Chuck Ragan versammelt seine Freunde im Abart

Konzertkritik: The Revival Tour

Wenn Chuck Ragan ruft, dann folgen ihm musikinteressierte Menschen. Ergo: Das Abart war komplett ausverkauft. The Revival Tour gastierte schliesslich erst das zweite Mal in der Limmatstadt. Erneut hat Post-Hardcore-Legende Ragan eine auserlesene Truppe um sich versammelt und zu einem Abend voller akustischer Highlights und einer geballten Ladung treibenden Folk-Punk geladen. 

 

Mit zehn Leuten erschien Chuck Ragan locker und entspannt auf der Bühne. Die fünf Hauptdarsteller und die Streicher-Truppe wurden kurz vorgestellt und jeder der Hauptprotagonisten durfte bei einem Song die Leadstimme übernehmen. Danach spielte jeder ein kurzes Set und der Rest der Band lümmelte rechts neben der Bühne, hörte zu und hatte viel Spass. 

 

Cory Branan machte den Anfang. Der Songwriter aus Southaven Mississippi bearbeite wie ein Wilder seine Akustikgitarre, um im nächsten Moment fast zärtlich an den Saiten zu zupfen. Ein Wunder, dass bei so viel Enthusiasmus keine Saite gerissen ist. Später bekam Branan stimmliche Unterstützung von Chuck Ragan und Emily Barker und erzählt von der «Prettiest Waitress in Memphis». Typisch für Branan: aufbrausendes und charakteristisches Gitarrespiel. 

 

Emily Barkes Gesang versinkt im Germurmel

 

Zweiter Act war die Australierin Emily Barker. Typisch für Barker: ihre glasklare Stimme. Leider aber ging Emilys Gesang etwas im störenden Gemurmel des Publikums unter. Zu Unrecht, denn sie spielte sich mit feinen und rhythmisch vielseitigen Songs durch ihr Kurzset, zwischen schwerelosen Balladen und stampfenden Folkhymnen. Für ihren letzten Song bekam sie Gesellschaft von Jay Malinowski und Rocky Votolato sowie der fantastischen Streicherfraktion, die nie einfach nur begleitete, sondern immer leise Akzente gesetzt hat.

 

Danach übernahm Jay Malinowski und stieg mit einem alten Seemannslied ein. Typisch für Malinowski: seine verrauchte dunkle Stimme (erinnert in Facetten an Bryan Adams) und sein Pianospiel. Zeitweise klang er wie ein Barpianist in einem irischen Pub, was sicherlich am Teppich der Streicher lag. Der hauptamtliche Sänger von Bedouin Soundclash zeigte, wie man einen vollen Club begeistern kann. Er überraschte zum Schluss gar mit einem Calypso-Song, interpretiert mit Rocky Votolato, Cory Branan und den Streichern. Was für ein Schluss für sein Set.

 

Vierter war Rocky Votolato aus Seattle, der gleich mit der Mundharmonika und Gitarre startete. Typisch für Votolato: seine absolut unscheinbare Art, Geschichten zu erzählen. Mit Kurzhaarschnitt und Hemd wirkt er wie der Typ von nebenan und doch ist genau diese natürliche Aura das Geheimnis des Rocky Votolato. Er ist der «nice Guy» aus der Nachbarschaft. Der Künstler ist im Abart sowieso ein gern gesehener Gast und auch im Rahmen der Revival Tour sorgte Rocky Votolato für viel Stimmung. 

 

Im besten Sinne ein Gossenpoet

 

Chuck Ragen machte schliesslich den Abschluss. Das Klang von Beginn weg dreckig, die Punkattidüte war deutlich zu spüren. Nicht zuletzt lag der Grund dafür in der tiefen Stimme. Typisch für Ragan: dunkel-kratziges Gemurmel, wie man es sonst von Tom Waits kennt. Natürlich hat Ragans treibender Punk-Folk nicht viel mit Waits gemein. Doch wuchtige Songs und ein frenetischer Chuck Ragan, der mit Hemd und Hut wie ein cooler Gossenpoet wirkte, überzeugten. Dass dieser Ausdruck nicht despektierlich gemeint sein kann, bewies sein unglaubliches Charisma. Ragan liebt Musik und hat Spaß daran. Wahrscheinlich liegt nicht zuletzt dieser Tatsache die Idee zu Grunde, weshalb er das Projekt Revival Tour ins Leben gerufen hat. Als Special Guest lädt er Digger Barnes auf die Bühne und stellt ihn als alten Freund vor. Der spielte mit einem Banjo bewaffnet einen Song ganz alleine und bat dann Chuck und die Streicher für «Pure As Gold» auf die Bühne. 

 

Alle zehn Musiker sangen zum Abschluss der Solosets einen A-Cappella-Song. Das klang zwar zeitweilig etwas schief, hatte aber durchaus Charme. Danach gab die ganze Band nochmals ordentlich Gas und als das akustische Konzert nach weit über drei Stunden zu Ende ging, blieb die Spielfreude dieser Truppe wohl in den meisten Köpfen zurück. The Revival Tour kann gerne wieder in Zürich Halt machen. 

Patrick Holenstein / Fr, 09. Nov 2012