Cat n’ Marvel

Movie-Kritik: Captain Marvel
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Die verschachtelte Erzählweise gestaltet eine spoilerfreie Wiedergabe der Prämisse leider schwierig. War «Ant-Man» weitgehend eine Komödie, «Captain America: Winter Soldier» ein Spionage-Triller und «Black Panther» ein Dynastien-Film, so handelt es sich bei «Captain Marvel» um eine Art Detektivgeschichte. Die Heldin, deren Name mehrmals wechselt, leidet unter Gedächtnisverlust und muss ihre wahre Identität ermitteln. Sie ist zunächst eine Soldatin des Kree-Imperiums, das vom Terror der Skrull erschüttert wird. Diese Aliens sind deswegen so gefährlich, weil sie als Formwandler jede beliebige Gestalt annehmen können. Bei einem Kampfeinsatz gerät die Heldin in Gefangenschaft und wird bei ihrer Flucht auf die Erde verschlagen. Es ist 1995 und ein junger Nick Fury, der spätere Begründer der Avengers-Initiative, hilft ihr im Kampf gegen die Skrull, welche die Erde längst infiltriert haben. 

 

Soviel zur Ausgangslage. «Captain Marvel» ist mittlerweile der einundzwanzigste Film in Marvels zusammenhängender Kino-Saga, dem MCU. Und dieser Kontext ist relevant, um den Film fair zu besprechen. Die meisten Reviews verbeissen sich im Umstand, dass es der erste MCU-Film mit einer weiblichen Hauptfigur ist, und verbitten sich deshalb jegliche Kritik. Doch dies wäre zu einfach. Gemeinsam mit «Ant-Man and the Wasp» befindet er sich genau zwischen den beiden Avengers-Spektakeln «Infinity War» und dem im April startenden «Endgame», das einen Wendepunkt darstellen wird. Ähnlich wie bei «Black Panter» wurden die Marvel-Ressourcen hauptsächlich auf das nachfolgende Avengers-Ensemble verwendet, was sich bei «Black Panther» durch unfertige Computereffekte äusserte. Bei «Captain Marvel» kam der verspätete Start der Dreharbeiten hinzu. Dieser erklärt nicht nur die lauen Trailer, sondern blutet in fast alle Aspekte des Films.  

 

Um es vorweg zu nehmen: «Captain Marvel» wird den Standards des MCU absolut gerecht, wirkt aber mehrheitlich unausgereift. Der Grund für die drei Hauptschwächen des Films dürfte auf Zeitdruck zurückgehen. Die gute Nachricht: Die Handlung selbst ist davon nicht betroffen. Zwar wird die Erzählweise gerade im ersten Drittel stellenweise erratisch, doch dies soll lediglich die Verwirrung der Heldin unterstreichen. «Captain Marvel» wartet mit grossartigen Ideen auf, doch deren Umsetzung wirkt halbherzig, so als wäre ein leckerer Eintopf zu früh vom Herd genommen worden. Das Erscheinungsbild ist unterwältigend, das Durchführungstempo inkonsistent, die Darstellung der Neunziger wenig überzeugend und drängende Fragen nach dem Verlust von Furys Auge (Nerd-Alarm) oder dem Verbleib der Heldin während der gesamten Laufzeit des MCU, werden nicht zufriedenstellend beantwortet. 

 

Heldin ohne Hindernisse 

 

Zweiter Kritikpunkt wäre die Hauptfigur selbst. Dass die Heldin ihre Identität finden muss, entschuldigt nicht die Flüchtigkeit ihrer Person. Selbst bei Filmende ist sie als Charaktere nicht wirklich greifbar. Und dann wäre da noch die Überzeichnung ihrer Superkräfte. Helden werden durch ihre Mängel definiert, nicht durch ihre Stärken. Und da die Protagonistin zu keiner Zeit irgendwelche Schwächen zeigt und auch keine ernstzunehmenden Gegner auftreten, gestaltet sich gerade das letzte Drittel nur mässig spannend. 

 

Es ist tatsächlich so, dass die Katze und auch Ben Mendelsohn als charmanter Skull-Anführer dem Captain oftmals die Show stehlen. Doch spricht am Ende nichts gegen einen vergnüglichen Abend mit Marvels neuester Heldin und ihrem amüsanten Partner Nick Fury. Die Auflösung ihrer Geschichte ist überzeugend, und auch wenn «Captain Marvel» eher im unteren Drittel des MCU rangiert, überstrahlt er – mit Ausnahme von «Wonder Woman» und «Aquaman» – so ziemlich alle Filme von Konkurrent DC. Daher halte ich mich mit Kritik an Brie Larson vernehmlich zurück. Ob sie die richtige Besetzung war, wird sich in Endgame zeigen. Wenn sie jenen Film zu bereichern vermag, sollte einer Fortsetzung – hoffentlich mit neuen Regisseuren und Autoren – nichts mehr im Weg stehen. Schon Captain America lieferte einen schwachen Einstand, nur um mit «Winter Soldier» einen der besten MCU-Filme abzuliefern und zu einem Grundpfeiler der Saga zu werden. 

 

Captain Marvels Einstand sollte als schmackhaftes Appetithäppchen vor dem grossen Showdown in «Endgame» gesehen werden. Wenn das Studio nochmals über die Rezeptur geht, könnte sie sich dereinst als Hauptgang etablieren.

 

  • Captain Marvel (USA 2019)
  • Regie: Anna Boden, Ryan Fleck
  • Darsteller: Brie Larson, Samuel L. Jackson, Jude Law, Ben Mendelsohn, Lee Pace, Clark Gregg
  • Laufzeit: 124 Minuten
  • Kinostart: 8. März 2019

 

 

Mike Mateescu / Fr, 08. Mär 2019