Crystal Fighters: «Es ist wie ein Gruppen-Abenteuer»

Interview mit Sebastian von Crystal Fighters
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Pressebild / © Warner Music

Drei Jahre hat sich die britisch-baskische Band Crystal Fighters für das aktuelle Album Zeit gelassen. «Gaia And Friends» heisst es und dazu fallen auf Anhieb ein paar Fragen ein. Gut, dass die Band Ende März Interviews gab und wir so mit Sänger und Gitarrist Sebastian Pringle über die neue Platte und seine Gedanken zur Erde, was «Gaia» ja bedeutet. Weiter über besondere Plätze, an denen er geschrieben hat, die Prozesse im Studio und die Unterschiede beim Publikum. 

 

Willkommen zurück in der Schweiz! Wie fühlt es sich an, wieder hier zu sein?

 

Danke, dass wir hier sein können. Es fühlt sich grossartig an. Es ist ein wunderschöner Tag und ich bin glücklich. Das hier ist eine schöne Location, wir sitzen auf einer coolen Bank, da sind Tiere reingeschnitzt. 

 

Wie ist es, zurück in ein Land oder eine Stadt zu kommen, in der man bereits mehrmals war?

 

Gut. Wir sind für einige Jahre nicht mehr in Europa getourt. Es ist gut wieder in diesem Flow zu sein, in einem Team, zusammen zu arbeiten, die Shows zu verbessern und gemeinsam zu meistern. Es ist wie ein Gruppen-Abenteuer.  

Ihr habt jetzt einige Shows in Deutschland gespielt. Bemerkt man zwischen den einzelnen Ländern grosse Unterschiede bezüglich des Publikums?

 

Ja, genau, wir kamen heute von Berlin hierher. Das war ein langer Weg, etwa elf bis zwölf Stunden, aber ich habe geschlafen. Natürlich gibt es Unterschiede. Die erste Hälfte der Tour war in Spanien und Portugal und weisst du, da sind die Leute sehr lebendig und lieben Spass. Manchmal sind die Shows später am Abend und da kommt eine gewisse Stimmung auf. Aber hier und überall in Europa lieben die Leute die Musik auf ihre eigene Art und Weise. Es ist spannend, das zu sehen und herauszufinden, wie man wo mit welchem Publikum spielen kann.

 

Diese Frage zu stellen ist immer sehr interessant. Manche Musiker nehmen Unterschiede wahr, manche nicht.

 

Ach, die tun nur so, als gäbe es keine!

 

Ja, wahrscheinlich. (wir lachen)

 

«Man sollte ein Freund für unsere Erde sein»

 

 

Zu Beginn des Monats habt ihr das Album «Gaia And Friends» veröffentlicht. Was bedeutet euch das Album?

 

Die Idee war, das zusammenzufassen, was wir in den letzten zwei Jahren gemacht haben. Wir haben viel geschrieben, auch mit anderen Künstlern. Wir haben es nicht wie ein richtiges Album rausgebracht, im Stil von «Woah, hier ist das neue Album!». Klar, es ist ein Album, aber wir haben einfach etwas rausgebracht, das sich für den Moment richtig angefühlt hat. Wir haben die Songs ausgewählt, die bereit waren und gepasst haben. Ich denke, das hat gut funktioniert. Wir arbeiten immer noch hart an den Songs aber dieses Mal wollten wir auch den Fans etwas geben, ebenfalls zum Zeitpunkt der Tour. Die Zeit vergeht viel zu schnell, Dinge ändern sich so schnell und plötzlich erinnert man sich an Momente, in denen man eben genau das gefühlt hat. 

 

Der Titel des Albums und dessen Bedeutung; «Gaia» steht für die Erde, also «Mother Earth» und meine Gedanken dahinter ziehen sich durch mein ganzes Leben. Alles, was natürlich auf der Erde ist, ist unser Freund. Und «friends», bei einer Freundschaft ist das anders. Es ist nicht jeder dein Freund. Man muss etwas dafür tun, um eine Freundschaft oder eine Beziehung aufrecht zu erhalten. Man muss sich bemühen, hat Verantwortung und genau das sollte man auch gegenüber unserer Erde empfinden. Man sollte ein Freund für unsere Erde sein, denn wir sehen es häufig als selbstverständlich, dass wir das haben, was uns die Erde bietet. Aber eigentlich müssen wir das auch pflegen. 

 

Sehr interessant. Das ist ja überall ein ganz grosses Thema momentan, das man sich der Umwelt mehr bewusst ist und man unserem Planet mehr Sorge trägt. Deshalb denke ich auch, dass der Albumtitel sehr passend ist.

