Vier Frauen – und jede Menge Statisten

Movie-Kritik: Widows
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© Twentieth Century Fox Film Corporation.

Ein von Harry Rawlings (Liam Neeson) geplanter Raubüberfall läuft schief: Die gesamte Gruppe um den bekannten Hehler stirbt. Ihren Frauen bleiben Trauer, Frust und Probleme. Als Harrys Frau Veronica dessen Notizbuch mit einem weiteren geplanten Raubüberfall findet, beschliessen die Witwen kurzerhand, den Heist selbst durchzuführen.

 

Steve McQueen hat mit seinen Filmen «Shame» und «12 Years a Slave» schon gezeigt, dass er seine Hauptdarsteller zu exzellenten Schauspieldarbietungen bringen kann. Auch in «Widow»s zeigt er diese Fähigkeit; Viola Davis überzeugt mit der Darstellung ihrer Trauer und Wut, besonders aber der eiserne Entschlossenheit – die sie schon im Film «Suicide Squad» und der Serie ,How to Get Away with Murder» zeigen konnte – beeindruckt.

 

«Widows» konzentriert sich auf viele Aspekte gleichzeitig: Einerseits wird die persönliche Beziehung der Witwen zu ihren verlorenen Männern in den Fokus gesetzt. Gleichzeitig verarbeitet Veronica ein noch älteres Trauma, welches bereits als Schatten über ihrem Leben hing. Dann gibt es noch politische Intrigen zwischen zwei Kandidaten, welche beide in den Stadtrat gewählt werden möchten. Sogar die Babysitterin von einer der Witwen erhält ihre Geschichte erzählt. Und schliesslich steht über allem die feministische Botschaft des Films. McQueen und Gillian Flynn («Gone Girl»), die am Drehbuch mitschrieb, gingen ambitioniert an das Projekt heran.

 

Die Fächerung in so viele verschiedene Plots und Themenbereiche gelingt aber nur bedingt: Während die Figuren (auch Nebenfiguren, welche in nur wenigen Szenen vorkommen) mit wenigen Ausnahmen plastisch wirken und sie auch nach dem Kinobesuch deutlich in Erinnerung bleiben, verbringt McQueen zu viel Zeit mit einigen Nebenfiguren. Dies ist besonders dann problematisch, wenn das dargestellte Geschehen wenig Einfluss auf die Handlung hat. Eine der Folgen ist, dass der ohnehin schon nicht kurze Film sich in die Länge zieht.

 

Filmtechnisch zeigt McQueen in einigen Momenten fast prahlerisch sein Talent zur visuellen Komposition und Eleganz in der Kameraführung. Diese ziehen aber stets die gesamte Aufmerksamkeit auf sich und wirken daher trotz ihrer Anmut in diesem Thriller eher ablenkend. Hinzu kommen einige Entscheidungen im Skript, welche schlicht unlogisch sind und den Zuschauer verwirren. Die Zutaten für einen guten Film sind hier – die Zusammensetzung lässt zu wünschen übrig.

 

Viele gute Ansätze – wohl zu viele. Steve McQueen hat sich in seinem jüngsten Projekt etwas übernommen.

 

  • Widows (USA 2018) 
  • Regie: Steve McQueen 
  • Darsteller: Michelle Rodriguez, Elizabeth Debicki, Colin Farrell, Liam Neeson, Robert Duvall, Viola Davis, Carrie Coon, Jon Bernthal, Garret Dillahunt 
  • Laufzeit: ca. 130 Minuten
  • Kinostart: 6. Dezember 2018

 

Jonas Stetter / Fr, 07. Dez 2018