Silbermond liefern im Hallenstadion - trotz Erkältung

Konzertkritik: Silbermond in Zürich
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Bäckstage / © Sandra Rohrer

Das Hallenstadion war ganz und gar nicht ausverkauft. Die Konzerthalle bot bis zu 6000 Zuschauern Platz und bei den Stehplätzen war noch einiges an Raum vorhanden. Zudem wurden Sitzplatztribünen von hinten auf die Fläche verschoben. Wohl damit die Halle nicht ganz so gross wirkte.

 

Dafür war die Bühne von Silbermond riesig. Laufsteg und eine zweite, kleinere Bühne waren zu sehen. Auf der Hauptbühne zierten ein riesiger Silbermond-Stern und viele Blumen, ein Pinguin und sogar Pinocchio die Bühne.

 

Mit einem langen Intro startete der lange Abend. Um 20.15 Uhr standen Silbermond, unterstützt von einem Keyboarder, auf der Bühne. Nach denn ersten fünf Songs steuerten Silbermond nach vorne zum Laufsteg und sangen «Mein Osten». Jenen Song, der an die Zeit vor der Wende erinnert, aber auch die Zeit danach aufgreift, weil diese Zeit ebenfalls sehr schwierig war. Steffi meinte auf der Bühne: «Dieser Song liegt uns sehr am Herzen und es war uns wichtig, diesen zu schreiben. Er bedeutet uns sehr viel.» Zu viert standen sie da, mit Kontrabass.

 

Grosse Halle, ganz klein und intim

 

Mit der ersten Single vom neuen Album «Schritte» blieb es vorerst ernst. «Träum ja nur (Hippies)» thematisiert, dass man vergessen sollte, was Reichtum heisst und Unterschiede nicht mehr wichtig sind in der Zukunft, damit ihr Kind sie einst fragen wird: «Was ist eigentlich ein Homophober? Was ist ein Rassist?» Tolle, wenn auch optimistische Message. Trotzdem baute sich nur schwer Stimmung auf.

 

Nach einem Ausflug auf die B-Stage, wo Steffi von einem Virus erzählte, der gerade in der Band grassiert und worauf sie ein Ricola gereicht bekommen hat, fanden sich Silbermond wieder auf der Hauptbühne und stimmten «Irgendwas bleibt» an. Steffi musste schnell das Bonbon loswerden. Nach fast 90 Minuten gelang es jetzt der Band, das Publikum zu erreichen und dieses Gefühl von «grosser Halle, ganz klein und intim» zu erzeugen.

 

Etwas später setzte sich Steffi ganz alleine auf den Laufsteg und stimmte mit «Ich habe einen Schatz gefunden …» den nächsten Song an. Mehr musste sie nicht singen, bis gefühlt alle im Stadion «Das Beste» mitsangen. Mit «Leichtes Gepäck» brachten sie danach das Stadion zum Hüpfen und Tanzen.

 

Fotos: Bäckstage / ©Sandra Rohrer (sandrarohrerphotography.com)

 

Nach 2 Stunden stand der Überhit «Symphonie» auf der Setlist. Für die Band war die Single der grosse Durchbruch. Beim Song war aber deutlich zu hören, dass Steffi nicht ganz so fit ist. Das erklärt vielleicht den eher langsamen Start in die Show. Die hohen Töne im Song erreicht sie nicht immer und liess sie teils weg. Aufgefallen ist das nicht wirklich, weil das Publikum sowieso euphorisch mitsang. Mit riesigen Engelsflügeln am Körper und mit dieser Erkältung im Nacken meisterten die Band und Steffi den Klassiker sehr gut.

 

Bei keinem Silbermondkonzert darf das Stage Diving von Steffi fehlen, auch wenn es dieses Mal etwas kürzer ausfiel, weil so ein Konzert sonst schon Kraft braucht, gerade wenn man angeschlagen ist. Doch Silbermond sind eine Band ohne Berührungsängste. So spazierten sie bei «Bestes Leben» entspannt durch die ganze Halle, stiegen auf die Tribüne und wieder runter zu den Stehplätzen. Ganz nahe beim Publikum. Ein schöner Moment, der damit endete, dass die Band eine junge Frau aus dem Publikum auf die Bühne einluden, um gemeinsam zu singen.

 

Zum Schluss erzählte Steffi noch was zum letzten Song: «Absurde Dinge passieren. Wenn ein Mensch geht, bleibt trotzdem was von ihm. Auch absurd, wie viele sachliche Dinge er hinterlässt und Erinnerungen. Ich war 18 Jahre alt, als mein Vater ging. Es war nicht easy und ich weiss nicht, wieso diese Erinnerungen bei diesem Album wieder hochgekommen sind. Aber in dieser Zeit sind in der Band enge Menschen von uns gegangen und ein Zwerg ist gekommen. Geniessen wir doch die Zeit, die wir haben. Genau das hilft uns.» Dann stimmte sie denn letzten Song an, «In meiner Erinnerung», den sie für ihren Vater geschrieben hat. Mitten im Song versagte ihr die Stimme und sie weinte. Ein berührender Moment. Steffi meinte darauf, sie würden den Song heute erstmals hier in der Schweiz spielen.

 

Dann verabschiedeten sich Silbermond mit den Worten: «Wir kommen wieder. Am 12. Juli spielen wir am Moon & Stars in Locarno. Tickets sind schon im Verkauf.»

 

2.5 Stunden Konzert! Bei Silbermond wird etwas geboten fürs Geld. Mit Erkältung und Husten muss man das zuerst meistern. Der Start war eher langsam und mühsam, aber nach circa einer Stunde blitzte das Potential der Band auf.

 

Silbermond sind schon seit jeher ein Garant für lange Shows. Es war ein schöner, emotionaler Abend und sie liessen die Fans mit einem breiten Lächeln nach Hause gehen.

 

Sandra Rohrer / Do, 30. Jan 2020