James Vincent McMorrow: Irlands Antwort auf Bon Iver

Kritik: James Vincent McMorrow @ Mascotte
Bildquelle: 
James Vincent McMorrow Facebook

Restlos ausverkauft hiess es vergangenen Sonntag im Zürcher Mascotte. Grund dafür war kein geringerer als James Vincent McMorrow - Dublins Antwort auf Bon Iver. Kaum zu glauben, dass der Singer-/Songwriter, bevor er dem Folk verfiel, als Schlagzeuger ein glühender Anhänger des Hardcore-Rocks war.

 

Doch bevor James Vincent McMorrow das Zürcher Publikum verzauberte, war es ein anderer, der mit seiner Melange aus düsterer, melancholischer und schwermütiger Besinnlichkeit für Begeisterung sorgte. I Have A Tribe nennt sich das irische Ein-Mann-Projekt von Patrick O’Laoghaire. I Have A Tribes Songs ab seiner Debüt-EP «Yellow Raincoats» waberten mit hypnotisierender Eleganz, einer feinen Folk-Pop-Wolke gleich, durch das Mascotte. Benebelt und in herrlich andächtige Stimmung gebracht, liess James Vincent McMorrow nun auch nicht mehr lange auf sich warten.

 

Hipster-Romantik

 

Ein gemütlicher Abend, um unter die Decke zu kuscheln und mit einem Glas Wein seinen Gedanken freien Lauf lassen. So lässt sich McMorrows Musik am ehesten beschreiben - sie gleicht viel mehr einem Zustand als nur einem Gefühl. Kitschig war der Auftritt von McMorrow trotzdem nicht. Auch wenn romantisches Kerzenlicht bestens zu einem Glas Wein passen würde, war die Bühne stattdessen mit einem guten Dutzend dreiseitiger Lichtpyramiden bestückt, die eine gewisse Hipster-Romantik ausstrahlten.

 

Zu Anfang noch zurückhaltend und distanziert, wollte James Vincent McMorrow gegen Ende gar nicht mehr aufhören mit dem Publikum zu plaudern. Der Auftritt des Iren glich einem Wechselbad der Gefühle, hin- und hergerissen zwischen Optimismus und Schwermut. Cover-Songs kommen oft nicht an das Original heran, doch McMorrow schafft mit seiner gefühlvollen Interpretation von Steve Winwoods «Higher Love» selbst diese Hürde zu überwinden.

 

Folk-Moleküle tanzten kreuz und quer

 

Mit dem Zweitling «Post Tropical» ist dem 31-jährigen Iren nach dem bereits umjubelten Debüt-Album «Early In The Morning» nun ein weiteres Meisterwerk gelungen. Songs wie «Gold» und «Cavalier» scheinen sogar live erst ihre volle Wirkung zu entfalten. Die Songdramaturgie gleicht der eines Theaterstücks, bei dem die Klimax erst dank des Zusammenspiels mit dem Publikum ihre volle Wirkung entfaltet. Knapp zwei Stunden tanzten die Folk-Moleküle kreuz und quer durchs Mascotte und wollten zu guter Letzt gar nicht erst wieder eingefangen werden.

Dominique Rais / Di, 21. Okt 2014