Gurten, Chips & Gin

Erlebnisbericht: Gurtenfestival
Bildquelle: 
Laura Zeller

Freitag:

Um 10 Uhr morgens mache ich mich auf in Richtung Gurtenfestival. Mit dabei: Campingausrüstung, Schokolade, Chips und Gin. Ich habe nicht vor, den Berg vor Sonntagabend zu verlassen. Als ich unten am Gurten ankomme, wird mein «frühes» Aufstehen belohnt: Ich muss weder für den Bändelumtausch noch für das Gurtenbähnli anstehen. Erst auf dem Berg ein kleines Hindernis - in der «grössten Jugendherberge der Welt», der Sleepingzone auf dem Gurten, sind nur Zweier-Iglu-Zelte erlaubt. Meine Freunde und ich sind natürlich souverän mit unserem Vierer-Zelt angereist. Mit einem überzeugenden Lächeln und der Behauptung, dass das ein Zweier-Zelt in einer sehr grossen Hülle sei, haben wir es aber tatsächlich durch die Kontrolle gekriegt. Phu! Jetzt nur noch schnell das Schlafgemach aufstellen und dann ab aufs Festivalgelände.

 

Stammgast beim Kaffeestand

 

Beim ersten Act auf der Hauptbühne – Casper – scheint sogar noch die Sonne. Als ich mich danach vor die Waldbühne setze, um den schönen Melodien von Pablopolar zu lauschen, fallen die ersten Regentropfen. Also mache ich schnell einen Zwischenstop beim Zelt, um mich mit Regenjacke und Gummistiefeln auszurüsten. Das hätte ich mir schenken können. Beim Züri West Konzert öffnet der Himmel seine Schleusen erst recht. Der Regen prasselt so stark, dass die beste Jacke bald versagt. Vor der Hauptbühne ist es brechend voll, die Stimmung trotz nasser Witterung super. Trotzdem quetsche ich mich lieber mit etwa 500 anderen Festivalbesuchern unters schützende Dach des Essenszelt und höre von dort aus den Rest des Konzertes. Leider beginnen nun auch die Temperaturen zu sinken. Der Regen hält auch bei Headliner Lenny Kravitz an. Dennoch bleibt der Zuschauerraum berstend voll. Lenny begeistert die Menge mit seinen grössten Hits, was genug Entschädigung für Nässe und Kälte ist. Zum Tagesabschluss gönne ich mir Digitalism auf der Zeltbühne. Leider erweist sich der Auftritt des Hamburger Electro-Duo als nicht allzu mitreissend. Daher gehe ich um drei Uhr morgens (oder vielleicht doch eher vier Uhr…?) zurück ins Zelt.

 

 

Samstag:

Nach einer kurzen, durchfrorenen Nacht voller Angst, ob das Zelt dem Sturm draussen standhält, schäle ich mich am Morgen viel zu früh aus dem Schlafsack. Zum Glück bin ich hier an einem Openair, da sehen alle gleich verschlafen und kaputt aus. Und der Matsch auf den Schuhen und Hosen gilt hier ja als sexy. Nach vier Kaffees und einer warmen Dusche (ja, das Rinnsal aus der Brause war tatsächlich warm!) bin ich dann bereit. Bereit, mich vor der Hauptbühne ins Gras zu legen und Xavier Rudds genialen Auftritt zu geniessen. Der Australier beeindruckt mich sehr, als er sich während dem Didgeridoo-Spiel auf dem Schlagzeug selbst begleitet. Und singen kann er auch noch! Ausserdem strahlt die Sonne vom Himmel als wäre in der Nacht zuvor nie ein Tropfen Regen gefallen. Bevor ich mich zum Interview mit Dry the River begebe, gönne ich mir noch einen fünften Kaffee. Dabei singen die netten Jungs vom Kaffeestand mir als Stammkundin gleich noch ein Ständchen. Manni Matters «Zundhölzli» in original Berner Dialekt! Danke schön, das war super ;-)

