Auf der Suche nach Sinn und Erfüllung

Filmkritik: The Master
Bildquelle: 
Im Verleih von Ascot Elite

Die Nachkriegszeit der 1940er Jahren bildete den idealen Nährboden für obskure Gemeinschaften und verharmloste Sekten. Der Krieg war vorüber, die Wirtschaft boomte allmählich und die vom Krieg zerstörten Seelen suchten verzweifelt nach einer Leitfigur. So auch Ex-Marinesoldat Freddie Quill (Joaquin Phoenix, «Quills», «Walk the Line»), der seine Vergangenheit mit Alkohol zu bewältigen versucht. Einen seiner zahlreichen Jobs beizubehalten oder eine Beziehung mit einer Frau aufzubauen, gelingt ihm dabei nicht. So findet der vereinsamte und kaputte Freddie eines Nachts auf einem Schiff Unterkunft. Statt am nächsten Morgen über Bord geworfen zu werden oder in eine Kammer eingesperrt, wird er vom «Kapitän» Lancester Dodds (Philip Seymour Hoffman, «The Boat that rocked», «The Ides of March»), der von allen nur Master genannt wird, freundlich empfangen.

 

   Der verlorene Freddie (Bild 1) und sein Master (Bild 2).

Bild 1: Der vom Leben geläuterte Freddie findet einen Hafen beim Master (Bild 2) und seinen Anhängern. (Mit Maus über Bild fahren)

 

Regisseur und Drehbuchautor Paul Thomas Anderson gehört neben Quentin Tarantino und Martin Scorsese zu den bekanntesten menschlichen Filmlexika unserer Zeit. Deshalb erstaunt es nicht, dass «The Master» mit zahlreichen kinematographischen Leckerbissen aufwartet. Neben der berauschenden Optik, die auf 65mm gedreht wurde und dadurch an alte Klassiker wie «Lawrence of Arabia» oder «Mutiny on the Bounty» erinnert, sind es malerische Montagen, die Andersons Liebe zum Kino zelebrieren. So sehen wir in den ersten Minuten der Handlung mehr als wir hören. Erst mit dem Erscheinen von Master Dodds kippt die Geschichte in dialogschwere Sequenzen. Diese vermindern den Genuss des Werks jedoch keineswegs, den Hoffmann und Phoenix liefern beachtenswerte Leistungen, die ihnen wohlverdiente Oscar-Nominierungen einbrachten. Genauso wie Amy Adams («The Fighter», «Julie & Julia»), die als Dodds starke Ehefrau Peggy, um die Zukunft ihrer obskuren Gemeinschaft bangt. Mit Freddies Beitritt in die Vereinigung, fängt deren Fassade langsam zu bröckeln an. Wie alle guten Zaubertricks, verliert nämlich auch Master Dodds Magie ihre Wirkung, nachdem der Blick hinter die Kulissen einmal zugelassen wurde. 

 

 Wird Peggy (Bild 1) die Männerfreundschaft (Bild 2) zerstören?

Bild 1: Peggy ist das Treiben unter des Masters Schäfchen nicht geheuer. Derweils kommen sich Freddie und Master Dodds näher. (Bild 2)

 

Der Film behandelt Themen wie Sinnessuche, Identitätskrise & Freundschaft gleichzeitig und zeigt dadurch wie stark die Bereiche voneinander abhängig sind. So ist die Beziehung zwischen Master Dodds und Freddie nicht einseitig und linear, den die beiden Männer definieren sich selbst schlussendlich über die Existenz des jeweils anderen. Diese gegenseitige Fokussierung stösst bei Peggy auf Unbehagen, wodurch sie gegen Freddie zu intrigieren anfängt. Wendungen wie diese kommen leider etwas zu spät, weshalb der Film besonders in der Mitte zu kämpfen hat. Die wiederholten «Heilungen», «mentalen Zeitreisen» und «Hypnosen» wirken sich eher negativ auf den Spannungsbogen aus, der besonders in der ersten Hälfte überragend ist.

 

Mit «The Master» gelingt es Anderson nichtsdestotrotz an vorherige Leistungen anzuknüpfen und neue Massstäbe zu setzen, die für andere junge Filmemacher hoffentlich eine Inspirationsquelle sein können.

 

 

  • The Master (2012)
  • Regie & Drehbuch: Paul Thomas Anderson
  • Besetzung: Joaquin Phoenix, Philip Seymour Hoffman, Amy Adams, Laura Dern
  • Filmdauer: 144 Minuten
  • Kinostart: 14. Februar 2013

 

Tanja Lipak / Di, 12. Feb 2013