Julia Stone bleibt ohne ihren Bruder blass

CD-Kritik: Julia Stone - By The Hornes
Julia Stone - By The Horns
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Als Rezensent muss man sich möglichst zurückhalten. Schon klar. Für einmal soll dieser Grundsatz aber bewusst gebrochen werden. Seit ziemlich genau vier Jahren verfasse ich Texte über Musik. Als Einstieg in die Welt der Buchstaben sollte ich eine CD-Rezension verfassen – natürlich bleibt die Band ungenannt - und mir fiel nur ein Wort ein: Fahrstuhlmusik. Was tut ein unerfahrener Schreiber also, wenn er eine CD nicht wirklich schlecht, aber auch nicht besonders gut findet? Die Antwort ist grundsimpel: er schreibt genau das. Also habe ich um die Fahrstuhlmusik herum den Text aufgebaut. Jahre später erfuhr ich über gemeinsame Bekannte, dass jene Band über die Bezeichnung nicht sehr erfreut war. Fahrstuhlmusik – Schöne Musik, die man bereits vergessen hat, wenn man den Lift verlässt. 

 

Beim Hören der ersten Solo-CD von Julia Stone habe ich ein Déjà-Vu. Ich stehe plötzlich wieder im Fahrstuhl. Und eigentlich will ich das gar nicht, denn mit ihrem Bruder Angus sorgte Julia als Duo Angus & Julia Stone für wohlige Folk-Schauer. Die beiden Geschwister sind in Australien Superstars, da liegt es nahe, den Erfolg auch auf den jeweils eigenen Füssen zu probieren. Wieso aber bleibt von «By The Horns» so wenig hängen?

 

Die Aura verpufft bei Song Zwei.

 

Die Platte hat weder Ecken noch Kanten, nichts, dass auch nur im Entferntesten hängen bleiben könnte. Das Wechselspiel in Julias Stimme, diese fragil zerbrechliche und gleichzeitig granitharte Aura, die sie verströmt, verpufft bereits im zweiten Song. Beim Opener «Let’s Forget All The Things We Said» lauscht man der lieblichen Stimme noch neugierig, doch schon bei Song Zwei und Drei fragt man sich, wieso so wenig Abwechslung stattfindet und man erwischt sich sogar dabei, wie man kurz abschweift und gar nicht gemerkt hat, dass schon der nächste Track läuft. Stück für Stück plätschert gemächlich vor sich hin und tut im Grunde niemandem weh. «Justine» schaltet für einen Moment einen Gang höher. Doch «Break Apart» taucht bereits wieder tief in den gewohnten Ton, den Julia Stone auf der Platte anschlägt. 

 

Auch wenn vereinzelt die Strukturen ganz gefällig wirken und sich mögliche Songperlen als Schema offenbaren, jedoch unausgereift scheinen, so wirkt «By The Hornes» doch so, als ob sich Julia Stone auf Solospuren einfach zu wenig traut. Folk-Pop, wie er von ihr erwartet wird, also auf Sicherheit gesetzt, allerdings ohne den brüderlichen Rückhalt. Das funktioniert nur sehr bedingt und so tappt Julia in die Warenhausfalle und wird wohl in manchem Fahrstuhl zu hören sein, für einige Sekunden in den Gehörgängen verweilen und wenn sich die Lifttüren öffnen, schon wieder verflüchtigt sein.

Patrick Holenstein / Sa, 02. Jun 2012