 

Nivea-Girls und nackte Haut

 

Ab 15.45 rocken dann Frank Turner und seine Sleeping Souls die Hauptbühne. Unterdessen scheinen sich sämtliche der 20‘000 erwarteten Besuchern auf dem Gurten eingefunden zu haben. Die Leute stehen von der Hauptbühne bis hinauf zum Bacardidome. Die Stimmung ist heiter, das Bier fliesst in Strömen und sogar die netten Mädchen von Nivea, die Sonnencreme verteilen, kommen zum Einsatz. Beim Auftritt von Patent Ochsner erreicht die Laune der Festivalbesucher einen neuen Höhepunkt. Die Berner Band hatte auf dem «Güsche» quasi ein Heimspiel, was alle sichtlich genossen.

 

Hervorragend war auch die Show von Bonaparte um 23.15 Uhr auf der Zeltbühne. Die Band mit Mitgliedern aus acht verschiedenen Ländern wurde ihrem Ruf voll und ganz gerecht. Der Auftritt glich einer Zirkus-Show und die Protagonisten provozierten mit viel nackter Haut. Das ganze wurde mit einer grossen Portion Humor kombiniert. Unterdessen sind die Temperaturen auf dem Berg leider wieder ins Unangenehme gesunken. Trotzdem lasse ich mir Example und Fritz Kalkbrenner nicht entgehen. Irgendwann gehe zurück zu unserem Zelt um ein bisschen zu schlafen.

 

Sonntag:

Wieder eine kurze, kalte Nacht hinter mir. Wieder alle eineinhalb Stunden erwachen, weil ich mit samt Schlafsack einen Meter auf dem Zeltboden nach unten gerutscht war. Für diejenigen, die noch nie auf dem Gurten gezeltet haben: Es ist ein Berg! Dementsprechend zeltet man dort am Hang. Das macht das Schlafen definitiv zu einer Kunst für sich.

 

Kein Stress beim Kotzen

 

Am frühen Nachmittag betritt Stress die Hauptbühne. Er begrüsst die Menge mit einem fröhlichen: «Guten Tag Gürten-Festiväääl! ´Aben sie eine schöne Wochenende ge’abt? Wär ´at gekozt? Es ist okey, es ist in unserer Natüüüür…» Und so reisst er weiter munter Sprüche. Der Auftritt ist super. Auch heute stehen die Zuschauer bis ganz hinten zum Bacardidome und feiern was das Zeug hält. Der Westschweizer Rapper überrascht sein Publikum mit einem Duett mit Bastian Baker sowie mit Pegasus-Frontman Noah Veraguth.

 

 

Sehr gefallen an diesem Tag hat mir auch der Auftritt von Plan B. Der Brite beweist sein Talent in dem er mal Soul-, mal Hip Hop-, mal Elektro- bis hin zu Dubstep-Tönen anschlägt. Um halb acht beendet Snow Patrol das Gurtenfestival 2012. Der erneute Regen hält das Publikum nicht davon ab, sich von Hits wie «Chasing Cars» und «Shut your Eyes» verzaubern zu lassen. Und wie bestellt erscheint noch ein Regenbogen am schwarzen Himmel neben der Bühne. Ein gelungener Abschluss eines gelungenen Festivals.

 

Das anschliessende Zeltabbrechen und vom Gurten-Runterlaufen im strömenden Regen kann meine gute Laune nicht dämpfen. Das Festival war super. Viele Musiker haben sich etwas Spezielles einfallen lassen, um ihr Publikum zu begeistern. Auch wenn das Wochenende mit viel Frieren und Feuchtigkeit und wenig Schlaf verbunden war, hat es sich absolut gelohnt. Ich freue mich schon aufs Gurtenfestival 2013 und bin gespannt, ob das das Diesjährige überhaupt noch toppen kann.

Laura Zeller / Di, 17. Jul 2012