Spielbergs extravaganter Schrottplatz

Movie-Kritik: Ready Player One
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© Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.

Zur Mitte des 21sten Jahrhunderts verdaddelt die Menschheit ihr Leben weitgehend auf der virtuellen Plattform «Oasis», denn offenbar gibt es keinen Weg mehr, unsere Zivilisation offline erträglich zu gestalten. Diese philanthropische Prämisse aus Ernest Clines gleichnamigem Beststeller muss Steven Spielberg so verzückt haben, dass er sie gleich verfilmen wollte. Zwei Stunden lang kämpfen die Avatare gewöhnlicher Mitspieler gegen die unlauteren Machenschaften böser Internetkonzerne, um die Kontrolle über die «Oasis» zu erlangen – und meistern dabei ausgerechnet die erste Hürde mit einem billigen Trick. 

 

Geisterhafte Leere

 

Während man in der Eröffnungsszene horizontal durch ein epileptisches Sammelsurium aus Filmen, Computerspielen und Fernsehserien der Achtzigerjahre stürzt, vermag man nur noch einen klaren Gedanken fassen: Welches ist eigentlich die Zielgruppe dieses Streifens? Jugendliche dürften die Verweise auf «Knight Rider», Pong oder einschlägige Animes kaum nachvollziehen können. Doch wer damals tatsächlich jung war, der müsste schon nach hundert Metern flugkrank geschrieben sein. Spielberg versucht diesen Widerspruch zu versöhnen, indem er sich wenigstens musikalisch auf gemeinsame Nenner konzentriert. «Jump» von Van Halen kennt bestimmt jeder, doch den Film ausgerechnet mit dem totesten aller Radiohits zu starten, zeugt von Realitätsverlust. Und wenn die Hauptdarsteller bei «Staying Alive» in der Schwerelosigkeit turteln, entsteht eine so geisterhafte Leere, dass man sich mutterseelenallein im Saal fühlt. 

 

Ein alter Bekannter in der «Oasis». (© Warner Bros. Ent. All Rights Reserved.)

 

Viel Menschlichkeit gibt’s auch sonst nicht. Hauptdarsteller Sheridan versteckt sein Gesicht meist hinter seinem Visor oder einer komplett deplatzierten Lesebrille, und Cooke verbirgt das ihre hinter der Fönfrisur: Man bekommt sie hauptsächlich als Avatare in dürftiger Auflösung zu sehen. Ehrlich gesagt gewährt der Film nur einem einzigen Darsteller Zeit fürs Schauspiel: Ben Mendelsohn, und der macht als gerissener Bösewicht seine lauwarme Darbietung in «Rogue One» mehr als vergessen. Um den ganzen Film zu stemmen reicht das natürlich nicht, und so wähnt man sich in dieser unreflektierten Pixelmelange zu keiner Zeit im Mittelpunkt. Vielmehr hat man das Gefühl, PewDiePie beim Zocken über die Schulter zu schielen – aus etwa einem Kilometer Entfernung, stetig darauf hoffend, dass er sich bald ausloggt.  

 

Die Kernfrage

 

Angeblich befasst sich der Film mit den Konflikten, die entstehen, wenn einige wenige Firmen das ganze Internet beherrschen. Falscher Ansatz: Dank unserer Untätigkeit schlittern wir mit der serbelnden Netzneutralität dieser Dystopie längst entgegen. Vielmehr sollten wir uns fragen, ob wir denn wirklich in einer Welt leben wollen, in der wir zu reinen Konsumenten degradiert worden sind und nach den Regeln anderer spielen müssen. Die «Oasis» ist grundsätzlich ein Kontroll- und Disziplinierungswerkzeug für eine desillusionierte, perspektivlose und potentiell gewaltbereite Bevölkerung – aber thematisieren tut das keine Szene. Und wird am Ende des Films die Moral von der Geschicht viel zu dick aufgetragen, wünscht man sich, seine Zeit anderweitig investiert zu haben. 

 

Suchen ohne zu finden

 

Die vielleicht dringlichste Frage ist jedoch die, ob wir künftig weiterhin seelenlose Neuaufgüsse auf der Grossleinwand hinnehmen. So gesehen repräsentiert «Ready Player One» einfach alles, was derzeit in Hollywood schiefläuft. Reboots, Prequels und Spin-Offs – im Quadrat und auf Stereoiden. Statt eigene Ideen hinzuzufügen, bombardiert der Film die Zuschauer lieber mit Kindheitserinnerungen und Referenzen aus der Populärkultur. Wer unentwegt nach Ostereiern sucht, der findet schliesslich keine Handlungsfehler. Und bevor ihr mich jetzt falsch versteht: Der Film funktioniert. Action und Spezialeffekte vermögen die zwei Stunden problemlos zu füllen. Wobei gleiches schon für «Transformers 5», «Geostorm» oder «Independence Day 2» galt. Wiederverwertung schafft beim Publikum eben Vertrautheit und bei den Produzenten Wohlgefälligkeit. Doch ein Recyclinghof ist im Grunde auch nichts Anderes als ein extravaganter Schrottplatz, wo endlos aufbereiteter Abfall zufällig zusammengemischt zum Neupreis feilgeboten wird. Wie lange gedenken wir diesen noch zu bezahlen?

 

 

Spielberg auf Autopilot – sein weitgehend virtueller Actionfilm ist derart mit Ostereiern aus der Populärkultur überfrachtet, dass selbst der Osterhase einen Hexenschuss bekommt. Vielleicht kommt er deswegen nicht vor.  

  • Ready Player One, USA 2018
  • Regie: Steven Spielberg
  • Buch: Ernest Cline
  • Darsteller: Tye Sheridan, Olivia Cooke, Ben Mendelsohn, T.J. Miller
  • Laufzeit: 140 Minuten
  • Kinostart: 5. April 2018

 

Mike Mateescu / Do, 05. Apr 2018