Der Langeweile entkommen.

Movie-Kritik: Tschick
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Maik ist Aussenseiter. Und total verliebt. In Tatjana aus seiner Klasse. Wie zu Beginn des Films von Maiks Stimme aus dem Off erklärt wird, hat Tatjana jedoch nichts mit der Geschichte zu tun. Doch genau sie ist diejenige, die Maik nicht zu ihrem Geburtstag eingeladen hat. Und dann gibt es noch Tschick (eigentlich Andrej Tschichatschow). Er kommt neu in die Klasse und wird neben Maik gesetzt. Auch er wird ein Aussenseiter und bekommt ebenfalls keine Einladung zu Tatjanas Geburtstag. Das führt dazu, dass Maik und Tschick am ersten Tag der Sommerferien zusammen auf dem Sofa in Maiks Haus sitzen, darüber sprechen, ob Maik schwul ist und sie dann beschliessen mit einem hellblauen, gestohlen – oder wie Tschick sagt – geliehenen Lada Niva Richtung Walachei zu Tschicks Grossvater zu fahren. Mit Schlafsack und Tiefkühlpizza im Gepäck beginnt eine Reise des Erwachsenwerdens, einer neuer Freundschaft und der Konfrontation mit sich selbst. Maik erlebt durch Tschick erstmals ein Abenteuer und wird aus seiner Isolierten Umgebung gerissen. 

Es ist die Geschichte des besten Sommers, der nie in Vergessenheit geraten wird. 

 

Stets mit dem Adrenalinkick erwischt zu werden – da beide noch 14 Jahre alt sind – fahren Maik (Tristan Göbel) und Tschick (Anand Batbileg) durch die sommerglühende ostdeutsche Provinz. Angst, dass sie gefasst werden könnten, kommt jedoch beim Zuschauer nie auf. Ihre Reise wird begleitet durch laute wechselhafte Musik, die ab und zu die Dialoge übertönt. Dabei handelt es sich zum Teil um klassische Musik, die im Auto gehört wird oder um deutschen Rap als Stimmungsmacher in einer Waldszene. Der Kontrast zu einem sonst mit Ruhe verbunden Wald irritiert mehr als dass es Lust auf mehr machen könnte. Auch die plötzlich lauten Ausbrüche der Protagonisten führen zu Unverständnis. Da sitzen beispielsweise die zwei Hauptdarsteller im Auto und unterhalten sich, als aus dem Nichts der eine den anderen anbrüllt. Ob dies nun Absicht und künstlerische Besonderheit oder fehlendes Gespür für Inszenierung ist, soll der Zuschauer selber entscheiden. 

 

Die beiden Freunde im Maisfeld. (© 2016 Lago Film GmbH, Studiocanal Film GmbH / Mathias Bothor)

 

Das einzige Überzeugende an diesem Film ist die Beziehung zwischen Maik und seiner Mutter (gespielt von Anja Schneider). Sie ist echt und tief. Maik kümmert sich liebevoll um seine Mutter, wenn sie wieder volltrunken ist. Da ist kein Hass oder Abscheu, sondern zärtliche Liebe. Die Mutter ist gefangen in einer unglücklichen Ehe und verfällt immer wieder dem Alkohol. Vielleicht verstehen sich Maik und seine Mutter deswegen so gut: Weil sie beide in irgend’ einer Weise in ihrem Leben gefangen sind und ausbrechen möchten.

 

Keine leicht Aufgabe für Fatih Akin 

 

«Tschick», der neue Film von Fatih Akin («Soul Kitchen», «Gegen die Wand»), ist eine Buchverfilmung vom gleichnamigen Bestseller von Wolfgang Herrndorf, der sich seit der ersten Ausgabe 2010 auf der Spiegel-Bestsellerliste hält. Fatih Akin, der mit seinem letzten Film «The Cut» harsch in der Kritik stand, hat sich keiner leichten Aufgabe gestellt. Mit «Tschick» möchte er sein Können unter Beweis stellen und die tiefgründige Geschichte zweier Jugendlichen zum Leben erwecken. Das gelingt ihm auch. Der Film weißt keine Längen auf und die Entstehung einer Freundschaft zwischen zwei grundverschiedenen Persönlichkeiten wird gut aufgezeigt. Doch ab und zu ist weniger mehr. Und an manchen Stellen wäre mehr schöner gewesen. 

 

Der Grad zwischen zu viel und zu wenig liegt in diesem Film nah beieinander.

 

  • Tschick (Deutschland 2016)
  • Regie: Fatih Akin
  • Drehbuch: Hark Bohm, Lars Hubrich, Wolfgang Herrndorf (Roman)
  • Darsteller: Anand Batbileg, Tristan Göbel, Mercedes Müller
  • Laufzeit: ca. 114 Minuten
  • Kinostart: 15. September 2016 

 

 

Lena Imboden / Mi, 14. Sep 2016