 

Cool, das freut mich. Weisst du, die Leute fokussieren sich oft auf Politik, auf den Brexit zum Beispiel und all das Zeugs. Natürlich ist es irgendwie wichtig aber es baut auch neue Grenzen auf, führt zu noch mehr Auseinandersetzungen. Es lenkt zusätzlich von den eigentlichen Problemen in der Welt ab und diese Probleme sind viel grösser als dieses kleine Land hat. Weisst du, ich hoffe auch, das der Brexit nicht geschieht, aber noch viel wichtiger ist doch die Armut, Frauenrechte, Flüchtlinge und solche Dinge, auch das Wohl aller Tiere. Das ist viel wichtiger für mich, aber wahrscheinlich nicht für die Gesellschaft.

 

 

Kommt deine Denkweise davon, dass du schon oft gereist bist und vielleicht auch mehr gesehen hast, als viele andere Leute da draussen?  

Ja, einiges sicher, weil ich es selbst gesehen habe. Aber heutzutage leben wir in einer virtuellen Welt. Auch wenn du nicht dort warst, weisst du trotzdem, was da läuft. Das menschliche Gehirn ist zudem sehr beeindruckend; du kannst dir einfach etwas vorstellen, das ist doch unglaublich. Manchmal sind deine Vorstellungen Realität. Wenn Statistiken sagen, dass wir den Regenwald zerstören, du Bilder und Videos davon siehst, dann kannst du dir ausmalen, wie es da aussieht und musst nicht hingehen, um es selbst zu sehen. Es ist gut, es selbst zu sehen und so zu realisieren, was wir verlieren aber das heisst nicht, dass jeder reisen gehen muss. Ich meine, natürlich, alle sollten reisen gehen, wenn man Freude daran hat und will und kann. Man wird sich so manches bewusst und vor allem haben wir auf der Welt mehr Ähnlichkeiten, als dass wir Unterschiede haben - in Rassen, Kulturen, Ländern. Diese Pflanze hier, ich kenne sie. Die wächst in England auch (wir lachen). Wir sagen dem hier «Schweiz» (Bast zeigt um sich), aber es ist Pachamama, die Erde.

 

 

«Lass dein Handy im Flugmodus, wache langsam auf und nimm dir Zeit dafür, versuche deine Träume aufzuschreiben und stelle eine Verbindung mit deinem Unterbewusstsein her.»

 

 

Wow, sehr schön wie du das Ganze siehst. Auf dem Album ist der Song «Reborn». Was ist die Geschichte dazu? 

 

(lacht und überlegt) Hmmm … Ich denke, wir sind an Astrologie und Spiritualismus interessiert, an Ayurveda und so. Die Idee zum Beispiel, dass die Seele ein ewiges Etwas ist. Die Lotusblüte gehört auch dazu und natürlich die positive Einstellung. Viele Leute denken, dass wir nur ein Leben haben und dass wenn du tot bist, da nichts mehr ist. Sie suchen den Sinn des Lebens, sie werden nur alt, um zum Sterben und so. Das Lied sagt aus, dass es darauf ankommt, wie du dir die Welt ansiehst. Zum Beispiel die Zeilen «doors they open and they close»; manche Leute sagen immer «Ohhh da ist eine geschlossene Türe, ich habe keine Wahl, die ist nicht offen» aber weisst du, Türen kann man ja auch öffnen … (wir lachen) 

 

Ja, genau, das sollte man nicht vergessen und dann kann man hindurch gehen.

 

Das stimmt, yeah! 

 

Haben du oder deine Bandmitglieder einen Platz, wo ihr euch wiedergeboren fühlt? Oder vielleicht auch Situationen im Leben, die dich verändert haben?

 

Ja klar, die gab es. Verrückte Erlebnisse in Südamerika mit den Schamanen und sogar beim Baden in einem Wasserfall oder einfach in einer Schwitzhütte. Da fühlte ich mich überwältigt von der Hitze. Das klingt total hippieesk, aber ja. 

