr gemeinsam in den Songs auf. Etwa mit der abschliessenden Interpretation von «Nighttime Is The Right Time», einem Bluesstandard, dessen bekannteste Interpretation von Ray Charles stammt. Aber auch mit den eigenen Songs, denn die Setlist besteht hauptsächlich aus Solosachen der drei Künstlerinnen, ernten sie Applaus. Es ist die herrlich uneitle Art, mit der die Band auftrumpft, die einen gefangen nimmt. Ernst genommen wir aber höchstens die Musik, nicht etwa sich persönlich. Die Frauen schäkern zusammen auf der Bühne, reissen Sprüche und verzaubern mit der Unterstützung eines sehr taktsicheren Schlagzeugers, der ihnen die Rhythmen gentlemanlike zu Füssen legt, das Sounddock14 mühelos. Es ist das letzte Konzert der aktuellen Tour und als wollten sie noch einmal richtig viel Freude verbreiten, geben sie auch vor halbleerem Haus während zwei Stunden alles. 

 

 

Dani Wilde beim Griff in fremde Saiten.

 

Doch wieso sind nicht mehr Leute gekommen? Traut der geneigte Musikhörer jungen Frauen nicht zu, richtig guten Blues zu spielen? Das wäre ein Denkfehler, denn bei «Blues Caravan» – ohne etwas unterstellen zu wollen – ist der optische Faktor nur ein Teil des Programms. Wahrscheinlich ist der Männeranteil im Publikum darum so hoch. Viel wichtiger ist aber, dass die Drei auch technisch sehr gut sind. Vom klassischen Bluesschema bis zur Improvisation in schlicht atemberaubenden Soli und über die unverkrampfte Interpretation von «I Put A Spell On You» bis zu den vergnügten Ansagen stimmt ziemlich alles. Auch die aktuelle Besetzung des «Blues Caravan» hat sich als charmante und spielfreudige Band gezeigt und kaum, dass die Lichter angehen, sind sich Samantha, Victoria und Dani nicht zu schade, um geduldig Autogramme zu schreiben.

 

Alle Bilder von Bäckstage.ch / © Danny Schwenter 

Patrick Holenstein / So, 01. Apr 2012