Mit Cowboy-Hut, Charme und Melodie

Konzertkritik: Colter Wall im Papiersaal
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Promobild: Just Because

Colter Wall habe ich zum ersten Mal 2018 in einem Tattoostudio in Kopenhagen gehört. An jenem Abend lauschten wir der gesamten bis dahin erschienene Musik des jungen Kanadiers. Seither laufen die Songs regelmässig bei mir Zuhause, besonders begeisternd sind für mich seine raue Stimme und die teilweise sehr poetischen Texte. Am Dienstag, dem 19. März erwarte ich deshalb ungeduldig auf den Beginn seiner Performance im Papiersaal.

 

Belle Plaine spielt als Vorband. Sie stammt aus derselben Region Kanadas wie Colter Wall, Saskatchewan, und ist eine beständige Kollaborateurin von Colter. Sie spielt ein Cover von Lefty Frizzel, „Long Black Veil“, und einige selbst geschriebene Songs, die das Publikum angemessen in Country-Stimmung bringen. Schliesslich bringt sie auch noch ihren Ehemann auf die Bühne und gemeinsam singen sie ein schönes Duett, „Is It Cheating“, das sie ursprünglich mit Colter aufgenommen hat.

 

Während diesem stimmigen Auftakt verschwinde ich kurz auf die Toilette – und treffe Colter Wall an. Es sind nur wir zwei im Raum, ich überlege mir kurz, ihn anzusprechen. Da er seine Hose offen hat und gerade pinkelt, lasse ich es aber bleiben. Er ist kleiner als ich ihn mir von den Live-Videos, die ich online gesehen habe, vorgestellt habe. Er ist sehr hager, das erkennt man trotz der weiten Cowboy-Kleider, die er trägt. Sein etwas weiches, eher dickbackiges Gesicht versteckt er unter einem Cowboy-Hut und einem dichten, roten Bart. Nach dieser kurzen Begegnung bin ich noch gespannter auf das bevorstehende Konzert.

 

Die ersten vier Songs spielt Colter Wall nur mit Gitarre, für den letzten bringt er Belle Plaine zurück auf die Bühne, gemeinsam singen sie „Caroline“. Diese ruhigeren Songs bringen seine eindrucksvolle Stimme in den Vordergrund. Trotzdem merkt man, dass das Publikum mehr möchte. Die Strategie ist nicht schlecht; Colter hält die Zuschauer hin und sagt nach dem vierten Lied mit Belle, welches sehr gut ankommt: „Alright, let’s get the boys on stage!“

 

Die Band des jungen Songwriters ist für das urbane Zürich ein ungewöhnlicher Anblick. Allesamt kommen in karierten Cowboy-Hemden, die meisten tragen Cowboy-Hüte, dicke, metallene Gürtelschnallen, lange Haare und Silberringe. Viele der Zuschauer haben sich aber ebenfalls entsprechend gekleidet. Sobald Colter „Thirteen Silver Dollars“ anspielt, sind die Leute in Stimmung und beginnen mitzusingen. In der Mitte setzt die gesamte Band ein und beschleunigt das Tempo laufend. Die Leute tanzen und singen.

 

In dieser Stimmung verbringen sie den Grossteil des Konzerts. Der Mix im Papiersaal ist hervorragend, man hört jedes Instrument klar – besonders die Slide Guitar des jungen Herrn ist eine Freude für jedermann – und alles das ohne, dass Colters Stimme untergeht. So will das Publikum auch nach dem einstündigen Set und rund zwanzig Songs noch mehr. Da der Raum so voll ist schlägt der junge Sänger vor, dass die Band nicht wie gewohnt in den Backstage-Bereich verschwindet, um dann „überraschend“ für eine Zugabe zurückzukehren. Die Leute lachen und jubeln. Statt der üblichen Verabschiedung endet Colter die Show gleich mit einem Cover von Ray Wylie Hubbard, „Up Against the Wall, Redneck Mother“, das einige Leute lauthals mitsingen. Dafür kommen Belle Plaine und deren Ehemann nochmals mit auf die Bühne, zu dritt singen sie den Refrain im Chor.

 

 

Ein gelungener Country-Abend im Papiersaal. Colter Wall sollte man auf jeden Fall im Auge behalten.

Jonas Stetter / Do, 21. Mär 2019