Du kannst dich jeden Tag wiedergeboren fühlen. Auch wenn du träumst. Ich denke, das ist der Sinn hinter dem Lebenszyklus. Jeden Tag wachst du aufs Neue auf, mitten im Geheimnis der Welt. In der Nacht verdaust du die Dinge, die du gesehen und erlebt hast. Für mich ist es wichtig, meiner Schlafenszeit mehr Zeit zu widmen. Wach doch nicht auf und das Erste, was du machst, ist dein Handy zu nehmen, um nachzusehen, wer dir geschrieben hat. Von einer Minute zur anderen ist dein Gehirn wieder mitten im Geschehen aber das muss doch nicht sein. Lass dein Handy im Flugmodus, wache langsam auf und nimm dir Zeit dafür, versuche deine Träume aufzuschreiben und stelle eine Verbindung mit deinem Unterbewusstsein her. Das ist ein wirklich magischer Ort, um mehr über dich selbst und deine Wünsche zu entdecken. Je mehr Träume du aufschreibst, desto mehr werden wahr, weil du plötzlich weisst, was tief in dir drin schlummert und was du wirklich willst, ohne dir Sorgen um Instagram machen zu müssen.

 

Das ist inzwischen schlimm geworden. Früher haben wir noch im Wald gespielt und heute sieht man bereits die kleinen Kinder an Tablets und Handys. 

 

Ja, leider.

 

Fällt es dir leicht, dich abzugrenzen, wenn da Fans, Tours und alles drum herum ist?

 

Es ist schwierig. Da sind Erwartungen vom Management, von Freunden, den Bandmitgliedern, der Familie und die Leute wollen sehen, was du gerade machst – vor allem, wenn wir auf Tour sind. Da fühlt man sich schnell verantwortlich und es gibt auch keinen Grund, das nicht zu sein. Wir sitzen im Backstage, das ist interessant für die Leute da draussen. Wie du bin ich auch nicht von dieser Generation, die ständig am Handy ist aber manchmal müssen wir uns anpassen, um zu überleben. (lacht)

 

Wie sieht denn das Songwriten bei den Crystal Fighters aus? Einigt ihr euch schnell auf etwas, könnt ihr Vorschläge der andern einfach annehmen und euch damit identifizieren?

 

Gerade erst waren wir in einer Situation, in der wir uns nicht so einfach mit den Vorschlägen anderer identifizieren konnten. Jeder hat sein eigenes Notebook, Traumtagebücher und so weiter. Wir kommen zusammen, schauen uns alles an, unterhalten uns und arbeiten gemeinsam weiter. Es kommt auch darauf an, was uns gerade gefällt. Zum Beispiel «Ah ja, momentan gefallen mir eher Dinge, die nicht glücklich klingen», und der andere sagt; «Oh, ich möchte etwas Energiegeladenes, Afrikanisches machen», und dann geht es los: Welche Lyrics passen dazu, und so weiter. Es gibt viele verschiedene Wege, einen Song zu schreiben. Wir arbeiten Tag für Tag daran und nach ein bis zwei Wochen sehen wir, wo wir stehen.

 

Sehr interessant, ja. Nun habe ich einige Sätze, die du gerne beenden sollst.

 

Okay, cool.

 

Das Erste, das ich an einem Flughafen mache …

 

… den Check-In? Das ist ja mega langweilig! (lacht) Nein, ich trinke Wasser und esse vielleicht eine Banane. Sagen wir drei Bananen.

 

Ich habe noch nie …

 

… (überlegt und lacht) Das ist ein gutes Spiel. Ich habe noch nie in einem Interview gespielt.

 

Wenn ich einen Affen hätte …

 

… würde ich ihn im Dschungel frei lassen, solange er da sicher ist.

 

Eines der wichtigsten Dinge im Leben ist …

 

… Dankbarkeit und Respekt.

 

Wenn ich eine Superkraft hätte …

 

… würde ich die Bäume superschnell wachsen lassen. So quasi, zackzack, und plötzlich ist da ein Wald.

 

Der komischste Ort, an dem ich je einen Song geschrieben habe …

 

… (überlegt lange) Wahrscheinlich – das ist nicht so aussergewöhnlich – aber in einer Höhle.

 

In einer Höhle? Das ist ja interessant. 

Ja, die Akustik war perfekt. Oder in einer Unterführung funktioniert das auch super.

 

Nun zum Schluss, ist da eine Frage, die du noch nie in einem Interview beantworten musstest, von der du der Welt aber gerne deine Antwort darauf mitteilen möchtest?

 

Ich denke, ja. Was würdest du dir für die Zukunft der Menschheit wünschen? Bei der Antwort bin ich mir aber nicht sicher (lacht). Aber in einem Wort: Frieden.

 

Sehr schön. Vielen Dank, Bast, für deine Zeit und weiterhin eine gute Tour.

 

Danke dir, das war ein gutes Interview.

 

Crystal Fighters - «Wild Ones»

 

 

 

Rahel Inauen / Sa, 06. Apr 2019