Tom Schilling: Ich bin manisch in der Vorbereitung

Interview mit Tom Schilling zu LARA
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© Tanja Lipak

Tom Schiling spielt in Jan-Ole Gersters Zweitling «Lara» den jungen, begnadeten Klavierspieler-Sohn der titelgebenden Figur. Im Rahmen des Zurich Film Festivals sass Tom mit uns zusammen und erzählte von seiner manischer Vorbereitung, wie sich der Dreh zu «Lara» von jenem zu «Oh Boy» unterschieden hat und welche bisher gespielte Rolle am meisten Schnittstellen zu ihm selbst aufweist.

 

Wäre Viktor der Pianist geworden, der er ist, ohne seine ehrgeizige Mutter Lara?

Das ist die Gretchenfrage, eher unwahrscheinlich. Ich glaube daran, dass es Künstlertalente gibt. Ronaldinho zum Beispiel. Der hatte, soviel ich weiss, ein recht bequemes Elternhaus und er hat immer gerne Fussball gespielt. Den musste man nicht zu irgendetwas pushen oder so. Der war selber bis spät in der Nacht auf dem Fussballplatz und war immer schon dieses Riesentalent und hatte dann auch die Lust, da durchzubeissen. Und dann gibt es andere, die benutzen die Kunst oder eine Fertigkeit wie Sport dafür, um Anerkennung zu bekommen und verwechseln Anerkennung mit Liebe, suchen wohl viel eher Liebe. Diese machen es mit so einer grossen Kraft, um geliebt zu werden, und dies macht sie zugleich todunglücklich. Dadurch ergibt sich so ein Spannungsfeld, indem sie etwas tun, das sie total gut können und für das sie von vielen sehr bewundert werden. Was sie tun, hassen sie dann wiederum abgrundtief, da sie dies benutzen müssen, um geliebt zu werden, so denken sie.

 

Denkst du, dies ist bei Viktor, deiner Rolle, der Fall?

 

Ja (lacht). Er möchte von seiner Mutter geliebt werden und er weiss, er kann dies über die Kunst erreichen. Über das Klavierspielen, über die Perfektion.

 

Denkst du dass Viktor auch in das Rollenmuster seiner Mutter Lara rutscht? Von seiner Freundin distanziert er sich auch über 2 Monate lang?

 

Ja, absolut. Die Psychologie würde ganz klar sagen, dass eine solche Persönlichkeitsstörung immer von Generation zu Generation weitergetragen wird, ausser man schafft es, zu durchbrechen. Aber auch dann ist es immens viel Arbeit, sich aus diesem inneren Gefängnis zu befreien. Selbst wenn man reflektiert und versucht, dem zu entkommen, hat dies mit frühkindlicher Prägung zu tun. Mit dieser ganzen Routine, die damit einhergeht. Er kennt auch kein anderes Leben als dasjenige, in dem gut nicht gut genug ist.

  

Hat dich der Film zum Nachdenken über den Umgang mit deinen eigenen Kindern gebracht? Wie viel Ambition und wie viel Liebe notwendig ist? Oder kannst du diesen Film drehen und ihn von deiner eigenen Person abschotten?

 

Auf gar keinen Fall. Ich denke, dass ich alle Filme nach dem Gesichtspunkt aussuche, dass sie etwas mit mir selber zu tun haben. Ich versuche in jeder Rolle auch einen Teil von mit Preis zu geben. Deswegen bedeutet dies, auf mich selber zu schauen oder meine eigenen Anteile daran zu erkennen. Sagen wir das mal so, von allen Figuren, die ich gespielt habe, weisst Viktor am meisten Schnittstellen zu mir selber auf.

 

Wie einfach war es für dich, die Klavierszenen umzusetzen?

Corinna (Harfouch, Anmerkung der Redaktion) würde dies fleissig nennen, ich würde eher sagen, ich bin manisch in der Vorbereitung. Mit fehlt eine gewisse Leichtigkeit, ich nehme als sehr existentiell, was ich da tue. Ich bin mir selbst mein grösster uns schärfster Kritiker. Ich leide unter meinem eigenen Perfektionismus und brauche deshalb ganz viel Sicherheit, die ich mir durch Wiederholung aneigne. Das heisst, dass ich so tief in etwas hineintauche. Ich will mich selbst davon überzeugen, dass ich Chopins spielen kann. Dazu muss ich wahnsinnig viel üben. Und wenn ich wie in «Werk ohne Autor» einen Film über Malerei mache, dann male ich halt wahnsinnig viel. Oder muss da irgendwie eintauchen.

 

Die Nervosität, die Viktor vor seinem grossen Klavierkonzert verspürt, ist die vergleichbar mit der Nervosität als Schauspieler vor der Premiere seines Filmes?

 

Ja, das stimmt, nur es ist anders als Schauspieler, jedenfalls bei mir. Ich habe nicht Angst vor der Premiere, weil es dann eh schon durch ist, dann kann ich nicht mehr viel verändern. Beim Theater wäre es die Angst vor der Premiere, aber beim Film ist es bei mir die Angst vor dem ersten Drehtag. Und die Angst vor der ersten Woche. Die Vorbereitungszeit ist das Komplizierteste für mich. Die Zeit, in der ich am liebsten etwas Anderes machen möchte.

 

Du hast mit Jan-Ole Gerster bereits beim erfolgreichen «Oh Boy» gearbeitet. Inwiefern hat sich sein Regiestill nun «bei Lara» verändert?

 

Das kann ich nicht gut beurteilen, dazu war ich fast zu selten am Drehort. Ich habe «Oh Boy» als sehr angenehmen und lustigen Dreh in Erinnerung, was damit zu tun hat, dass wir wenig Geld hatten und ein kleines Team waren. Wir waren alles Freunde, auch der Kameramann war ein Freund und wir haben alles ohne Druck und mit sehr viel Freude gedreht. Bei «Lara» hat man gemerkt, dass Jan-Ole viel mehr Druck hatte und dass wir in keinem sehr engen Austausch und Kontakt waren. Diesen hatte er viel eher mit Corinna. Es hat damit zu tun, wie er Filme dreht und wie die eine Figur immer im Zentrum steht und die ganze Aufmerksamkeit und Liebe der Erzählung hat. Das macht diesen positiven Blick auf diese fragwürdige und schwierige Frau aus. Dort war Jan-Oles engste Verbindung.

 

 

Tanja Lipak / Do, 07. Nov 2019